AW: Wenn Kinder ausleben statt zu reden ...
Liebe Andrea,
ich kenne dich und Eure Situation viel zu wenig(bis gar nicht) um ein "Urteil" abgeben zu können, möchte aber trotzdem schreiben was mir ganz oft auffällt, wenn ich Postings von dir zum Thema "Erziehung, etc." lese.
Du bist so wahnsinnig durchorganisiert. irgendwie muss bei dir Alles nach Plan laufen. Hier wird geübt, da ein Zeitfenster fürs Vorlesen, jetzt hat der seine Zeit, dann der.
Sicher, und das kann ich wirklich sehr gut nachvollziehen, bedarf es in einer Familie an Organisation, an festen Regeln und an Kontinuität, sonst würde Chaos ausbrechen. Je mehr Kinder, desto mehr Chaos wahrscheinlich.
Aber, Kinder funktionieren nicht nach der Uhr.
Vielleicht würde Euch ein bisschen mehr laissez-fair und Spontanität gut tun.
Wenn Ariane ihre drolligen 5-Minuten braucht, dann muss gleich darauf eingegangen werden. Egal ob Hunde warten, Geschwister müde sind oder oder. Da müssen die Anderen dann halt mal zurückstecken.
Allen immer und gleichzeitig gerecht zu werden, ist eine Utopie.
Ich habe und lege noch sehr viel Wert darauf, dass die Großen eben nicht in dieser typischen "Große-Geschwister-Rolle" sind. Tanisha muss genauso lernen, dass auch sie zurückstecken muss bzw. dass jedes Bedürfnis von Jedem genauso wichtig ist. Gestern ging es Yvonne psychisch echt mies, wegen eines ganz blöden Streits mit ihrer besten Freundin. Da war sie am Wichtigsten. Und obwohl es Abendessen-Zeit war und alle mit genervten Gesichtern angedackelt kamen und sich über Hunger beklagten, fanden sie kein Gehör. So schnell verhungert Niemand, aber kein Verständnis und keine Zuwendung zu bekommen, wenn die Seele weint, ist schon bitter.
Um es mal etwas salopp zu sagen "werde lockerer".
Die Welt wird nicht untergehen, wenn du mal 5-Gerade sein lässt.
Und was mir noch in den Sinn kam. Ich habe letztens in einer (seriösen) Zeitschrift einen Artikel darüber gelesen, ob man allen seinen Kinder gerecht werden kann. Mütter sagten ja und die dazu befragten ältesten Kinder sahen es völlig anders. Sahen ihre kleineren Geschwister bevorzugt.
Ich habe daraufhin mit meinen Kinder gesprochen und etliche Antworten meiner Kinder haben mich wirklich überrascht.
Vielleicht, achtung jetzt ganz wirre Gedanken, ist Arianes derzeitiges Verhalten auch ein "Schrei" nach Aufmerksamkeit. Sie hat erlebt, dass ihre Klassenkameraden sich mit dem Austicken(egal ob bewusst oder unbewusst) Aufmerksamkeit erwirken konnten. Auch negative Aufmerksamkeit ist Aufmerksamkeit.
Wenn sie schon sagt, dass es sie nervt, dass der Papa so wenig Zeit hat und Du hast sicher durch die beiden Anderen Mädels auch nicht mehr die Zeit für sie, die sie vielleicht gewohnt war. Vielleicht geht sie jetzt gerade einen anderen Weg.
Vielleicht mag sie grad einfach nicht mehr die große, vernünftige Schwester sein, die gewissenhaft übt, Rücksicht nimmt, Verständnis zeigt. Vielleicht ist sie mit ihren 6 Jahren in der Rolle einfach überfordert.
Und weil sie halt noch ein kleines Kind ist, isch nicht so ausdrücken kann, bricht sie anders aus.
Ich habe ja mit Tanisha so ein "spricht-Nicht" zu Hause. Tani knabbert alles in sich rein und irgendwann bricht sie aus. Drüber reden, Gespräche....keine Chance. Ich habe aber das Rollenspiel für uns entdeckt. Wenn ich merke, ihr Verhalten richtet sich gegen mich, dann tauschen wir die Rollen. Sie ist die Mama und ich bin Tanisha. Und spätestens da, sehe ich wie ich auf sie wirke.
Ich wünsche Euch alles Gute, dass sich Alles wieder zurechtrenkt.
Liebe Grüße,
Berrit