Ich bin ein geschlagenes Kind.
In meiner Kindheit, ja selbst mit 18 Jahren noch, hat meine Mutter mich geschlagen. Es tat weh, körperlich genauso wie seelisch, es waren von Klapsen, Hinternhauen bis Schläge mit dem Kleiderbügel alles dabei.
Darauf gründet sich meine Überzeugung, meine Kinder niemals im Affekt schlagen zu wollen.
Ich hab es bisher gut durchgehalten, obwohl ich einige Grenzfälle dabei hatte: so hat mich Cassie öfter schon gehauen, aus Wut oder um herauszufinden, wie ich reagiere. In solchen Momenten sage ich "Das tut weh! ", nehme ihre Hand und schlage etwa in gleicher Wucht zu (meist etwas schwächer). Niemals "schlage" ich in diesem Moment "mit Wut" zu. Für mich ist dies kein "Schlagen als Erziehung". Ich orientiere mich da am Kindergarten, dort erfahren die Kinder auch gegenseitig und "am eigenen Leibe", was "jemanden schlagen" bedeutet.
Andererseits hat Cassie auch ihre Momente, wo sie mich bis an die Grenzen meiner (leider sehr ausgeprägten) Geduld treibt. Dies ging letztens so weit, daß ich (von mehreren schlaflosen Nächten ausgelaugt, mit weinendem Baby auf dem Arm) sie sehr laut angeblafft habe. Es war immerhin halb zehn Uhr abends(!), und sie blieb ums Verrecken nicht in ihrem Bett.
Es hat mir sehr weh getan, wie mein Kind da vor mir stand, tränenüberströmt, sich die Ohren zuhaltend und "böse Mama" schluchzend. Ich habe sie dann verbal dazu gezwungen, ins Bett zu gehen ("Möchtest du eine liebe oder böse Mama?".... "liebe Mama" ... "Dann GEHST du JETZT ins BETT!").
Die Quintessenz der Aktion? Am nächsten Abend machte sie wieder Theater. Diesmal wurde ich bereits beim zweiten Mal laut. Effekt: sie blieb *sofort* im Bett. Man konnte direkt spüren, daß sie zufrieden war, die Grenze erreicht zu haben. Für diesmal.
Es gibt diese Kinder, die ihre Grenzen eben nicht beim "üblichen" Vorgehen haben. Irgendwo schrieb mal jemand, man solle doch bitte sein Kind nicht als Strafe bei geschlossener Tür ins Zimmer schicken, das wäre gaaanz schlecht. Nun, Cassie akzeptiert abends NUR die geschlossene Tür zum Kinderzimmer als Endpunkt der Diskussion. Es stört sie offensichtlich gar nicht, sie reagiert darauf eher wie "Licht aus".
Ich kann daher auch Darkdancer nicht für seinen Klaps verurteilen. Offenbar konnte Annika die vorher gezogenen Grenzen eben NICHT als Grenze anerkennen. Aus seiner Beschreibung entnehme ich auch, daß er durchaus nicht im Affekt gehandelt hat, und ich glaube ihm (und Exilfriesin) genauso, daß sie sich ansonsten anders durchsetzen (können).
Ich bin sogar der ketzerischen Meinung, daß Annika da bekommen hat, was sie gebraucht hat: eine angedrohte Konsequenz, die in aller Klarheit erfolgte, eine Grenze, die die "normalen" Grenzen umso überschaubarer machte.
Keinen Klaps, der aus Hilflosigkeit und Situation spontan entstand und wiederholt und erweitert werden könnte.
Übrigens, so entwürdigend, wie ich Schläge für den Schläger(*) finde, ist meine schlimmste Demütigung doch die Erinnerung, wie meine Mutter mich zwang, mich selbst als "Schlampe" zu bezeichnen, als ich ca. 8 Jahre alt war. Entwürdigung kann man auf viele Arten erreichen.
Gruß,
Buchstabensalat
*JA, Schläge entwürdigen den Schläger. Er gibt damit auf deutlichste Art zu, keine Argumente mehr zu haben, sich nicht mehr anders wehren zu können als durch blinde Gewalt. DESHALB will ich nicht schlagen - ich bin *mir* zu schade dafür.
Verwerflich?