AW: Waldorfschule
Hallo Vivi,
unsere Tochter geht seit Anfang Februar auf eine Waldorfschule. Sie ist ein pfiffiges kleines Mädchen, das aber eben nicht stromlinienförmig durch die Grundschule geglitten ist, weil sie manchmal so komplex denkt, dass sie selbst die einfachsten Dinge kompliziert macht und dann länger braucht, bis sich die Dinge setzen. Wir haben dann immer mehr gemerkt, dass die ständige Diskussion über Noten und die Frage, zu welcher Schule gehst du denn, ihr immer mehr den Spaß am Lernen verbaut hat. Das war der Grund für uns die Notbremse zu ziehen.
Bislang fühlt sie sich sehr wohl dort in der Schule und ich habe den Eindruck, dass sie trotz oder vielleicht gerade wegen der sehr entspannten Atmosphäre gute Fortschritte macht. Alles ist recht klein und familiär und das tut ihr gut. Wir sind ganz begeistert vom sozialen Miteinander der Kinder. Es gehen ja nun alle Schüler von der ersten bis zur dreizehnten Klasse in die Schule und bislang haben wir noch nicht mitgekriegt, dass es je Ärger zwischen den Schülern gab. Da habe ich von der weiterführenden Schule hier im Ort schon ganz andere Dinge mitgekriegt. Natürlich gibt es zwischen den Kindern der Klasse auch mal Zickereien, aber das ist ja nun ganz normal und gehört dazu.
Die Kosten sind soweit ich weiss von Schule zu Schule unterschiedlich. Hier bei uns ist es so, dass die Gebühren vom Einkommen der Eltern abhängen. Wir zahlen den monatlichen Maximalbeitrag, das sind derzeit ca. 235 Euro. Dazu kommen noch einmal 45 Euro für die OGS (sofern erforderlich), Essensgeld falls sie in die OGS gehen und eine Materialpauschale von 5 Euro monatlich. Davon werden zum Beispiel die Schulhefte gezahlt.
Unserer Tochter tut der Epochenunterricht sehr gut. Die Kinder haben morgens immer zwei Stunden Hauptunterricht, da machen sie dann phasenweise Deutsch, Mathe oder so Themen, die sonst wahrscheinlich eher dem Sachkundeunterricht zugeordnet sind. M. sagt immer, dass es gut ist, dass sie ein Thema mehrere Wochen intensiv bearbeiten, der Stoff dann aber auch der einzig neue Stoff ist und nicht in drei Fächern gleichzeitig neue Themen kommen. Man hört ja immer von diesen Vorurteilen, dass die Kinder viel zu langsam sind und dass sie auch am Ende der vierten Klasse noch nicht richtig lesen und schreiben können. Das ist hier definitiv nicht so, in Mathe sind sie deutlich weiter als sie in der Grundschule waren, die Kinder können alle gut lesen und in Deutsch sind sie ungefähr genauso weit wie sie in der bisherigen Grundschule war. Wenn ich mir so angucke, was die Kinder im Unterricht und wie der Unterricht läuft, dann erinnert mich das ein bißchen an meine Schulzeit. Vielleicht fühlt es sich deshalb für mich gut an.
Schaut euch die Schule genau an, genau wie bei allen anderen Schulen gibt es mit Sicherheit Qualitätsunterschiede und auch Unterschiede darin, wie "traditionell" die Schule ist. Bei uns ist es alles sehr entspannt, es gibt keinerlei Kleidungsvorschriften, der Eurythmieunterricht wird ohne Kittel gemacht, weil die Kinder die Kittel blöd finden. Ihr müßt euch darüber im Klaren sein, dass Waldorfschule in der Regel auch ein gewisses Engagement der Eltern erfordert. Ich finde das gut und es macht mir Spaß, aber das ist eben nicht jedermanns Sache an den Wochenende Feste mit der Schule zu feiern, Gartendienst zu absolvieren etc.. In einigen Schulen gibt es gewisse Pflichtstunden, die man leisten muss. Bei uns ist das alles auf freiwilliger Basis.
Wenn du magst, können wir gerne mal telefonieren, dann kann ich dir noch ein bißchen mehr erzählen. Übrigens durfte unsere Tochter eine Woche hospitieren, bevor wir uns endgültig entschieden haben. Das fand ich extrem hilfreich.
Liebe Grüße
Sandra