AW: Ostalgie ... bin ich überempfindlich?

find ich spannend, was sich so aus meinen unausgegorenen, mehr durch Emotionen die sich an diesen Symbolen festmachten hochgekommenen Gedanken entwickelt hat. Und ich danke allen, dass sie antworten. Egal, welche Meinung.
Der Dialog ist wichtig. Immer. Sonst wächst eh nie zusammen, was man gewaltsam getrennt hat.
Für mich zieht die Diskussion viel weitere Kreise, als ich gedacht hätte... ich stelle nicht in Abrede, dass es viel gegeben hätte, was zu Erhalten wert gewesen wäre. Ich kenne ja nur das Recyclingsystem aber es wird schon noch mehr gegeben haben. Dass die Ostprodukte im Lebensmittelbereich weiterhin konsumiert werden, find ich mehr als selbstverständlich, es ist schön, dass es sie noch gibt, zunehmend mehr gibt, auch im Westen. Irgendwann sollten wir soweit sein, dass es keine Wessi- und Ossiprodukte mehr gibt sondern nur noch das was einem schmeckt. Das alles war nie Thema meines Anstosses.
Dass nach der Wiedervereinigung viel Unrecht am Osten geschehen ist, steht ausser Frage, dass immens viel Geld von West nach Ost geflossen ist und hier die Ruhrpottstädte z.B. Schulden machen um diesen Transfer überhaupt leisten zu können, dass es auch hier keine Arbeitsplätze erst recht nicht blühende Landschaften überall gibt und man auch hier nicht in Urlaub fahren kann weil man am untersten Existenzminimum lebt... - sind alles Themen, die so wichtig, so brisant sind, die aber für mich gar nix mit meinen Steinen des Anstoss zu tun haben...
Dass Frau Enie sich wahrscheinlich gar keinen Kopf drüber gemacht hab, was sie da für Register zieht, glaub ich gern :ochne:. Für sie hats halt zur perfekten Präsentation ihres Thema"s "ehemalige DDR" gepasst... man will ja authentisch sein. Ja aber - nur weil sie es darf, ist es damit auch moralisch gesehen o.k.?
Ich mein, mit etwas Feinfühligkeit, mit etwas Fingerspitzengefühl, mit dem Bewußtsein dafür, dass in dieser früheren geliebten Heimat auch eine Diktatur herrschte, die Menschen verfolgte, quälte, ermordete, die repressiv gegenüber Systemgegner vorging, hätt sie das Thema auch umsetzen können, ohne auf die Symbole und die Machthaber genau dieser Diktatur zurückzugreifen.
Einzig allein darum gings mir ursprünglich, obwohl ich es sehr interessant, wichtig, spannend finde, was sich draus entwickelt hat.
Stalin war einer der grausamsten Diktatoren der neuzeitlichen Geschichte. So was fass ich einfach nicht, das grenz für mich an unsägliche Ignoranz, da mal hoppla nen Nachtisch nach zu nennen. Auch wenn sie vielleicht einfach nur in ihrem Hirn eine Erinnerung hatte, dass es wahrscheinlich irgendwo in der DDR so ne Strasse gab... hätt sie doch auch Rosa-Luxemburg-Eis rühren können, das wär nicht so übel gekommen. Nä, Denken erlaubt, auch in ner Kochsendung

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ich kann auch Buchweizensuppe aus dem Krieg kochen, ohne mir dafür den Adolf an die Wand zu hängen, weils halt aus der Zeit war... DAS mein ich. Aber wenn ich mir den dann an den Bilderhaken häng, noch ein Kreuz und nen Mutterorden an die Brust steck, dann brauch ich mich nicht wundern, dass manche Leute blöd schauen :ochne: - und andere sich freuen, weil ich Wasser auf ihre Mühlen gieße in meiner Naivität

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Nicht, dass die DDR wie das 3. Reich war, aber es durchaus auch einige Parallelen zu diesem Unrechtssystem - die allen Unrechtssystemen eigen sind.
Nur als Beispiel Verfolgung und Bedrohung Andersdenkender, Kontrolle von Presse und freier Meinungsäusserung, Erziehungswesen ( der Staat hatte nämlich durchaus politisches Interesse an dem umfangreichen Ausbau der Kinderbetreuung und man glaube nicht es wäre die Sorge um die Bürger gewesen :ochne

, Schaffung einer Geheimpolizei, auch
es gab nämlich links und rechts und oben und unterhalb der DDR-Landkarte nichts ausser Bonn und einige wichtige Flüsse
Auch sehr typisch ist, andere Diktatoren zu verherrlichen, den Bürgern unkritisch nahezubringen und ungewünschte politische Andersdenkende und Regierungsformen zu diffamieren.
die Liste könnt man lang ergänzen.
Also denk ich, kann man sehr wohl Vergleiche zu anderen Diktaturen ziehen, ohne sich auf zu sehr dünnem Eis zu bewegen

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Wer wann was von diesem Regime und seinen Machenschaften gewußt hat, würde ich mich nicht wagen zu beurteilen.
Aber die kritische Frage, wer überhaupt was hat wissen wollen, die erlaube ich mir schon. Ich mein, je mehr man wußte, umso ungemütlicher hätts dann auch werden können - für eigene Leben, für den eigenen Seelenfrieden mit dem man sich so schön in diesem Regime eingerichtet hatte... auch das wieder eine Parallele zu anderen Unrechtsregimen dieser Welt, aktuell oder in der Vergangenheit.
Was die Aufarbeitung angeht... brauchen wir "Wessis" uns auch nicht in die Brust schmeissen... meiner Ansicht nach ist das 3. Reich bis heute nicht aufgearbeitet.
Wir sind die dritte bis vierte Generation nach diesem Regime :ochne:
Es gab immer genügend Gründe, die gegen die Aufarbeitung sprachen - z.B. dass einfach noch zu viele lebende Zeitzeugen soviel Dreck am Stecken hatten und haben. Und nach dem Krieg soviele Würdenträger einfach in neue Ämter und Würden gekommen sind (z.B. Stichwort Filbinger).
Das Schweigen der Generation nach dem Krieg wurde erst gebrochen, als die übernächste Generation heranwuchs, die nicht mehr dem Schweigegebot der Eltern gehorchen mußte, die Angst vor den Fragen ihrer Kinder nach ihrer persönlichen Verantwortung haben mußten, wo sie waren, was sie waren.