Mütter sind bescheuert!

Buchstabensalat

Lebenskünstlerin
Sie müssen es sein. Geht gar nicht anders.

Nehmt nur mal mich. Es ist noch gar nicht so lange her, gerade mal ein Siebtel meines Lebens, da hatte ich einen gut bezahlten Job mit klarer Tätigkeitsbeschreibung.
Heute allein wurschtelte ich mich als wilder Mix aus Köchin, Pflegekraft, Unterhalterin, Putzfrau, Fahrdienstleiterin und Gärtnerin durch die ersten 24 Stunden des Tages. Geld hingegen sehe ich nur, wenn ich es aus meinem Portmonnaie nehme und jemand anderem in die Hand drücke. Okay, ist gelogen - ich sehe es auch, wenn es aus dem Geldautomaten kommt. Leider ist es in keinem Falle Geld, das ich für meine persönliche Arbeitsleistung bekomme. Während ich durchaus nichts dagegen hätte, Geld für Lau zu bekommen (ausgehaltene Geliebte mit goldener Kreditkarte war durchaus mal ein verlockender Karrierewunsch), fände ich es zur Abwechslung doch durchaus mal nett, angemessen für meine Leistung bezahlt zu werden.

Früher hatte ich geregelte Arbeitszeiten und einen ruhigen Feierabend.
Moment, ich lache noch.
Ich stand um 6 Uhr auf, konnte in Ruhe duschen, mein Frühstück sogar Zeitung lesend zu mir nehmen, brauchte maximal 5 Minuten für den Weg zum Auto und war weg.
Jetzt stehe ich immer noch um 6 Uhr auf. Dafür aber auch um 5, oder um 4, oder sogar um halb 3 Uhr. Je nachdem, wie die Kinder schlafen und wachen.
Duschen kann ich immer noch in Ruhe, vorausgesetzt, ich kann damit leben, daß zwei kleine Mäuse abwechselnd den Duschvorhang wegziehen, in die Wanne krabbeln wollen, auf die Toilette klettern, beinahe runterfallen, ihre Zahnbürsten im Bad verteilen, das Bad verlassen, ominöse Geräusche aus dem Wohnzimmer dringen ("krach" und "klirr" sind keine ominösen Geräusche sondern recht konkrete akustische Rückmeldungen der momentanen Tätigkeiten) und schließlich das Baby Zeter und Mordio schreit, weil es entweder zu sehr oder gar nicht geliebt wurde.
Daß ich danach frühstücke, kann ich am Zustand meines Tellers ablesen - abzüglich der für die Kinder geschmierten Nutellabrote befinden sich auch Spuren von Marmelade an Messer und Tellerrand - und an der dreckigen Tasse (gab's heute tatsächlich Tee?). Mit Glück sind die Kinder während der Radionachrichten so leise, daß ich den einen oder anderen Fitzel des Weltgeschehens mitbekomme. Nach spätestens 30 Minuten dann scheitern eh jegliche Versuche, sie am Tisch festzuhalten, ich räume alles ab, was nicht in Scherben am Boden liegt und scheuche sie zum ZähneputzenGesichtwaschenHaarekämmenAnziehen ins Kinderzimmer. Von nun an sind es maximal 20 Minuten, bis wir am Fuße der Treppe ankommen, weitere 10 Minuten später haben alle Schuhe an (ausgenommen das Baby) und wenn wir das Tempo halten, sind wir anderthalb Stunden nach dem Aufstehen tatsächlich an der Kindergartentür. Tief durchatmen, denn jetzt kann es höchstens noch eine Viertelstunde dauern und ich bin sie lo - äh, sie sind in qualifizierten Händen. Wenn nun keines über den Tag noch Fieber bekommt und abgeholt werden muß, kann ich einigermaßen ungestört versuchen, mein Tagwerk zu verrichten - Wäsche waschen, einkaufen, putzen... alles zerlegt in handliche ein-Stunden-Häppchen, denn das Baby besteht auf regelmässiger Fütterung alle 90 Minuten. Plus natürlich der Zeit, in der ich mit ihm spielen soll. Die restliche Zeit schläft sie dann allerdings äußerst friedlich in meinem Tragetuch, was mich zwar mit der Frage zurückläßt, wie man so Wäsche aufhängen, abspülen und staubsaugen soll, andererseits aber das Babyphon überflüssig macht.

Kam ich abends wieder, machte ich mein Abendbrot, knusperte es wo immer ich wollte, wischte gerade den Haushalt auf und war fertig.
Jetzt hole ich meine Süssen ab, scheuche sie mehr oder minder umgehend ins Haus (bei schönem Wetter mit Umweg über den Garten), versuche, das Baby bettfertig zu wickeln, zu füttern (pffffrtz macht das Baby), zu wickeln, mit Schnuller zu versehen und zu küssen.
Während Sesamstraße im Fernseher läuft ("Neiiiin, Mama, nicht die Folge - ja, die - nein, die auch nicht - die, Mama, ja die - kann ich noch eine? Aber dann Sandmännchen, ja?") decke ich in Rekordzeit den Tisch. Zum Ablauf des Abendbrotes lese man sich den Abschnitt Frühstück durch und tausche das "Treppe runtergehen und Schuhe anziehen" gegen "Kinder wiederholt ins Bett jagen, GuteNachtGeschichte erzählen und LiedSingen" aus. Der Rekord liegt momentan bei zehnmal Zudecken und Gute Nacht sagen, ich bin aber sicher, man könnte es problemlos steigern.
Kann sein, daß ich dann manchmal lese oder fernsehe, an den meisten Abenden hänge ich im Internet ab - nachdem ich noch ein wenig anstehende Hausarbeit erledigt habe. Daß ich abends irgendwelche körperliche Aktivität entwickele, nehme ich stark an. Geistige Aktivität kann es auf keinen Fall sein, sobald die Kinder ruhig sind, knipst mein Gehirn das Licht aus.

Und wenn ich nachts schlief, schlief ich. Vielleicht folgte ich mal einem menschlichen Bedürfnis, wenn aber, dann war das meins.
Inzwischen könnte ich sämtliche Uhren abschaffen:
Wenn ich ins Bett falle, ist es bestimmt zwischen 10 und 11 Uhr.
Wird das Baby unruhig, haben wir es 1 Uhr.
Weint Mittlere, ist es 2 Uhr.
Muß ich mal für kleine Mamas, kann es nur 3 Uhr sein. Einladung für das Baby, nochmal zuzulangen.
Gegen 4 Uhr ist es nicht ungewöhnlich, daß eines der Kinder im Schlaf mal das Wort "Mama" fallen läßt. Ich schrecke hoch, lausche - und mit viel Glück folgt dem nichts nach. Mit Pech bringe ich dann jemanden aufs Klo, oder ich streichele einen schlechten Traum weg, oder ich füttere ein Baby.
Wenn sich um 5 Uhr jemand regt, kann ich den Wecker auch ausstellen. Dann habe ich bestimmt Nachwuchs im Bett liegen, der um diese gottfrühe Zeit Monologe über alles und jedes führt und mich damit nachhaltig auch am letzten Nickerchen hindert. Egal, kann ich wenigstens das Baby stillen...

Für's Kuscheln hatte ich zwei Katzen und einen gut erzogenen Ehemann.
Die Katzen hab ich immer noch, wegen Differenzen betreffs der Eignung des Kinderzimmers als Großraumkatzenklo halten sie sich allerdings nur noch im Freien und im geheizten Keller auf. Nein, das gilt nicht auch für den Ehemann.

Feinsinnige Gespräche konnte ich mit meinen Freundinnen und Kollegen führen, und wenn ich die Schnauze halten wollte, war das auch kein Problem.
Jetzt wäre ich froh, wenn ich nicht ständig Kommandos und Anweisungen geben müsste, und diese Warum-Frageketten verlieren doch auch viel von ihrem Nervenkitzel.
Kollegen hab ich sowieso keine mehr, und auf mir unerklärliche Weise haben sich meine Freundinnen von vielseitig gebildeten und interessierten Frauen in seltsam dumpfe Wesen verwandelt, die jedes Gespräch unweigerlich auf ihre uninteressanten Kinder und ihren stumpfsinnigen Tagesablauf lenken, anstatt mir ihr Gehör zu leihen - hat doch die Große heute wieder mal beim Abendbrot so niedlich gefragt - aber lassen wir das.

Sollte jetzt jemand auf die Idee kommen, man könnte sich ja wenigstens mit seinem Lebensabschnittsgefährten austauschen, Pustekuchen. Es interessiert doch nachweislich niemanden, wie man als Mutter seine Zeit totschlägt, kann ja wohl so schlimm nicht sein - immerhin sind die Kinder doch den ganzen Tag im Kindergarten, und das bisschen Haushalt macht sich doch von selbst, sagt mein Mann.

Gruß,
Buchstabensalat
 
Zuletzt bearbeitet:

Melanie

Gehört zum Inventar
:bravo: toll geschrieben .


Ich habe zwar nur ein Kind aber in einigen Punkten kann Ich Dir nachfolgen.
Hier bin Ich nämlich die die allen hinterherräumt , immer früh aufstehen und dann SOROFT funktionieren muß , alles sauber hält , Nachts oft wach sein muß weil die Kleine nicht schlafen kann oder Durst hat, und sich KEINER erbahmt mich mal zu loben.

Ich kann Dich so gut verstehen :tröst:

Und meinen Respekt hast Du :jaja::prima:



Gruß
:blume:melanie
 

Stillmaus

Gehört zum Inventar
Danke für diese tolle Geschichte.
Nach meinem anstrengenden Tag kann ich wenigstens wieder schmunzeln.

Ja ja, ich frage mich auch manchmal, warum ich meinen Job aufgegeben habe. :) Da denkt man ja, dass die Hausfrauen das schönste Leben haben und das böse Erwachen kommt, wenn man selber Hausfrau ist.

Ganz liebe Grüße
 
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