AW: Inständigste Bitte
Über den Augenkrebs
Ich sass letztens nett in einem Cafe, mit einer Bekannten, und habe mich bei einer gepflegten Tasse Kaffee unterhalten.
Und einige Tage danach war ich mit derselben Bekannten in einem Zirkus, mit Trommelwirbel, Artisten und Dressurakten, Tusch hier und Applaus da.
Ich muss sagen, der Zirkusbesuch hat wirklich Spass gemacht, zu einer Unterhaltung sind wir dort allerdings nicht gekommen.
Manche Signaturen erinnern mich stark an diesen Zirkusbesuch. Da zappelt, blinkt und hüpft es, da wird gewunken, geplatzt und weggelaufen... es stört nur gerade die Unterhaltung.
Ich weiss nicht, wie andere empfinden, aber für mich ist eine Signatur Gelegenheit, dem Leser meines Beitrags einen kleinen Einblick in meine Persönlichkeit zu ermöglichen, oder ihm etwas zum Denken mit auf den Weg zu geben. Ich bin, wie man sehen kann, auch gar nicht grundsätzlich gegen Bilder in der Sig eingestellt - nur sollte es nicht gerade in virtuelle Vernissagen ausarten.
Zudem finde ich es auch irgendwie seltsam, einen Beitrag zu lesen, in dem das Verhältnis von Text zu Sig etwa 9:1 beträgt - zugunsten der Sig.
Klar, ich bin da auch durch meine Online-Vergangenheit geprägt. Früher, als die Bits und Bytes noch konventionell durchs Kabel krochen und mit Gold aufgewogen wurden, galt die Goldene Regel, maximal zwei Zeilen Signatur mitzuschicken. Bei einer Zeilenlänge von 80 Zeichen macht das genau 160 Byte, die durch die Leitung geschaufelt wurden. Bei Bandbreiten von unter 20 Kbit pro Sekunde gerade noch zu tolerieren, handelt es sich doch ab dem zweiten Mal um bereits bekannte Information - Datenmüll.
Entsprechend verpönt waren User, die mit seitenlangen Signaturen die Geduld (Downloadzeit) und den Geldbeutel ihrer potentiellen Leser strapazierten. Geriet das Kosten-Nutzen-Verhältnis allzu sehr ins Hintertreffen, landeten die entsprechenden Signatursünder sehr schnell auf der "Ignorieren"-Liste der anderen - und damit im virtuellen Mülleimer. Gerne wurde diese Entscheidung dem Betreffenden durch das dumpfe Dröhnen, das seine Beiträge beim Aufschlag im Nirvana erzeugten, lautmalend angezeigt - "Plonk".
Gut, wir leben in Zeiten von DSL und potentiellem Downstream von bis zu 1.500 Mbit - trotzdem gibt es noch mehr als genug Websurfer, die mit Modems unterwegs sind.
Zum Vergleich:
ein altersschwaches Modem über eine Analogverbindung schaufelt an die 20 Kbit pro Sekunde - das entspricht ungefähr 2.500 Zeichen pro Sekunde. Eine herkömmliche Seite zu 50 Zeilen à 80 Zeichen (= 4.000 Zeichen) braucht also ca. 1.6 Sekunden - in einer Minute überträgt man also bis zu 38 solcher Seiten. Andererseits hat selbst ISDN nur eine Übertragungsrate von 56 Kbit - das reduziert die Zeit auf reine 0,57 Sekunden und erhöht die Seitenzahl auf an die 120 pro Minute.
Oha, denkt sich der Laie, 120 Seiten wollen ja auch erst gelesen sein - allein ein einfacher Avatar hier ist aber gerne mal an die 17 Kbyte gross!
17 * 8 * 1024 = 139.264 Zeichen, zu deren Übertragung selbst ISDN längere 2,4 Sekunden braucht. Oder anders ausgedrückt - das sind fast 35 Textseiten. "Verweilzeit" des Blicks auf dem Avatar hingegen - maximal eine Sekunde.
Klingt erschreckend anders, oder? Nimmt man dann noch an, dass auf der durchschnittlichen Forenseite ca. 20 (verschiedene) Avatare zu sehen sind, ist das Modem beinah 48 Sekunden gut beschäftigt - ohne die Signaturen, Banner, eingefügte Smilies oder Bilder zu berücksichtigen.
Eindrucksvoll, oder?
Aber das Beste kommt noch. Bedingt durch den Aufbau des Forums und die Struktur von HTML-Verarbeitung wird dieSeite nicht von oben nach unten aufgebaut. Statt dessen wird erstmal für jeden Beitrag ein wenig Platz reserviert, dann der Text eingefügt, und dann erst die Bilder eingefügt. Selbst DSL-Nutzer können - bei besonders grafiklastigen Threads - diesen Vorgang als "springen beim scrollen" verfolgen. Rollt man nämlich beim Seitenaufbau schon nach unten, kann man verfolgen, wie man wieder und wieder die bereits gefundene Stelle unfreiwillig verlässt und weiter oben im Text landet. Da der Browser vor dem Laden des Bildes nämlich nicht weiss, wieviel Platz das Bild benötigt, geht er erstmal von "keinem Platz" aus - und muss diesen dann mühselig wieder freiräumen.
Es sollte daher ein schlichtes Gebot der Höflichkeit sein, auf Bilder soweit zu verzichten, wie es jedem schmerzlos möglich ist. Neben dem Aspekt der verschwendeten Bandbreite muss man sich nämlich die Frage stellen, ob das optische Gewitter wirklich notwendig und zumutbar ist. Muss ich tatsächlich jedem Betrachter zumuten, den Namen meiner Kinder (und oft noch den des Ehgspusi und den eigenen) als hüpfende, blinkende Majuskeln, von einer Eisenbahn gezogen, zu ertragen?
Und nicht nur einmal, nein, jedesmal, wenn ich mich äussere, und sei es nur in Form eines ;-)?
Ist es wirklich lebensnotwendig für mich, dass jeder sehen kann, wie alt meine Kinder sind, wie lange ich Schuhe kaufen war und in wieviel Tagen wieder Montag ist - farbenprächtig bebildert, wohlgemerkt?
Der Stolz auf die eigenen Kinder sei jedem gegönnt. Doch auch wenn ein Bild mehr sagt als tausend Worte, sollten wir nicht vergessen, dass es auch mehr PLATZ und ZEIT und GELD kostet als besagte tausend Worte.
Nicht nur uns, nicht nur die Leute ohne Flatrate und DSL - sondern vor allem den Forumsbetreiber!
Gruß,
Buchstabensalat
