Hallo Kerstin,
erstmal viele Dank, dass du dich unserem Problem widmen willst. Es ist wirklich sehr umfassend, so dass es wohl ein wenig länger wird.
Sascha ist seit drei Jahren bei uns. Wir haben uns damals alle, auch er, dafür entschieden, dass er bei uns bleibt, da er mit seiner Mutter nicht mehr zurecht kam. Sie hatte nie Zeit für ihn, hat immer nur gemeckert und das Schlimmste, denn ich denke, da liegt das Problem, sie hat ihn immer nur abgeschoben. Und er hat Mist gebaut, damit er ihre Aufmerksamkeit und Liebe bekam.
Hier bei uns nehmen wir uns alle Zeit für ihn und er ist auch von meiner Familie als mein Kind aufgenommen worden. Er geht hier zur Schule, hat hier seine Freunde, darf hier einfach nur Kind sein (mit rausgehen, sich selbst beschäftigen usw.).
Als Sascha noch nicht bei uns war, hatten wir ihn mindestens jedes zweite Wochenende und auch so mal zwischendurch. Das wollte wir eigentlich mit seiner Mutter auch so handhaben, aber sie meldet sich eigentlich nie. Immer sind wir es, die den Kontakt aufrecht erhalten, oder Sascha, wenn er nach ihr fragt (was auch immer weniger wird). Wenn er dann mal bei ihr war, war sie kaum zuhause, und er saß mit ihrem Mann oder mit seiner Halbschwester (17) vor dem Fernseher oder der Playstation. Allerdings hatte er immer neue Sachen, wenn er von ihr nach Hause kam.
Wir hatten nie Streit mit seiner Mutter, im Gegenteil, wenn etwas anstand, haben wir das immer gemeinsam beschlossen. Mein Mutterbild sieht zwar etwas anders aus, da ich ja jetzt selbst Mutter bin, aber das steht auf einem anderen Blatt. Nur leider tut sie mit ihrem Verhalten, Sascha sehr weh, was er aber auch nur noch sehr selten zeigt. Noch nicht mal zu seinem Geburtstag im Mai hat sie sich gemeldet.
Jetzt zu unserem Problem: Kurz gesagt, Sascha ist ein Egoist. Er macht was er will und es ist ihm egal, was wir ihm auch sagen und das jeder Mensch gewisse Regeln einhalten muß, wie z.B. pünktlich zuhause zu sein oder die kleinen Dinge im Leben wie Zähneputzen, frühstücken usw. Respekt uns gegenüber hat er überhaupt nicht. Das äußert sich in seinem Ton uns gegenüber (ich habe mal gesagt, ich wäre froh, wenn er uns so behandeln würde, wie seine Freunde, denn er behandelt uns wie den letzten Dre..). Wenn etwas nicht nach seinem Willen läuft, wird er jähzornig und bekommt sofort einen Wutanfall. Allerdings muß ich dazu sagen, dass er mir in letzter Zeit reifer vorkommt, soll heißen, er denkt reifer. Er hat zwar in seinem Verhalten nichts geändert, aber irgendwann da kommt der Punkt, dass er begreift, und sich dann bei uns entschuldigt.
Wir haben schon sehr vieles versucht. Haben viel zusammen geredet, haben uns gegenseitig unsere Wünsche an den anderen aufgeschrieben und Kompromisse gefunden, haben auch mit Hausarrest usw. bestraft, ja es war sogar schon so weit, dass er nur noch in seinem Zimmer sitzen durfte. Wir haben schnell erkannt, dass es so nicht weitergehen konnte und haben uns alle zusammengesetzt, ich weiß nicht, zum wievielten Male. Es gab Situationen, da bin ich einfach noch mal in sein Zimmer und habe ihn umarmt, sonst wäre es wohl in einer Tragödie geendet. Dann waren wir auch bei der katholischen Beratungsstelle hier bei uns. Wir konnten endlich mal über unsere Probleme reden, aber Sascha hat sich geweigert, mit zugehen. Jetzt wollen wir nach den Ferien mit einer Verhaltenstherapie bei einer Kinderpsychologin beginnen, wobei ich mir gar nicht so sicher bin, ob ich das überhaupt will.
Ja, ich habe sogar daran gedacht, dass mein Mann um das alleinige Sorgerecht (was bis jetzt die Mutter immer noch hat) zu kämpfen. Damit er endlich sieht, wohin er gehört, auch wenn er mit dem rechtlichen Kram noch gar nichts anfangen kann. Dabei möchte er so gerne wie wir heißen, aber das würde seine Mutter nie zulassen, genauso wenig wie die Adoption (Sascha's Eltern waren nicht verheiratet).
Jetzt kommt leider die andere Seite der Madaille, manchmal sehe ich ihn als Feind in meiner eigenen Wohnung. Und ich habe die Angst, dass unsere Kleine (jetzt 9 Monate) sich irgendwann ihren großen Bruder zum Vorbild nimmt. Manchmal kann ich ihn einfach nicht gern haben, dann wieder könnte ich ihn die ganze Zeit nur knuddeln. Denn er hat auch sehr liebe Seiten wie zB er ist sehr hilfsbereit, total verschmust und er liebt seine kleine Schwester so sehr.
Ich denke, das war jetzt ein sehr kurzer Einstieg in unsere Problematik, dabei kann ich es gar nicht richtig in Worte fassen. Ich sage immer, das muß man miterleben, damit man es verstehen kann. Denn nach außen hin ist er ein sehr liebes Kind. In letzter Zeit allerdings bekommen das auch andere mit.
Ich wollte nur, dass er eine Familie hat (ich bin auch ohne aufgewachsen), aber wie soll man jemanden ein Familieleben beibringen, der nie eins kennengelernt hat? Bei uns bräuchte er diese negative Aufmerksamkeit gar nicht, im Gegenteil, er bekommt viel mehr davon, wenn er einfach nur den Mist sein läßt.
Und heute habe ich ihn gerade wieder gefragt, ob er überhaupt noch bei uns bleiben möchte, aber darauf bekomme ich immer wieder ein Ja. Früher hat er sogar gesagt, schade, das ich nicht seine Mutter bin. Wir haben ein sehr gutes Verhältnis zueinander, und ich war auch immer die treibende Kraft, damit er hierher gekommen und geblieben ist. Aber jetzt will ihn keiner von uns mehr hergeben.
Puh, wenn ich einmal anfange, dann fallen mir noch so viele Dinge ein. Wenn du Fragen hast, beantworte ich sie gerne. Bin für jeden Tip und Anregungen dankbar. Hauptsache wir werden endlich mal eine Familie
Trotzdem sage ich jetzt schon mal danke, darüber schreiben tut schon gut
Mfg
Melanie