AD(H)S, Hochbegabung

Mamafee

Gehört zum Inventar
Huhu Jaqueline,

gibt es denn keine Möglichkeit ADS früher zu erkennen?
Ich war neulich mal in einem ADS-Forum, und hab ein wenig gestöbert, und da ist mir nämlich aufgefallen, dass fast alle Kinder schon die halbe Schulzeit und einen langen Leidensweg hinter sich hatten, bevor die richtige Diagnose kam.
Das müsste man doch irgendwie verhindern können, auch im Sinne des Kindes.

Liebe Grüße
 

clatamo

Dauerschnullerer
hallo jac,

ich danke die sehr für diesen beitrag!
und habe bis hierher mit grossem interesse gelesen. :jaja:

ich habe noch eine frage zur medikamentösen behandlung von ads.
kannst du mir evtl. noch etwas genauer erläutern wie das
abläuft? die kombination ritalin und verhaltenstherapie.
wäre sehr hilfreich für mich, da eine bekannte sich jetzt nach langem
hin und her endlich zur ritalin-behandlung entschlossen hat und jetzt
ständig über sie hergezogen wird, so nach dem motto "nur weil sie
mit dem kind nicht fertig wird, pumpt sie es jetzt mit psychopharmaka
voll...kinder sind halt lebhaft, da muss man sie doch nicht mit drogen
ruhig stellen" usw.usw. usw. :o

so ungfähr habe ich eine vorstellung von den postiven wirkungen
von ritalin (meine mutter ist lehrerin und hat ein ads-kind in der klasse,
dieses kind fing nach beginn der behandlung erst richtig an zu LÈBEN),
würde mich aber noch über argumente freuen, die ich oben beschriebenen
mitmenschen vor die nase halten kann.

ads ist so ein "blödes" thema, in der hinsicht, dass alleschonmal was davon
gehört haben und jeder glaubt seinen senf dazu beitragen zu müssen.
meist sind es aber nicht mehr als halbwahrheiten und gerüchte... :-?

viele grüsse :-D
 

Corinna

Forenomi
Mamafee hat gesagt.:
Huhu Jaqueline,

gibt es denn keine Möglichkeit ADS früher zu erkennen?
Ich war neulich mal in einem ADS-Forum, und hab ein wenig gestöbert, und da ist mir nämlich aufgefallen, dass fast alle Kinder schon die halbe Schulzeit und einen langen Leidensweg hinter sich hatten, bevor die richtige Diagnose kam.
Das müsste man doch irgendwie verhindern können, auch im Sinne des Kindes.

Liebe Grüße

Hallo Mamafee,

doch, man kann es früher erkennen!
Aber die meisten Eltern scheuen sich vor einem frühzeitigen Gang zum Kinderpsychologen, oder werden vom Kinderarzt beruhigt: "Es ist halt ein lebhaftes Kind!"

Ich habe festgestellt, daß mit Sebastian etwas "nicht stimmt", als er ca. eineienhalb Jahre alt war.
Wir sind in dieses kleine Nest hier gezogen und ich hatte die Chance, in eine private Krabbelgruppe zu kommen.
Alle Kinder waren gleich alt, aber egal, welche "Phase" die Kinder gerade durchliefen, Sebastian schien immer ca. ein halbes Jahr "hinterherzuhinken".
Als ich meinem Ex-Mann dies sagte und den Vorschlag machte, dies mal genauer untersuchen zu lassen, wurde ich von ihm unter Druck gesetzt: "Wenn ich erfahre, daß du mit ihm zu diesem Arzt gehst, ist die Hölle los!!! Ich habe kein beklopptes Kind!!!" (Ganz schön krank, nicht wahr!)
Und unser Kinderarzt hat das alles auch nur abgewiegelt: "Er ist lebhaft, ist doch toll! Und es gibt halt Kinder, die langsamer sind."

Sebastian kann ich so beschreiben:
Er "hinkte" anderen Kindern in der Entwicklung hinterher.
Er "sprang" ungebremst über Tische und Bänke, nicht in der Lage, auch nur auf ein Wort zu reagieren, daß ich sagte.
Kam mein Mann abends nach Hause, spielte er (zappelnd) vor sich hin und begrüßte ihn nicht. Ging mein Mann auf ihn zu, schrie er und wand sich (weiterspielend) ab... :???:

Als ich mich von meinem Mann trennte, war der Zwerg dreieinhalb.
Er schaute - fast schon anteilnahmslos - zu, wie mein Mann seine Sachen aus der Wohnung ins Auto brachte und als er dann wegfuhr fragte Sebastian: "Ist er jetzt weg?"
ich: "Ja."
Er: "Kommt er wieder?"
ich : "nein!"
Er: "Dann ist ja gut!"... 8O Mir blieb die Spucke weg!
Als meine Eltern mich zwei Tage später besuchen kamen, stand Sebastian auf und ging auf sie zu um sie zu begrüßen. (Das hatte er vorher nie gemacht!!!)

Die langen und zahlreichen Untersuchungen beim Kinderpsychologen ergaben dann folgendes:
Sebastian ist hyperaktiv, hat also AD(H)S.
Er hatte autistische Züge (die er nach und nach seit der Trennung von meinem Mann abgelegt hat) und Wahrnehmungsstörungen.
Dieser "Kombi" hat dazu gefürht, daß Sebastian in der Entwicklung in vielen Bereichen um die 2 Jahre (! 8O ) zurück liegt!

Danach ging die Rennerei los:
drei mal die Woche Terapie für den Zwerg, dreieinhalb Jahre lang.
Ich bekam die Beratungsgespräche, war ich doch selbst am Boden zerschmettert!

Ich hatte eine super Kindergärtnerin, die sich sehr mit Sebastians "Krankheit" auseinandergesetzt hat, sich sogar Lektüre darüber beschafft hat.
Dann kam der Zeitpunkt, an dem der Arzt mir ans Herz legte, ich solle mir mal Gedanken über Ritalin machen.
Ein Jahr lang habe ich mich dagegen gesträubt, aber irgendwann ging gar nichts mehr.
Ich hatte seinerzeit Kontakt zu einer Selbsthilfegruppe und die eine Dame sagte: "Wenn er nun Diabetis hätte, würde Sie ihm sein Insulin verweigern?"
Ich war geschockt:" :o Selbstverständlich nicht!!!"
Sie sagte daraufhin: "Doch, in gewisser Weise tun Sie das, denn für ein wirklich hyperaktives Kind ist Ritalin sowas wie das Insulin eines Diabetikers!"
Ich habe mich eine Woche später dann bereit erklärt (mit ganz viel Angst im Herzen) es mit Ritalin zu versuchen.

Von da an konnte man zugucken, wie Sebastian Fortschritte machte. Meine bisher vergeblichen "Erziehungsversuche" brachten plötzlich Früchte...

Seinen Schul-(leidens-)weg jetzt hier aufzuschreiben, würde den Rahmen wohl sprengen!
Was ich aber noch sagen möchte:
Er ist vor einem Jahr noch einmal IQ getestet worden. Sein Stand lag bei 84 Punkten.
Das heißt, für eine "normale" Hauptschule beispielsweise müßte er einen IQ von 85 - 100 Punkten haben.
Wir haben überlegt, ob für ihn eine Lernbehindertenschule das Richtige wäre, konnten dies aber komplett ausschließen! (Dafür ist er dann "zu klug")
Sebastian ist 11 Jahre alt, sitzt in der 4. Klasse und muß sich den Lernstoff reinquälen.
Vom Kopf her ist der Entwicklungsrückstand von etwa 2 Jahren noch gar nicht "aufgeholt", d.h., er ist genau betrachtet erst 9 und gehört in die 2. oder 3. Klasse.!

Er hat sich seit den Terapien also zwar weiterentwickelt, hat aber nichts "aufgeholt"... :(

Nun kämpfen Lehrer, wir und Sebastian darum, daß er die 4. Klasse schafft. Er ist so tapfer!!!
Er kommt keinen Tag in der Woche vor 14.00 Uhr nach Hause und ißt nur eine Kleinigkeit und setzt sich dann an seine Hausaufgaben.
Oft sitzt er bis 18.00 oder 19.00 Uhr daran... :-(
Aber in der Hauptschule, so sagten uns all seine Lehrer, würde es für ihn wieder einfacher werden, da der gesamte Unterrichtsstoff hauptsächlich aus Wiederhohlungen bestünde.

Wir geben die Hoffnung aber nicht auf!!!
Sebastian ist -was Schule angeht- durch die Hölle gegangen!!!
Aber wir kämpfen -mit und für Sebastian- weiter!!!

Liebe Grüße,
Corinna
 

Fidelius

Gehört zum Inventar
clatamo hat gesagt.:
meine mutter ist lehrerin und hat ein ads-kind in der klasse,
dieses kind fing nach beginn der behandlung erst richtig an zu LÈBEN



ich glaube die Kinder sprechen da unterschiedlich drauf an, deshalb ist Ritalin so verpöhnt.
Meine Schwiegermutter, auch Lehrerin, hat genau das Gegenteil erzuählt. Die ADS Kinder, die sie in Ritalin Behandlung erlebt hat, waren müde, nicht zum lernen zu bewegen und standen völlig neben sich.

@ Heike:
Eine Freundin von mir ist Ergotherapeutin, und hat miir erzählt, das ADS häufig erst erkannt werden kann, wenn die Kinder in die Schule kommen, so mit 6,7,8 Jahren.

LG CArina
 

Kathi

Dino
Ich habe jetzt die ganze Zeit interessiert mitgelesen.

Corinna, bei Deinem Bericht habe ich eine Gänsehaut bekommen, so nah ging er mir. Du hast einen tapferen Sohn. :respekt: für Euch.
 

Jacqueline

Ohneha mit der Lizenz zum Löschen
Mitarbeiter
Moderatorin
Erstmal an Corinna:

Ich finde, Du machst das ganz, ganz toll!
:)
Deine Geschichte mit Deinem Sohn ist so "schrecklich" traurig - und doch so typisch für den Diagnose-Weg bei ADS-Kindern...

@ Mamafee :
Das, was Corinna geschrieben hat, führt oft dazu, dass es nicht früher erkannt wird - weil diese Grenze zwischen normalem lebhaften Verhalten und echter Auffälligkeit sehr dünn ist.
Und andererseits sind wenige Kinderärzte wirklich qualifiziert in Sachen ADS - das Wissen darum ist da oft noch nicht durchgedrungen. Noch immer glauben viele, dass ADS von Sauerstoffmangel bei der Geburt kommt...


clatamo hat gesagt.:
ich habe noch eine frage zur medikamentösen behandlung von ads.
kannst du mir evtl. noch etwas genauer erläutern wie das
abläuft? die kombination ritalin und verhaltenstherapie.
(...)

ads ist so ein "blödes" thema, in der hinsicht, dass alleschonmal was davon
gehört haben und jeder glaubt seinen senf dazu beitragen zu müssen.
meist sind es aber nicht mehr als halbwahrheiten und gerüchte... :-?

viele grüsse :-D

Ritalin besteht aus Methyphenidat (MPH), welches zur Gruppe der Aufputschmittel (!!!) gehört. Man hat festgestellt, dass bei ADS-Kindern das Ritalin helfen kann, diese Reize zu filtern und darum werden sie scheinbar ruhiger - dabei sind sie eigentlich nur nicht mehr dem steten Chaos im Kopf ausgesetzt.
Bei Nicht-ADSler wirkt diesen Medikament wie LSD - ein tierischer Trip....
Deshalb sind auch die Klischees, man würde sein Kind mit Beruhigungsmitteln ruhigstellen, schlicht und einfach falsch, Ritalin ist KEIN Beruhigungsmittel.
Sehr oft wird Ritalin nun auch mit einer Droge verglichen. Das kommt einerseits daher, weil die verwandtschafliche Nähe zu LSD und Speed gegeben ist - und andererseits weil Ritalin von Drogenabhängigen missbraucht werden kann, eben wegen der Nähe.
Aus diesem Grund fällt es auch unter die Betäubungsmittel und ist verschärft rezeptpflichtig - wie Morphine eben auch....Und dann denken die Menschen - Ritalin- Drogensüchtige-Morphine- Morphium-Heroin => aha, Drogen....

Danach kommt dann in der Regel auch die Sache mit dem Suchtfaktor.
Ritalin macht nicht süchtig und/oder abhängig und erhöht auch nicht die Gefahr einer späteren Suchterkrankung.
Man weiss im Gegenteil aus grossangelegten Studien, dass mit Ritalin therapierte ADSler ein tieferes Risiko haben als eine gesunde (!) Vergleichgruppe, später eine Suchterkrankung zu entwickeln, dass untherapierte ADSler aber ein massiv erhöhtes Risiko haben ( Suche nach "Ersatzmedikation", weil auch Drogen, Alkohol, Nikotin, Koffein kurzfristig die Reizfilterung verändern können - aber mit wesentlich mehr Nebenwirkungen)

Wird ein Kind unter Ritalin extrem müde und apathisch - dann stimmt einfach die Dosierung nicht. Das ist meist eine Überdosierung.
Die richtige Dosierung zu finden ist sehr schwierig, weil sie bei jedem Kind anders sein kann. Was beim einen Kind keine Wirkung zeigt, macht ein anderes Kind apathisch und leblos. Das eine Kind braucht es nur für die Schulstunden, das andere braucht es den ganzen Tag.

ADS gibt es nicht nur in einer Stärke - von ganz leicht bis ganz extrem ist alles dabei - und nicht jedes Kind kann es gleich kompensieren und gleich lernen, damit umzugehen.

Darum muss auch die Dosierung immer wieder überprüft und hinterfragt werden.


Die Sache mit dem Halbwissen, mit den Vorurteilen - die kenne ich aus endlosen Diskussionen zur Genüge und sehr oft hat es mich tief getroffen, wenn ich als erziehungsunfähige Mutter hingestellt wurde, weil ich meinem Kind Medikamente gebe - und keiner hatte eine Ahnung, was wir alles schon versucht haben. Die Ritalin-Gegner und die ADS-Leugner schreien oft sehr laut - was aber nicht zwingend bedeuten muss, dass sie recht haben ;-)

Ich empfinde es als persönliche Bereicherung, hier so "aufklären" zu dürfen, ohne mir erst mal das ganze Halbwissen und die ganzen Angriffe anhören zu müssen - Danke :)

Liebe Grüsse, Jacqueline
 

Fidelius

Gehört zum Inventar
Jacqueline hat gesagt.:
Ich empfinde es als persönliche Bereicherung, hier so "aufklären" zu dürfen, ohne mir erst mal das ganze Halbwissen und die ganzen Angriffe anhören zu müssen - Danke :)

Wir müssen uns bei dir bedanken. Du hast Ahnung und erklärst es ncht mit Fachbegriffen, sondern im Imgangsdeutsch.

Ich finde das Thema super Interessant und möchte dir einfach Danke sagen!! :bussi:

LG CArina
 

lulu

Königin der Nacht
Ich finde das Thema auch ganz interessant, kann aber nicht mit Erfahrungsberichten dienen.
Ja, manchmal ist mein Sohn zappelig, hippelig, unruhig, laut, hoert nicht zu... :). Andere male arbeitet er stundenlang konzentriert an irgendeinem "Projekt". Also ganz normal fuer einen wilden (fast) 6-jaehrigen :jaja:. Bei ihm scheinen Ausgeglichenheit, Zufriedenheit und die Frustrationsschwelle mit dem richtigen Mass von Schlaf, halbwegs festen Essenszeiten, der Richtigen Tagesabfolge (rumtoben und -rennen und Stillsitzsachen wie malen, schreiben, rechnen, basteln...) abzuhaengen. Man kann richtig merken, wie er abends viel unausstehlicher ist, wenn wir am spaeten Nachmittag nicht nochmal einen Spaziergang oder Spielen im Garten oder auf dem Spielplatz einlegen :eek:.
Die Hochbegabungssache interessiert mich auch. Ich glaube naemlich, dass viele Leute ihre Kinder fuer hochbegabt halten obwohl sie einfach ganz normal schlau sind. Laut Definition sind nur die schlauesten 2% der Bevoelkerung hochbegabt (stimmt das jetzt so...?) Kinder sind irre gewitzt, auch mit Normalbegabung. Ich spreche hier nicht getestete Kandidaten oder besondere Ueberflieger an (Jaqui :winke:). Aber manches ist wirklich "nur" ein Entwicklungsvorsprung. Soweit ich weiss laesst sich eine wirkliche Hochbegabung erst mit 4 oder 5 oder so feststellen. Natuerlich finden auch wir unseren Sohn besonders klug ;-), aber ganz ehrlich: Ja er ist sehr gewitzt, was abstrakt-logisches Denken anbelangt. Aber in anderen Bereichen einfach ganz normal und sprachlich nicht so sonderlich talentiert :)...
Lulu
 
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