AW: Muttermilch gegen Krebs
Tigerchen, ich denke, das wird an der Umgebung liegen. Das beginnt schon damit, daß hier in Deutschland die Schwangerschaft und Geburt sehr "medizinisiert" werden. Kaum eine Frau, die nicht bei jeder Vorsorge ihr Kind im Ultraschall sieht, kaum eine, die sich hauptsächlich von Hebammen begleiten läßt. Entbindung im Krankenhaus ist Standard, und bei der kleinsten Unsicherheit wird ein Kaiserschnitt gemacht - bzw. dieser ja teilweise auch als Entbindungsmethode gewünscht. Geburten dauern nur noch in wenigen Fällen länger als 24 Stunden, es wird zu Wehentropf, Schmerzmitteln und PDA gegriffen. Die Kinder müssen danach (in der Klinik) im Bettchen über die Flure transportiert werden, wehe, man trägt das Kind auf dem Arm (versicherungstechnische Bedenken, man könnte ja stürzen...). Es wird ein Stillrhythmus angepriesen, der oft dem Bedürfnis von Mutter und Kind nicht entspricht, wenn das Kind zu viel abnimmt (und da wird nicht geschaut, wie es dem Kind dabei geht bzw. ob vielleicht die Mutter an dem Tag erst den Milcheinschuss hat) wird zugefüttert. Dann wird die Mutter mit dem Kind nach Hause entlassen - und wenn sie sich nicht rechtzeitig gekümmert hat, steht sie ohne verläßlichen Ansprechpartner allein da. Die Kinderärzte sehen das Stillen zwar zunächst gern, wenn es aber Probleme gibt, sind sie ganz schnell überfragt und raten zur berechenbaren Flaschenmilch. Welcher Kinderarzt kann einem schon sagen, wie man mit Wachstumsschüben oder vorübergehendem Gewichtsstillstand umgeht und trotzdem weiter stillen kann?
Und nicht ganz zuletzt: Wie gehen die lieben Mitmenschen mit dem Stillen um? Geht man ins Restaurant oder Cafè stillen, wird man doch oft komisch angeschaut oder bekommt sogar blöde Bemerkungen. Wenn wir in unserer Hautarztpraxis stillenden Müttern einen ruhigen Raum anbieten, werden wir entgeistert angeschaut, sowas kennen die meisten nicht. Nur wenige Frauen können ihrem Körper und ihrem Gefühl noch uneingeschränkt vertrauen. Der Druck läßt die Milch oft nicht mehr so reichlich sprudeln. Und wer dann noch arbeiten will/muß und eine Stillpause pro Tag bei Vollzeitarbeit bekommt, der wird sich lange überlegen, ob es den Streß wert ist.
So - nun war ich noch nicht in Norwegen. Die tun aber seit mindestens 20 Jahren etwas für eine stillfreundliche Umgebung. In der Schwangerschaft, während und direkt nach der Geburt, in der Öffentlichkeit, bei den Arbeitgebern.
Da wundert mich gar nichts mehr, oder?
Nein, ich habe nichts dagegen, daß sich Mütter von vornherein gegen das Stillen entscheiden. Ich habe nichts dagegen, daß sich Mütter in Problemsituationen mit Flaschenmilch helfen und dann abstillen. Ich habe nichts dagegen, daß Kinder zugefüttert werden, wenn sie es brauchen. Ich würde mir aber eine wesentlich stillfreundlichere Umgebung wünschen - dann würden auch wieder mehr Kinder gestillt werden.
Liebe Grüße, Anke