stationär, ambulant und daheim ... und viel Lesestoff :-)

I

ich

(...)

"Oh Gott, was war DAS denn? Ein Alptraum! Jemand hat mir in den Bauch getreten!" ... mit Herzklopfen wachte ich auf. Etwas desorientiert nach diesem fiesen Traum. Ein Blick auf die Uhr: vier Uhr morgens. Ach wie schön, noch drei Stunden schlafen, dann muss Göttergatte aufstehen und zur FH. Umdrehen, ein Kissen unter den dicken Bauch stopfen und wieder einschlafen.
"AUTSCH!" Was war DAS denn? Das zieht ja heftig. War das eine Wehe? Blick zur Uhr: 4:06 Uhr. Merkwürdig. Naja, sind ja noch drei Tage bis zum Termin, wird eine Senk-, Vor-, sonst-was-Wehe gewesen sein.
Kann nicht schlafen, muss etwas trinken. "AUTSCH!" Schon wieder?! 4:11 Uhr. OK, es geht los, muss wohl, das sind Wehen! Ich werde HEUTE Mutter!

"Ich habe Wehen", flüstere ich dem tiefschlafendem Mann neben mir ins Ohr.
"...hmpf...", antwortet dieser und dreht sich weg.
"Hallo? Du wirst VATER!", etwas energischer.
"...", er schläft einfach weiter.
Wie kriege ich ihn wach, versuche ich zu denken, während die nächste Wehe anrollt. Ja, das müssen Wehen sein, das schmerzt doch aufdringlich, ich mag nicht mehr liegen. Also aufstehen und den Mann wachrütteln.
"WACH JETZT AUF, ICH KRIEGE DAS KIND!"
Ja, DAS zeigte Wirkung, Göttergatte saß senkrecht im Bett, verwirrt und aufgeregt. Ja, es geht mir gut, ja, die Wehen kommen oft, ja, wir müssen ins Krankenhaus, nur steh jetzt endlich auf.
Ich kann nicht mehr stehen, laufe hin und her und klettere dabei in meine Jogginghosen. Ein letzter Blick ins berühmte Köfferchen, scheint alles drin zu sein. Und schon wieder eine Wehe. Meine Güte, jetzt kommen sie schon alle vier Minuten.
Göttergatte hat sich angezogen, sucht den Autoschlüssel. "Wir fahren jetzt ins Krankenhaus, wünsch mir was", ächze ich meiner Mutter in den Telefonhörer, hin und herlaufend.
Draussen ist es stockfinster und kalt, mir klappern die Zähne, vor Kälte und vor Aufregung.
Im Auto die nächste Wehe, der Abstand zur letzten? Göttergatte sagt: drei Minuten. Ich will aus dem Auto raus, kann nicht mehr sitzen, will laufen. Wie lange will diese Ampel noch rot sein? Und warum hält sich Göttergatte an Verkehrsregeln? Es ist halb fünf morgens, kein Mensch auf der Strasse und ich habe die nächste Wehe.
Endlich das Krankenhaus. Egal, dass hier Parkverbot ist, ich kriege ein Kind!
Der Pförtner sieht uns kommen und greift zum Telefon. "Dritter Stock", sagt er und ich laufe im Gang hin und her, bis der Aufzug kommt.
Die Hebamme erwartet uns. Ich überlasse Göttergatte das Reden, kann nicht mehr reden, muss hin und her laufen, muss atmen, muss mir die Bilder an der Wand anschauen und muss "Hoffentlich ist es bald rum!" denken.
Wir dürfen in den Kreissaal. Hinlegen muss ich mich, ein CTG wird mir an den Bauch geschnallt. "Oh, sie haben gute Wehen!", sagt die Hebamme. Danke, weiß ich. Darf ich bitte wieder herumlaufen? Darf ich nicht, sie untersucht den Muttermund: 5cm. "Ist das viel?", frage ich. Sie zuckt die Schultern und sagt: "Beim Ersten kann´s dauern. ich hab um sieben Feierabend, meine Kollegin entbindet Sie." Ich schaue auf die Uhr: nicht mal halb sechs ...
"Und jetzt rasiere ich sie, dann gibt´s noch einen Einlauf", verkündet die Hebamme und ich bin zu sehr mit einer Wehe beschäftigt, um mich zu wehren.
Ratzfatz sind die ach so störenden Schamhaare ab und lauwarme Flüssigkeit in mich eingefüllt. "Der Einlauf muss zehn Minuten drinbleiben, dann dürfen Sie auf Toilette. Bis dahin können Sie in die Wanne, ich habe Ihnen Wasser eingelassen."
Es war das schrecklichste Bad meines Lebens. Wehen veratmen, Einlauf drinbehalten und entspannen. Göttergatte stoppte die Zeit und nach zehn Minuten sprang ich, soweit möglich, aus der Wanne. Mit dem Einlauf ging der Schleimpfropf ab und die Toilette erschien mir als der gemütlichste Platz der Welt. Aber sollte es nicht eine Geburt beschleunigen, wenn frau sich in der Wanne entspannt? Das geisterte irgendwie durch mein Hirn und so stieg ich in die Wanne zurück. Die Wehen kamen und gingen, mittlerweile alle zwei Minuten.
In der Wanne hielt mich nichts mehr. Ich wollte laufen, den Wehen davonlaufen. Ich drehte meine Runden im Kreissaal. Blick zur Uhr: sechs Uhr. Es geht mir nicht schlecht, stellte ich fest. Wenn nur diese Hebamme mich endlich in Ruhe ließe. Ständig rannte sie um mich herum, bot mir Gymnastikball und Seil an, nannte mich Frau...äh...Mutti und erzählte mir von den Geburten ihrer vier Söhne. Göttergatte saß auf einem Stuhl in der Ecke und erkannte endlich, wie genervt ich war. Er verwickelte die Hebamme in ein Gespräch, damit ich in Ruhe wehen konnte. So waren alle glücklich, Göttergatte beschäftigt, Hebamme abgelenkt und ich konnte laufen.
Ein weiterer Blick zur Uhr: Schon halb sieben. Ne, jetzt mag ich nicht mehr. Ich bin müde, es tut weh, es drückt.
"Haben Sie das Gefühl, das Sie pressen wollen?", fragt die Hebamme.
Äh. Keine Ahnung. Ist mein erstes Kind und ich weiß zur Zeit eigentlich nichts. Nur dass die Wehen Schlag auf Schlag kommen.
"Legen Sie sich mal hin, ich schaue nach dem Muttermund ... oh, vollständig eröffnet! Ich überziehe meine Schicht"
Und dann überschlugen sich die Ereignisse. Um die Geburt voranzutreiben, schlug mir die Hebamme vor, die Fruchtblase "zu sprengen". Ahnungslos sagte ich ja.
Meine Beine wurden in Ablagen gequetscht, das Kopfteil des Bettes nach unten geruckt und dann machte es "peng!" zwischen meinen Beinen und warmes Wasser spritzte aus mir heraus. Und mit dem Wasser kam die erste Presswehe. Ein solcher Druck, dem ich nachgeben musste, da half nichts, nur Pressen. Die Hebamme schrie nach dem Arzt, ich forderte sofortigen Abbruch der Geburt, Schmerzmittel und meine Ruhe, Göttergatte rief "Ich seh ja schon das Köpfchen!"
Der Arzt stürmte herein, die Hebamme rief:"Ich seh das Köpfchen!", der Arzt rief "Pressen", die Hebamme rief"Haare hat es!", der Arzt rief "Pressen", die Hebamme rief "Da ist es ja! Es ist ein Junge! Hat das Kind große Füße!"

... und dann war es auf einmal still. Glaube ich. Jedenfalls hörte ich nur noch ein leises Quäken und ein warmes, feuchtes Bündel wurde mir auf die Brust gepackt. Göttergatte durchtrennte die Nabelschnur, die Hebamme forderte ein weiteres Mal "Pressen" und die Plazenta rutsche aus mir heraus.
"Na, dann wollen wir den Prachtkerl mal messen und wiegen!", frohlockte die Hebamme und entriss mir mein Kind, das ich noch nicht richtig betrachtet hatte, in all dem Trubel. Göttergatte bewachte unseren neugeborenen Sohn während ich mit vier Stichen genäht wurde, immerhin war mir ein Dammschnitt erspart geblieben.

Und endlich, endlich verließen Hebamme und Arzt den Raum, dämpften sogar einfühlsam das Licht und ließen eine neue Familie zusammenwachsen. Das haarige, großfüßige Kind entpuppte sich als das niedlichste Baby der Welt, das sofort unsere Herzen in seinen kleinen Fäustchen hielt.

Nur knapp eine halbe Stunde hielt der Frieden an, dann tobte die Hebamme wieder durch den Raum, fragte nach, ob das Kind schon getrunken hat, Frau...äh...Mutti, erklärte, dass mein Bett nun frei sei und dass ich mich in den Rollstuhl setzen sollte. Unseren Sohn entriss sie mir, überreichte ihm den Göttergatten und schickte die Beiden vor in mein zukünftiges Zimmer. Ich stand sicher auf den Beinen, fühlte mich stark und müde gleichzeitig und sammelte meine Siebensachen im Kreissaal zusammen. Musste mich dann aber für den kurzen Weg über den Flur in den Rollstuhl setzen. "Vorschrift", sagte die Hebamme.
(...) Unser Sohn verschlief den Tag, trank exakt 12 Stunden nach seiner Geburt zum ersten Mal an meiner Brust. Ich machte Bekanntschaft mit Nachwehen und mit Säuglingsschwestern, die heimlich die Stillkinder nachts fütterten, um den Müttern Schlaf zu gewähren. Lernte, dass mein Körper nicht 100% funktioniert, die Gebärmutter zog sich erst mit Hilfe von Spritzen richtig zusammen. Und dann durfte ich endlich nach Hause. Durften WIR endlich nach Hause. Und unser Leben von nun an zu dritt meistern.

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Das taten wir auch 13 Monate lang und dann kündigte sich weiterer Nachwuchs an.
Und dieser Nachwuchs, ließ auf sich warten. Der Termin rückte näher, kam heran und verstrich. Mittlerweile wussten wir, dass der Große eine Schwester haben sollte ... nur WANN? Das wussten wir nicht. Sämtliche Hausmittelchen, Tipps und Tricks versagten.
Acht Tage nach dem Termin war ich wieder beim Frauenarzt. "Ich dehne ein bisschen den Muttermund, das löst vielleicht Wehen aus", sagte dieser und schritt zur Tat. Und ich verbot es ihm augenblicklich, das tat nämlich weh. "Nun, wir sehen uns dann in zwei Tagen", sagte er zum Abschied. Ätsch, wir sahen uns erst nach drei Tagen, allerdings zur Nachsorge.
Meine Freundin hatte mich zum Frauenarzt gefahren, auf dem Rückweg stoppten wir beim Bäcker, um Brötchen zu kaufen. Ich saß gequetscht auf dem Rücksitz und bewunderte die fünf Monate alte Tochter meiner Freundin ...als...ja, als die erste Wehe durch meinen Körper ging. Und so war die Tochter meiner Freundin, der erste Mensch, der erfuhr, dass sich ein neuer Mensch auf den Weg machte.
Als meine Freundin vom Bäcker kam, berichtete ich von den Fortschritten und wir beschlossen, noch in Ruhe zu frühstücken.
Daheim angekommen suchte ich erstmal die Toilette auf, plötzlicher Durchfall quälte mich. Und ja: Da war der Schleimpfropf.
Göttergatte hatte in der Zwischenzeit die Babysitter für den Großen informiert und Sachen für das Kind zusammengepackt.
Das gemeinsame Frühstück war nicht ganz so gemütlich, ich begann bereits wieder meine Runden zu drehen, Wehen, die im siebenminütigem
Abstand kamen, ließen mich nicht zur Ruhe kommen. Ins Krankenhaus wollte ich aber erst fahren, wenn die Wehen alle drei Minuten kamen.
Göttergatte schmierte mir ein Hörnchen, wir verabschiedeten unseren Großen, der von Oma und Opa abgeholt wurde und meine Freundin begann zu drängeln, ob wir nicht doch lieber losfahren wollten? Sie verabschiedete sich dann, wünschte viel Glück und ich schaute noch mal ins Köfferchen. Zwar wollte ich nach der Geburt das Krankenhaus direkt wieder verlassen, aber das Köfferchen sollte für Notfälle mit. Nach einer halben Stunde wurden die Wehen stärker, kamen alle fünf Minuten und wir beschlossen aufzubrechen. Vorher noch ein Anruf bei meiner liebsten Freundin: "Wir fahren los. Entscheide Dich JETZT, ob Du mitwillst oder doch lieber mit Deinen Freunden übers Wochenende wegfährst." Sie wollte mit, also fuhren wir kurz ins Nachbardorf, um sie einzusammeln. Im Auto waren die Wehen verschwunden, ich rechnete mit einem Fehlalarm. Da wir aber nun auf dem Weg waren und ich sowieso weit über dem Termin war, entschieden wir uns ins Krankenhaus zu fahren. Wir hielten noch kurz an einem Supermarkt und kauften etwas zum Trinken, die Dauer unseres Aufenthalts im Krankenhaus war ja sehr ungewiss.
Wir fanden einen Parkplatz vor der Frauenklinik und beim Aussteigen kam die nächste Wehe. Heftig und unmissveständlich auf Geburt hinweisend.
Göttergatte meldete mich an und wir durften auf die Entbindungsstation.
Dort tobte der Bär! Vier Kreissäle hatten wir im Vorfeld besichtigt, alle waren nun besetzt. Auf dem Flur waren zwei Paravents aufgestellt, dahinter piepten CTGs. Meine Wehen kamen wieder in schöner Regelmäßigkeit, in einem Abstand von drei Minuten. Ich bekam Panik, wollte meine Tochter nicht auf dem Flur begrüßen! Ein Frauenarzt führte uns in sein Untersuchungszimmer und schloss mich ans CTG an. Regelmäßige, wirksame Wehen. Ein Ultraschall zeigte, dass wir weiterhin mit einem Mädchen zu rechnen hatten. Und die Untersuchung des Muttermunds zeigte, dass der gerade freigewordene Kreissaal mir gehören sollte: 8cm Und das fast schmerzfrei!
Im Kreissaal begann ich, wie beim letzten Mal, hin und her zu laufen. Den Göttergatten wusste ich gut beschäftigt, er unterhielt sich leise mit meiner Freundin, eine Hebamme war nirgends zu sehen, entspannte Atmossphäre.
"Wir schreiben nochmal ein CTG", sagte die für mich zuständige Hebamme, die mal eben vorbeischaute. "Das CTG ist mit unserem zentralen Rechner verbunden, der im Schwesternzimmer steht. Dort können wir die Anzeige all unsere CTGs beobachten", erklärte sie und verließ das Zimmer. Ich wollte nicht liegen! Das CTG schlug hoch aus, die Wehen wurden kräftiger, drängender. Es gab fast keinen Abstand mehr. Aber die Hebamme kam nicht zurück. "Es kommt gleich!", informierte ich Göttergatte und beste Freundin, die mir die Hand hielten. Göttergatte klingelte nach der Hebamme. Diese kam nach einigen Minuten ins Zimmer geschlendert: "Na, die Wehen haben wohl aufgehört?", trällerte sie, während ich vor mich hin schnaufte. "Eher nicht!", erwiderte Göttergatte und zeigte auf die Berg- und Talfahrt des Papierstreifens am CTG. "OH! Das hat es bei uns nicht angezeigt, ich hole einen Arzt!", sprach sie und rannte aus dem Zimmer. Und ich fühlte mich nicht mehr richtig gut aufgehoben.
Der Arzt begrüßte mich mir der Mitteilung, dass ich die Letzte sei. Die letzte Gebärende, er stehe am Ende einer 23Stunden-Schicht. Na Danke, das interessiert mich jetzt nicht, ich will ja nur ein Kind kriegen.
Und wieder dieser Satz: "Vollständig eröffnet, ich sprenge die Fruchtblase!"
"Aber dann kommt das Kind sofort!", jammerte ich und bekam zu hören: "Ja, das wollen wir doch auch." Hmm, stimmt ja. Aber irgendwie auch nicht. Wie auch immer, er tat es und ich hatte ein déjà-vu. Warmes Wasser und Pressen! JETZT! SOFORT! Und nach der Presswehe eine kurze Diskussion mit dem Arzt, dass ich nun nicht pressen könne, weil ich gerade keine Presswehe habe! Und dann kam schon die nächste ... mit ihr der Kopf: "LOS, NOCHMAL!", feuerte mich der Arzt an ... und ich gehorchte. Ein letztes Mal ... und ein zartes Stimmchen quäkte.
Wieder ein Moment unendlicher Nähe, voller Glück und Zärtlichkeit. Göttergatte durchtrennte die Nabelschnur und die beste Freundin bewunderte ihr zukünftiges Patenkind.
Ich wiederum war mit dem Gebären der Plazenta beschäftigt und wurde, während meine winzige Tochter gemessen und gewogen wurde, genäht. Diesmal war ich heftiger gerissen und der entnervte Arzt begann zu nähen, bevor die Betäubung wirkte. Diese Schmerzen sind mir schlimmer im Gedächtnis, als die Wehen.
"Sie dürfen dann auf Station", sagte er im Rausgehen. "Ich will nach Hause!", erwiderte ich. "Nun, Sie müssen wissen, was Sie tun!", schulterzuckend verließ er den Raum. Die Hebamme führte uns in den Vorraum eines OPs, hier sollten wir vier Stunden verbringen, dann käme die Abschlußuntersuchung und erst DANN dürfte ich heim.
So ungemütlich und kalt der Raum auch war, wir rückten zusammen und waren glücklich. Unsere kleine Tochter trank zum erstenmal und schlief dann wohlig ein, die Betäubung an der Dammnaht wirkte nun hervorragend und ich fühlte mich gut. Geschafft. Und nach vier Stunden fuhren wir heim. Auf dem Rückweg ein Anruf in der Pizzeria, die Großeltern informiert und daheim warteten ein stolzer großer Bruder, eine begeisterte Oma, die ihre erste Enkelin nach drei Enkeln in die Arme schloss, eine riesige Familienpizza und: mein eigenes Bett.

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Sieben Monate später hatte Göttergatte eine Festanstellung, wir hatten uns finanziell saniert und die Frage der weiteren Familienplanung stellte sich. Zwei, drei Jahre warten und dann noch mal zwei Kinder oder direkt ein Drittes und Feierabend. Wir entschieden uns für Letzteres und ich wurde direkt schwanger.
Und diesmal sollte alles anders werden, wir entschieden uns für eine Hausgeburt.
Eine Hebamme am Ort stellte sich zur Verfügung uns zu unterstützen, Frauen- und Kinderarzt signalisierten Einsatzbereitschaft für den Notfall. Der Termin rückte näher, die Vorbereitungen waren getroffen. Plastikfolie zum Abdecken des Sofas, auf dem unser letztes Kind zur Welt kommen sollte, lagen bereit, dicke Binden lagen harmonisch neben den Erstlingswindeln. Noch drei Wochen.
Die Zeit zog sich, der Befund vom Frauenarzt lautete "geburtsreif" und täglich kamen kleine Wehen, wir rechneten stündlich mit der Geburt. Nervenaufreibend.
In der Nacht vor dem Termin wachte ich auf. Mit Wehen! Mit heftigen Wehen! Diesmal war Göttergatte sofort wach und rannte zum Telefon: Oma und Opa anrufen, sie sollte anwesend sein, falls die beiden "Großen" aufwachten, die beste Freundin, die sollte fotografieren und natürlich die Hebamme.
Ich hatte in der Zwischenzeit die mir vertraute Wanderung begonnen und hatte Wehen im zwei Minuten Abstand. Heftig. Trotzdem zündete ich noch die Kerzen am Kerzenleuchter an. Das warme Licht gefiel mir, die Wohnzimmerlampe blieb aus. Es klingelte und meine Schwiegereltern standen vor der Tür. Göttergatte brachte sie in die Küche. Wieder klingelte es, diesmal war es die Hebamme. "Lass uns ein CTG schreiben", schlug sie vor, "Du kannst auch stehenbleiben und ein wenig hin und herlaufen". Das CTG wurde nicht lang, ich konnte den Gurt um den Bauch nicht ertragen, meine Hebamme nahm ihn ab. Sie untersuchte kurz und stellte fest, das der Muttermund bereits acht Zentimeter weit eröffnet war. "Das geht schnell!", ermutigte sie mich. Meine Schwiegermutter schaute herein. "Kann ich was helfen?", fragte sie. "Wasser kochen!", wies die Hebamme an und meine Schwiegermutter ging, erleichtert, weil sie was zu tun hatte, zurück in die Küche.
Meine Wehen waren heftig, drückten nach unten und meine Hebamme dirigierte Göttergatten auf das mit Plane und Bettlaken ausgelegte Klapp-Sofa. "Und Du setzt Dich jetzt dahin, machst die Beine auseinander. Pia, Du setzt Dich dazwischen und dann schauen wir mal, wie weit Du bist."
Kurzes Sortieren von Beinen und Armen, dann war es gemütlich. Vergleichsweise gemütlich, denn die Wehen waren doch sehr stark. Die Hebamme untersuchte und sagte: "Wenn Du magst, kannst Du mal ein wenig mitschieben, bei der nächsten Wehe, es ist alles bereit." Zeitgleich mit diesen Worten kam die beste Freundin ins Zimmer, die Kamera gezückt.
Die nächste Wehe kam und ich schob mit ... und das italienische Temperament meiner Hebamme ging mit ihr durch! "Schau (zu meiner besten Freundin)! Die Fruchtblase steht, das musst Du fotografieren!" Ein kurzer fragender Blick meiner besten Freundin zu mir ... ok, knippse. Und die nächste Wehe kam. Göttergatte stützte mein Kreuz, ich drückte und mit dem Platzen der Fruchtblase schob sich das Köpfchen nach draussen. Meine Hebamme ermutigte mich: "Fühl nach, der Kopf ist da, das Schlimmste hast Du geschaftt!" Und während ich noch zartes Haar fühlte, schob die nächste Wehe unsere jüngstes Kind nach draussen. Ein klitzekleiner Junge, der wie ein Lämmchen blökte. Die Hebamme wischte kurz über sein Gesicht, drückte das Näschen frei und ich hob ihn mir auf die Brust. Meine beste Freundin breitete eine Deck über uns und wir versanken im Glück.
Als die Nabelschnur ausgeblutet war, durfte der Göttergatte sie durchtrennen, was sich als schwierig herausstellte, da er hinter mir saß und sich sehr verrenken musst. Er schnitt nicht daneben. Die Nachgeburt rutschte fast nebenbei heraus und wurde in einer Schüssel zur Seite gestellt.
Meine beste Freundin gab in der Küche Bescheid und meine Schwiegereltern kamen ins Zimmer um zu gratulieren. Nie werde ich den Anblick meines Schwiegervaters vergessen, dem die Tränen in den Bart liefen. Keines seiner Kinder hatte er direkt nach der Geburt gesehen.
Diesmal gab es nichts zu nähen, in aller Ruhe konnte ich mein neugeborenes Kind stillen.
Während meine Hebamme ihre Sachen zusammenpackte, klingelte es und die zweite Hebamme, die eigentlich hätte unterstützen sollen, kam herein. Ihr wurde das Schriftliche zugewiesen. meine Hebamme öffnete eine Flasche Sekt, wir hatten beide zu feiern. Für uns beide war es die erste Hausgeburt.
Während Göttergatte unseren Frischling in Kleider packte, verabschiedete meine beste Freundin die beiden Hebammen, meine Schwiegermutter wusch mich und reichte mir ein frisches T-Shirt.
Und dann stieg ich die Treppe hinauf, knuffelte mich mit meinem jüngsten Kind ins Bett und schlief selig ein.
Am nächten Morgen gab es große Augen bei unseren größeren Kindern ... einfach so über Nacht war da ein neues Kind angekommen.

Und wir waren vollzählig.

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Puh.

Wer es bis hier geschafft hat, der mag vielleicht auch ein paar technische Daten?

erstes Kind:

53 cm lang
37,5 cm Kopfumfang
3780 g schwer

von der ersten Wehe bis zum ersten Schrei: 3 Stunden


zweites Kind:

55 cm lang
35 cm Kopfumfang
3190 g schwer

von der ersten Wehe bis zum ersten Schrei: 6 Stunden

drittes Kind:

52 cm lang
36,5 cm Kopfumfang
ca. 3600 g schwer (ungenau, weil sich die Hebamme zuerst MIT Kind auf die Waage stellte und hinterher mit einem "Oh Gott, ich muss abnehmen!" allein) :)

von der ersten Wehe bis zum ersten Schrei: 50 Minuten

und noch eins:

Eine Geburt ist wie Bergsteigen. Du bist müde, kommst ausser Atem, Deine Beine tun Dir weh. Aber Du kannst das Gipfelkreuz sehen und willst nach oben. Und gehst deshalb weiter. Schritt für Schritt.

Das habe ich mir immer vorgesagt.

Euch ebenfalls schöne und leichte Geburten!
 
K

Keksimaus

Hallo Pia,

echt klasse beschrieben :jaja:
Und ging ja bei allen ziemlich fix, toll :bravo:
 
L

Lisi

echt toll geschrieben :bravo:
hat spaß gemacht sie zu lesen :jaja:

Eine Geburt ist wie Bergsteigen. Du bist müde, kommst ausser Atem, Deine Beine tun Dir weh. Aber Du kannst das Gipfelkreuz sehen und willst nach oben. Und gehst deshalb weiter. Schritt für Schritt.

super vergleich :bravo:
werd mir das wenns soweit ist vor augen halten :jaja:
 
A

Anonymous

schön

ach wie isses schön machen solche Berichte nicht lust auf mehr?????
Mehr Kinder°!!!!!!!!!!!
 

KeksKrümel

Queen of fucking everything
Hi,

klasse Geburtsbericht, schön geschrieben und einfach nur super toll, man kann Dich richtig darum beneiden

LG Sandra
 
A

anniroc

Hallo, das waren tolle Berichte, da macht das Lesen Spaß!
Den Spruch mit dem Berg, kenn ich auch.

Eine Geburt ist wie Bergsteigen. Du bist müde, kommst ausser Atem, Deine Beine tun Dir weh. Aber Du kannst das Gipfelkreuz sehen und willst nach oben. Und gehst deshalb weiter. Schritt für Schritt.

Aber laut meiner Hebamme ging er noch weiter:

Wenn du oben bist hast du es geschafft! Und der Abstieg wird wunderschön, dir geht es gut du hast keine Schmerzen mehr und bist unsagbar glücklich das du es geschafft hast.

Gruß Corinna
 
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