Bööööse Mama

Buchstabensalat

Lebenskünstlerin
Gestern haben wir den Tiefkühler aufgeräumt, und unter ganz viel Wasistdas auch einen großen Behälter mit Zwetschgen gefunden. Schon entsteint und geschnitten, also war die Parole klar: Zwetschgenkuchennnnnnn! Männe hat einen schönen Hefeteig angesetzt und Streusel gemacht, und meine Aufgabe erschöpfte sich darin, den Kuchen zusammenzusetzen und zu backen.

Und ihn zu verteidigen, denn die Jüngste, die beim Abendbrot eine große Portion Nudeln mit Bolognesesosse (ebenfalls made by Männe) verdrückt hatte UND eine Schüssel Chips zum Nachtisch gemopst hat, kam gefühlt keine zehn Minuten danach vorbei und wollte sich ein Stück abzweigen.
Nö, gibt's aber nicht, morgen erst und dann mit Opa zusammen. Es wird ja wieder Weihnachten, das heißt, die trauten Freßgelage mit Kerzenbeleuchtung und Weichdrogenkonsum nehmen wieder zu.

Dem eingedenk beendete ich also heute gegen zwei Uhr meine Nähvorhaben und widmete mich der Vorbereitung des gemeinsamen Kaffeetrinkens. Wobei, es war dann doch ein Teetrinken, aber tut ja nichts zur Sache. Vorher lag jedenfalls an, das Haus ein wenig ausgehfein zu machen - nicht wegen Opa, der kennt unseren Schlür, aber die typischen Dinge wie Müll runter, Bad putzen, Kinder zum Aufräumen zwingen und so - das geht halt am Besten sonntags.
Nun musste ich aber dem Opa noch mal Bescheid geben, dass er um drei Uhr oben erwartet wurde und Kuchen essen könne, also trappste ich die Treppe runter in den Werkzeugkeller, wo er gerade wunderschöne Scheibchen vom Baum sägte für Tassenuntersetzer oder so... wie gesagt, es weihnachtet schon sehr.

Und wie ich also so trappse, da sehe ich am Handschuhschrank auf der Ablage ein Handy liegen. Von der Jüngsten. Hat sie wohl beim Müll runtertragen vergessen.

Wie jede fürsorgliche Mutter nehm ich das gute Stück also beim Rückweg an mich, und sehe: es ist gar nicht gesperrt.
Tja. Was soll ich sagen... ihr kennt mich ja. Mutter, ja, fürsorglich, ja, auch - aber vor allem: klein, gemein und hinterhältig. Muahahaahaaaarrr. Ein ungesperrtes Handy fremder Provenienz in meinen Händen? Ungeahnte Möglichkeiten tun sich auf!

Mein erster Plan: einfach mal alle Kontakte in Skype anlabern. Geht aber nicht, denn das Mädel sitzt am Wochenende in Dauerschleife vor dem Rechner und quakt mit ihren Kumpels, das fällt sofort auf. Und ein bisschen länger als 10 Sekunden will ich ja auch Spaß haben.
Also? Instagram! Und tatsächlich ist sie hier auch dauereingeloggt, so dass ich ohne weiteres auf die Bedienoberfläche komme. Ohhh, Mädelllllll.... danke dafür!
Schnell mache ich einen Schnappschuss vom Inneren meines Nachttisches - hauptsächlich Bücher und Papierblöcke. Ich geb zu, ich sollte mal wieder aufräumen, oder wenigstens die gelesenen Bücher zurück ins Regal stellen, aber andererseits sind die sichtbaren Titel ja wohl ein wichtiger Hinweis beim Suchen, oder? Siehste. Aufräumen wird überbewertet.
Also - klick - und schon steht das Bild auf ihrem Insta-Account, Bildunterschrift: Hilfehilfe, ich wurde entführt. MIT Grinsesmiley, damit kein Holzkopf noch auf die Idee kommt, es handele sich hier um Ernst. Schwupp - Handy hineinstecken in den Wust von Büchern, und der Spaß kann losgehen.
Natürlich kann ich nicht an mich halten und erzähle Männe brühwarm von meinem Streich. Das ist nämlich das Schöne an der Ehe: nach fast zwanzig Jahren hat man entweder denselben Humorlevel erreicht, oder ist geschieden. Alternativ tot. Naja, irgendwas ist ja immer.

Männe freut sich jedenfalls auch, und gemeinsam beginnen wir abzuwarten. Gute zehn Minuten vergehen, inzwischen kommt Opa schon hoch, Männe macht einen Tee für ihn.
Im Kinderzimmer rumort es.
Die Jüngste kommt heraus und schaut sich suchend um.
Verschwindet wieder in ihrem Zimmer.
Kommt wieder heraus.
Nimmt unser Festnetztelefon und wählt.
Verdammt, denke ich, die ist sooo schlau und ich soooo blöd - jetzt klingelt es bestimmt gleich und der Spaß ist vorbei.
Aber nö - man hört nichts.
Was die Jüngste auch kommentiert. "Menno, wo ist das?" sagt sie mehr so unbestimmt zu allem und niemand.
"Klingelt's nicht?" frage ich unschuldig.
"Nö. Ist auf Vibrieren gestellt."
"Joa, das ist doof dann..."
"Menno, wo ist das..." fragt sich die Jüngste und hat offenbar eine Eingebung, jedenfalls rauscht sie ab Richtung Treppenhaus. Ich nutze die Gelegenheit, Opa mit Pantomime klarzumachen, dass ich das Handy habe und er nichts sagen soll. Er schaut erst verdutzt, begreift dann aber und grinst kurz. Humor ist ja auch viel Erziehung und Vorbild, ne?
Die Jüngste saust wieder durchs Bild.
"Unten ist es nicht", informiert sie uns kurz. Sie schaut im Zimmer herum und überlegt. "Oben war ich heute noch gar nicht, da kann es nicht sein."
"Och, wenn du eh hochgehst, hol doch mal die Große herunter, es gibt jetzt Kuchen", ermuntere ich sie.
"Da ist es aber nicht", quakt die Jüngste im typischen "Mama, hörst du nicht zu"-Tonfall.
"Ja, aber deine Schwester ist da, und die soll runterkommen."
"Uuuch." Und sie stapft los und kommt mit der Großen im Schlepp wieder runter.
Langsam wird der Entzug offenbar schlimmer, denn erneut greift sie nach dem Festnetz.
"Sei mal still", fordert sie uns auf, und wandert in ihr Zimmer.
Und dann ins Zimmer der abwesenden Mittleren.
"Ich hör's vibrieren!"
Och Menno, denke ich, dann hat sie's ja gleich. Immerhin teilt unser Schlafzimmer eine Wand mit dem Zimmer der Mittleren, und wenn sie es dort nicht findet, wird sie wohl im Schlafzimmer suchen.
Tut sie aber nicht. Statt dessen steht sie im Raum und klagt die grausamen Mächte des Schicksals an: "Menno, wo ist mein HAN-DIEEEH!"
In der Zwischenzeit hat die Große gemerkt, welchen Spaß ich habe, sobald die Jüngste mal nicht in meine Richtung schaut. Irritiert mustert sie mich, die ich gerade hilfreich der Jüngsten vorschlage: "Du, schau doch mal in deine Mails, vielleicht hat dein Handy dir ja ne Nachricht geschickt, wo es ist."
Die Jüngste verdreht die Augen ob solcher idiotischen Ideen und startet eine neue Runde "woissesdennwohl". Die Große hingegen zieht die Brauen zusammen und flüstert mir zu: "Hast du es?" MEIN KIND!!!! Sooo intelligent!
Ich nicke und grinse und muss mir das Lachen verkneifen.
Inzwischen kann Männe das Herumhühnern der Jüngsten nicht mehr mit ansehen, die von einem Zimmer ins andere wieselt und immer unruhiger wird.
"Sag mal, wenn du es nicht findest, und Mama dir schon solche Tips gibt, vielleicht befolgst du die dann auch mal?"
Die Jüngste stutzt. Schaut mich an, die einmal rund um den Kopf grinst, und kommt endlich auf den Trichter: "Hast DU mein Handy genommen?????"
"Ich habe es entführt!" gackere ich los.
Ehrlich, so viel Spaß hatte ich das letzte Mal, als mir mein Mann das "Mach-deine-eigene-Kotze"-Forschungsset zum Geburtstag geschenkt hat. Doch, ernsthaft. Kosmos, oder so. Komplett mit Gummimagen zum Selberwalken. Nur die Essensreste musste man hinzufügen.
Und das Backnatron und den Essig.
Jedenfalls, während ich mich vor Lachen abrolle, versucht die Jüngste ein böses Gesicht zu machen. Gelingt ihr aber nicht ganz, denn sie muss ebenfalls grinsen. Will aber nicht, will lieber böse gucken - aber die Mundwinkel heben sich unaufhaltsam.
"Wo ist es denn dann?" quiekt sie, aber nö, das wäre ja zu einfach -
"Musst du finden. Ich hab dir einen Hinweis geschickt."
"Wo denn?"
"Auf Instagram."
"Da komm ich aber doch nicht drauf ohne Handy!"
Kinder von heute. Ständig am Medien konsumieren, aber keine Ahnung von Computer.
"Du hast keine Insta-App für deinen Laptop?"
"Doch, aber da sieht man keine Nachrichten. Komm, ich zeig's dir!"
Willig folge ich ihr an ihren Rechner, wo sie sich bei Instagram einloggen will. Dummerweise hat sie aber wohl gerade ihr Paßwort geändert, jedenfalls verweigert ihr Instagram den Zugriff, bis sie den Sicherungscode eingibt, den man ihr - wohin wohl - aufs Handy sendet.
Okay, in dem Fall... zeige ich ihr großzügig auf meinem Rechner ihr Insta-Profil. ICH hab nämlich den Instagram-Client schon seit Monaten installiert, damit ich auf ihrem Profil nachlesen kann. Und seit vielleicht vier Wochen weiss sie auch endlich, wie ich auf Insta heiße... aber das ist ne andere Kiste.
"Hää?" Irritiert schaut sie das Foto an. "Wo ist das?"
Aber nö, das soll sie mal jetzt selber rausfinden. Man sollte meinen, das wäre jetzt einfach - wo es am lautesten vibriert, hat sie ja auch schon mitbekommen.
Denkste. Männe muss sie erst deutlich darauf hinweisen, dass es auf der anderen Seite von der Mittleren Zimmerwand ja noch einen Raum gibt - Reaktion der Jüngsten: "Hää?" Ja, Mädel, tatsächlich - Wände haben eine endliche Dicke und sind dreidimensional.
Aber immerhin, dann endlich, endlich hält sie ihr Handy wieder in eigenen Händen. Und wir können Kuchen essen. Jedenfalls beinahe, denn eines muss uns die Jüngste zwischen Grinsen und bösen Blicken noch mitteilen: "Boah, was sind das für Idioten auf Insta - das Foto hat schon 9 Likes!"

Salat
 
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