17 Stunden und dann doch noch Kaiserschnitt

B

bettibutz

Heute, am 6.8.03 ist Lennart 1 Jahr alt geworden. In diesen Minuten vor einem Jahr lag ich schon in Vollnarkose, kurz danach war er dann endlich da!
Da es mich immer noch beschäftigt, möchte ich es heute erzählen.

Meine Schwangerschaft verlief total komplikationslos. Dumm war nur, dass wir sie nicht geplant hatten und ich bis zum letzten Augenblick immer wieder mal am Zweifeln war, ob ich mit dieser Verantwortung umgehen kann. Ich war manchmal ganz schön verzweifelt. Mein armer Mann sah sich teilweise schon als alleinerziehenden Vater....

Nun, die Zeit kam und nichts passierte. Nerv! Bin eh schon immer so ungeduldig. Als 9 Tage später immer noch nichts los war, keine Wehen auf dem CTG bei (wenigsten das) verkürztem Muttermund, bin ich auf eigenen Wunsch zum Wehenbelastungstest gegangen. Den Arzt kannte ich schon vom Vortag als er mein CTG überprüfte. Er war sehr nett, beruhigend und kompetent. Er beruhigte mich, es sei noch alles in Ordnung aber ich sei geburtsbereit und daher werde er die Geburt am nächsten Tag einleiten. Da bekam ich dann doch erstmal Muffe.... Aber was sollte es? Dann wäre endlich diese Schwangerschaft vorbei. kam mir vor wie ein watschelndes Nilpferd, das alle 2 Minuten auf Klo gehen muss.
Aber ich hatte Glück. Noch in der Nacht wachte ich mit Wehen auf. Ich fand sie natürlich schon gleich recht heftig und da ich sowieso Termin um 8 Uhr in der klinik hatten, gingen Mathias und ich schon mal um 6 in die Klinik (man weiß ja nie!) Ich bin dann dort frohen Mutes reinmarschiert und wurde direkt von der ersten Hebamme wieder runtergezogen. "Also 5 Minuten sind das nicht, das sind 8 Minuten abstände. Muttermund 1 cm offen!" Ich also nix wie runter in den Park, spaziern. Nach knapp 5 Stunden bin ich dann wieder zurück und war mir sicher, dass jetzt bestimmt schon die Hälfte geschafft sei. Die Wehen waren nun sehr schmerzhaft (ich dummes Ding- hätte ich gewusst, was später kommen sollte) und kamen schneller. Wieder niederschmetternde News: 1 cm geöffnet. Wenn ich nicht schon Termin gehabt hätte, hätten sie mich wieder heim geschickt.
So aber wurde ich an den Wehentropf gehängt. Ich bekam noch eine Spritze in den Po, so dass mir die Schmerzen erstmal total egal waren. Ich fand den Wehentrof nicht so schlimm, denn ich sah ihn als Hilfsmittel an, nun die Geburt endlich richtig anzuschieben. Nach 2 Stunden Tropf war ich dann bei 2 cm. Mein Mut sank in den unterirdischen Bereich. Hatte ich morgens noch den Nachmittag als Ende des Ganzen angesehen dachte ich nur noch : DAS SCHAFFE ICH NICHT!
Gottseidank kam nun einen neue, sehr liebe Hebamme, die mich wieder etwas stabilisierte. Sie half mir in die Wanne und dort wurde es wirklich besser. Ich konnte die Wehen richtig bearbeiten, versank völlig in der Konzentration auf meinen Körper und die Verarbeitung der Schmerzen. Nebenbei lief immer wieder die gleiche Entspannungsmusik. Ich wollte nichts anderes hören, hätte mich alles nur abgelenkt. Leider musste ich irgendwann wieder raus aus der Wanne, um ein neues CTG zu machen. Außerdem hatte ich anfangs gesagt, dass ich eine PDA möchte, sollte es zu lange dauern und zu schmerzhaft sein. Der Muttermund hatte sich in der Wanne dann auf 4 cm geöffnet. Ich dachte nur: Mühsam ernährt sich das Eichhörnchen! 1cm pro Stunde ist bei mir schon top!
Dann dachte ich garnichts mehr weil dann ein paar Wehen hintereinander anrollten, die mich echt umgehauen haben. Vor Schmerz die Wände hochgehen - das geht! Nie wieder will ich das erleben. Ich war nicht mehr ganz bei mir. Veratmen? Mir blieb einfach die Luft weg und irgendwann schrie ich nur noch vor Panik!
Gottseidank wurde mir dann die PDA gelegt. Sie wirkte sofort, war so super dosiert, dass ich meine Beine unter Kontrolle hatte und trotzdem absolut schmerzfrei war. Nach 11 Stunden Schmerzen ließ ich mich einfach hintenüber fallen und lutschte ein paar Pfefferminz. ich war heiser vom Stöhnen und Schreien. Während der PDA konnte ich nun gelassen den Wehenschreiber ansehen. Dort jagte eine Monsterwehe die nächste. Mathias, der mir die ganze Zeit die Hand hielt meinte nur: Betti, diese Wehen bringen es jetzt!
Aber es blieb wie gehabt, alle 2 Stunden schaffte ich einen cm. Als ich bei 7 cm angelangt war tat sich dann trotz Wehen nichts mehr.Sie machten nochmal einen Ultraschall weil sein Kopf sich gedreht hatte. Alle rätselten herum. Ich legte mich auf die andere Seite und dann wurden die Herztöne schlechter. Das ging aber gleich wieder weg als ich mich wieder in die alte Lage brachte. Trotzdem war es natürlich sehr aufregend. Ich bekam Angst um mein Kind und vermutete, er hätte die Nabelschnur um den Hals und kann deswegen mit seinem Köpfchen keinen Druck auf den Muttermund ausüben.
Nach 17 Stunden fragte mich der Arzt: Was sollen wir machen? Ich war so erleichtert, dass er mir nicht wieder sagte, eine Geburt braucht Zeit, nur Geduld usw... sah ihn an und fragte: Sind sie ein Meister der sanften Sectio? Dann holen sie im mein Kind heraus. Alle versicherten mir nochmal, ich solle mir nun keine Vorwürfe machen, ich hätte so gut gekämpft und manchmal laufen Geburten halt nicht wie geplant. Ich dachte mir nur : Was wollen die denn? Ich bin heilfroh über den Kaiserschnitt, ich will nie mehr ein Kind, ich will nie mehr eine Wehe haben.
Sie bereiteten mich vor und alle waren sehr nett und informierten mich über jeden Schritt. Albern fand ich nur die ganzen Formulare, die ich unterschreiben musste obwohl ich nichts mehr außer Krakeleien hingebracht hatte.
Die Vollnarkose kam, man weckte mich wieder auf als sie mich aus dem OP rollten. Mir wurde sofort gesagt, dass ich einen gesunden Sohn habe. Ich war nur noch erleichtert. Und beeindruckt von meiner Intuition, da ich immer an einen Jungen geglaubt hatte und wir uns noch nicht mal auf einen Mädchennamen geeinigt hatten. Mathias wartete schon auf mich und legte mir sofort Lennart in den Arm und damit waren alle Zweifel vergessen. War das ein tolles Gefühl. Ich erinnere mich bis heute an jede Sekunde dieser kostbaren Minute als mein Baby schmatzend und guckend in meinem Arm lag. Er roch so gut! Wäre ich näher am Tier dann hätte ich ihn abgeleckt!
Trotzdem schmerzten Narbe und Hals höllisch und ich wurde erstmal in den ätzenden Aufwachraum gefahren. Nach über einer Stunde wurde ich endlich wieder auf meine Station verfrachtet. Dort bekam ich nochmal mein Baby in den Arm. Er war zwischendurch die ganze Zeit mit Mathias im Kreissaal gewesen und hat dort mit ihm gekuschelt. Gottseidank!
Aber 10 Minuten später musste ich ihn schon wieder hergeben, da er noch angezogen werden musste. Ich fiel dann auch bald in einen tiefen Schlaf.
Vom Kaiserschnitt habe ich mich sehr schnell erholt. Ich fand die Angestellten im Kreissaal und auf der Station fast alle sehr nett, modern und kompetent.

Trotzdem habe ich mir oft schon Gedanken gemacht, ob ich vielleicht doch ein bischen zu memmig war. Hätte ich weiter in der Wanne gelegen und auf die PDA verzichtet, dann hätte es vielleicht geklappt.... Oder hätte ich einfach noch ein paar Stunden gewartet... Keiner weiß, wieso Lennart seinen Kopf nicht richtig ins Becken eingedreht hat. So etwas kommt halt vor. Aber je länger es her ist, umso mehr wünschte ich, es hätte "normal" geklappt.
Aber vielleicht ist es besser sich zu sagen, dass man sich bei einer Geburt nichts wünschen darf und mit allem rechnen muss. Und im Zweifelsfalle zählt nur eins: Dass das Kind gesund ist.
 
A

Anonymous

bettibutz hat gesagt.:
Trotzdem habe ich mir oft schon Gedanken gemacht, ob ich vielleicht doch ein bischen zu memmig war. Hätte ich weiter in der Wanne gelegen und auf die PDA verzichtet, dann hätte es vielleicht geklappt.... Oder hätte ich einfach noch ein paar Stunden gewartet...






Aber vielleicht ist es besser sich zu sagen, dass man sich bei einer Geburt nichts wünschen darf und mit allem rechnen muss. Und im Zweifelsfalle zählt nur eins: Dass das Kind gesund ist.


Also jede Frau die schon mal stundenlang WEHEN gehabt hat weiß was du durch gemacht hast und würde dich niemals al "memmig" bezeichnen, unsere Kinder haben schon vor ihrer Geburt ihren eigenen Kopf und drehen sich eben oder auch nicht....
Deshalb finde ich dein Schlußsatz sehr treffend.
Hauptsache ist das Kind ist umsonst und ich denke eien jede von uns gab ihr bestes!!!

LG Tina
 

Bruni

Wichtel Moderatorin
Hallo Bettina,

das haste aber schöööööön geschrieben. :bravo:

Nachträglich alles Liebe und Gute deinem Lennart zum 1. Geburtstag. :bravo:

Alles Liebe Bruni
 

Su

Das Luder
Hallo Bettina,

an der PDA lag es bestimmt nicht! Die PDA wirkt nicht auf das Kind und normalerweise erhofft man sich von der PDA eher eine Beschleunigung der Geburt, weil die Mutter bei den Wehen entspannter ist (tun ja nicht mehr weh).

Aber lieber Kaiserschnitt, als irgendwie Mutter und Kind zu gefährden!

Also, meiner Meinung nach hast Du alles richtig gemacht,

ganz liebe Grüße
Su
 
I

Inkeri

Wie schön, daß alles gut gegangen ist .... :bravo:

und ich finde, Du hast völlig recht : das Wichtigste ist, daß das Kind heil die Geburt übersteht, meiner Ansicht nach...

nicht das "bewußtseinsändernde Geburtserlebnis" der Mutter. Mir war es ähnlich gegangen, nach 12 Stunden Horrorwehen, nur überstanden durch PDA Notkaiserschnitt... andernfalls wäre mein Sohn jetzt behindert...

jeden Tag sehe ich ihn mir an, wie er lacht und die Welt entdeckt und denke mir, daß ich sehr, sehr dankbar bin

Alles Liebe Susanne
 
Oben