Wie soll ich mich verhalten,wenn mein Kind (1,5) mich "haut"? (vorsicht lang)

S

silkewink

Hallo Zusammen,

ich habe mal eine Frage, wie Ihr das handhabt bzw. ob es ein paar Tips gibt, wie man damit umgehen sollte, wenn man vom Kind "gehauen" wird.

Kilian ist nun 1,5 Jahre alt und hat schon relativ lange Wutanfälle/Ausraster... es gibt nur zwei extreme. Entweder super kuschelig und zauberhaft oder superschnell reizbar und ungemütlich (zum Glück überwiegt das liebe Kind). Seit kurzem "schlägt" er mich regelrecht, wenn ihm etwas nicht passt, vor allem ins Gesicht...

Kurze Beschreibung mitten aus dem Alltag: Wir auf einem großen Parkplatz. Ich will Kilian laufen lassen, jedoch Bedingung "an der Hand", da zu viele Autos dort fahren (an der Hand laufen ist sonst eigentlich kein Problem). Kilian will alleine laufen, ich versuche seine Hand zu greifen und festzuhalten, er schmeisst sich auf den Boden. Ich versuche es noch einmal, erkläre ihm, dass das gefährlich ist und wenn er nicht möchte, ich ihn dann zum Auto trage... gesagt, getan. Er will nicht, will sich losreissen, ich nehme ihn auf den Arm und "patsch" kriege ich eine Backpfeife... Ich war so baff und perplex, dass ich ihm aus einem Reflex auf die Hand geklopft hatte und ziemlich laut wurde, sagen wir mal, mit schon harter lauter Stimme ihm gesagt, dass er das nicht machen soll, weil es mir weh tut.... Nicht falsch verstehen, ich habe ihm nicht weh getan, jedoch es war für meinen Geschmack auf keinen Fall die richtige Reaktion, da ich selber als Kind sehr viel einstecken musste und das bei meinem eigenen Kind einfach nicht wiederholen möchte, ich hasse Gewalt!

Ich fühle mich in diesen Situationen einfach überfordert und fast hilflos und mir kommen grad die Tränen, weil ich es sehr schwer finde, die Ruhe zu wahren, wenn er mich "haut", vor allem ins Gesicht. Ich gehe dann ein wenig auf Abstand, spreche aber mit ihm darüber und zwar ruhig, dass es mir weh tut (und das tut es auch)...

Manchmal haut er mich auch einfach aus "Spass" und schaut, wie ich reagiere, schon fast ein wenig "provozierend", auch wenn ich nun mal behaupte, dass er mich nicht bewusst provozieren möchte, es geht ihm sicherlich um was anderes (Grenzen? keine Ahnung)... er hat zum Glück noch nie ein anderes Kind oder die Katzen gehauen, jedoch manchmal haut er seine Kuscheltiere und erwartet eine Reaktion. Sage ich "nein, nicht hauen", haut er wieder... was ist das?

Habt Ihr auch ähnliche Erfahrungen? Wenn ja, wie geht Ihr damit um? Wäre für Tips wirklich dankbar...
Habe schon viel die Suchfunktion benutzt, und einiges sehr Interessantes und auch Hilfreiches (danke, Johanna:) )draus filtern können (zumindest, wie ich mit den Ausrastern und Wutanfällen umgehen soll... das klappt auch)... nur aufs "gehauen" werden, weiss ich keine Antwort...

Liebe Grüße

Silke :winke:
 
G

Giovanna

AW: Wie soll ich mich verhalten,wenn mein Kind (1,5) mich "haut"? (vorsicht lang)

Hallo Silke!

Ich kann mich auch noch an so eine "Phase" bei Marlene erinnern. Und ich weiß auch von anderen Mamis, dass "Hauen", "Zwicken" oder "Beißen" fast bei allen Kindern irgendwann mal ein Thema ist. Also, wenns auch nervig ist, es scheint normal zu sein.

Ich glaube der Grund, warum Kleinkinder so ne Hau-Phase entwickeln, liegt an der meist ungewohnt wütenden, aufbrausenden Reaktion der Eltern. Wenn einen das eigene Kind schlägt, dann ist man erstmal baff und reagiert natürlich sauer. Man schreit das Kind vielleicht an, setzt es entschieden auf den Boden oder gibt vielleicht einen Klaps auf die Finger...alles Reaktionen, die man wohl nicht willentlich macht. Die Wut ist einfach schneller als die Vernunft in dem Fall.
Aus der Perspektive des Kindes ist so eine "harte" Reaktion der Eltern ungewohnt und deshalb vielleicht auch faszinierend. Das Kind will dahinterkommen, WAS genau diese wütende Reaktion von Mama ausgelöst hat und es will wissen, ob Mama wohl immer so reagiert, wenn sie gehauen wird. Und so testet das Kind genau das immer mal wieder, wie ein kleiner Wissenschaftler, quasi.

Am besten verkürzt man solche Phasen also mit einer ruhigen, faden und gefassten Reaktion, die dem Kind bald langweilig erscheint. Also ein deutliches aber ruhiges "NEIN, das tut mir Weh" und den kleinen Arm einfach sanft festhalten, sodass er nicht nochmal schlagen kann. Und dann würd ich ablenken, irgendwas aufregendes suchen, womit du deinen Kleinen beschäftigen kannst. "Oh guck mal da vorne ist...." oder "Komm wir wollen ein Bilderbuch angucken oder einen großen Turm bauen".
Weißt du, dann schleift sich dieses Verhalten auch nicht ein.

Wichtig find ich es auch immer, wenn man den Kindern auch sagt, wie man die Gefühle nennt, die sie grad empfinden. "Du bist grad wütend". Dann braucht das Kind vielleich irgendwann nicht mehr durch Handeln ausdrücken was es fühlt sondern geht dazu über, seine Gefühle verbal mitzuteilen...natürlich erfordert das eine gewisse Reife, die sich langsam entwickelt.

Du kannst Kilian auch zeigen, wie man seine Wut rauslassen kann, ohne dass jemand zu Schaden kommt. Zuhause kannst du mit ihm auf ein "Wutkissen" einschlagen. Unterwegs könnt ihr vielleicht mal zornig aufstampfen oder einpaarmal in die Luft hüpfen. Das kann dann auch wirklich Spaß machen und man lacht zusammen die Wut einfach raus.

Marlene hat zuerst auch gehauen, nach ner Weile hat sie nur mehr (quasi drohend) ihre Hand gehoben, sich aber dann selber abgebremst und nun verschränkt sie die Arme und guckt wütend, wenn ihr was gegen den Strich geht. Ich versuch dann rauszufinden was sie stört, damit sie merkt, dass die Botschaft bei mir angekommen ist. Und dann suchen wir nach nem Kompromiss.

Natürlich schaff ich es aber auch nicht immer supercool und ruhig zu bleiben, leider. Aber man kann sich diese Selbstbeherrschung wirklich antrainieren und dann wirds mit der Zeit besser.

lg, Johanna
 

Jill A.L.

Dauerschnullerer
AW: Wie soll ich mich verhalten,wenn mein Kind (1,5) mich "haut"? (vorsicht lang)

Giovanna hat gesagt.:
Aber man kann sich diese Selbstbeherrschung wirklich antrainieren und dann wirds mit der Zeit besser.
hast du dafür auch noch ein paar Tips? Bitte Bitte Wie macht man das?

Gruß
Jill
 
G

Giovanna

AW: Wie soll ich mich verhalten,wenn mein Kind (1,5) mich "haut"? (vorsicht lang)

Ich hab kürzlich gelesen nur durch Üben-Üben und wieder Üben, kann man "umlernen".

Im Gehirn werden im Lauf unseres Lebens alle Situationen (auch Stress-Situationen) mit "emotionalen Markern" versehen, das kann man sich wie kleine Schildchen vorstellen, die (bildlich gesprochen) an allen erlebten Situationen hängen. An diesen Schildchen steht das "Gefühl" das man mit der Situation verknüpft und auch die besterprobteste Reaktion darauf. Das hat den Vorteil, dass man nicht ewig überlegen muss, wie man am Besten in bestimmten Situationen reagiert, sondern relativ rasch Handeln kann.
So, in Stresssituationen reagieren die meisten von uns unbeherrscht. Dasselbe gilt für Situationen, die uns wütend machen. Wir handeln dann einfach aus dem "Bauch heraus" und geben unserer Wut nach, schreien erstmal wütend oder schimpfen rum. Das liegt wohl daran, dass wir im Lauf unseres Lebens, noch keine bessere Reaktion finden konnten oder wir haben einfach die "schlechte" Reaktion von unseren Eltern übernommen, und so haben sich "schlechte Angewohnheiten" eingeschlichen. Im Nachhinein stellt man immer fest, dass es besser gewesen wäre ruhig zu bleiben und beherrscht zu reagieren. Dumm ist auch, dass uns nicht nur diese falschangelernten "Handlungsstrategien" überlegte Reaktionen erschweren, sondern auch die Gefühle, die mit bestimmten Situationen verknüpft sind. Wut entsteht z.B. in 10-20 Millisekunden (nach diesem kurzen Zeitraum werden schon die zuständigen Hormone und Neurotransmitter, die die Wut in uns aufsteigen lassen ausgesendet) - nachzudenken und die richtige Handlunsstrategie rauszufinden und dann zu reagieren, dauert deutlich länger ca. 800 Millisekunden. Um also beherrscht zu reagieren, muss man sein Wutgefühl 780 Millisekunden lang unterdrücken. Das haben viele von uns (vor allem in der Kindheit) nicht gelernt.

Umlernen kann man solche "Bauchreaktionen", indem man vernünftige Reaktionsweisen einübt. Je öfter wir die Erfahrung machen, dass man mit Ruhigbleiben und Nachdenken mehr erreicht als mit dem Losschimpfen, umso stärker wird sich diese neue Handlungsstrategie durchsetzen und irgendwann mal zur Gewohnheit werden. Wie ein Flussbett, dass man umlenken muss. Anfangs wird man immer wieder in das "alte Flussbett" zurückfallen, weil es einfach tiefer und verfestigter ist, als das neue. Mit der Zeit aber, werden beide Canyons gleichtief und der neue schließlich tiefer werden. Dann wird es so sein, als ob man in Stressituationen immer schon Ruhig geblieben wäre.

Also am besten fest vornehmen, erst mal ruhig zu bleiben, wenn man die Wut spürt. Vielleicht kann dich dein Partner dran erinnern oder aber auch ein älteres Kind. Oder du nimmst es dir immer wieder von neuem ganz fest vor, sagst es morgens vor dem Spiegel, schreibst dir Zettel und konzentrierst dich fest darauf. Wenns mal nicht gelingt, kein Schlechtes Gewissen haben, sondern wieder fest vornehmen. Dabei sind Sätze wichtig, die das Wörtchen "nicht" nicht enthalten. "Nicht" ist nämlich ein Wörtchen, dass unser Unterbewusstsein nämlich überhört und so wird ein "Ich schreie meine Kinder nicht an, wenn ich wütend bin" als ein "ich schreie meine Kinder an, wenn ich wütend bin" abgespeichert. Also positiv formulieren "Ich bleibe ruhig, wenn ich wütend bin" oder so.

Ein Tipp, der mir hilft, ist in solchen Situationen bewusst erstmal zu entspannen: Bestimmte Atemtechniken oder gutgelerntes Autogenes Training, zählen usw, können dabei helfen, wirklich auf Knopfdruck zu entspannen. Entspannung bringt deshalb den besten Effekt, weil man bei Stress/Wut/Angst automatisch angespannt ist. Durch bewusstes Entspannen, werden diese Gefühle "ausgeschaltet", weil man nicht gleichzeitig angespannt und entspannt sein kann.

War jetzt ne sehr ausführliche und komplizierte Erklärung. Mir hilft es immer zu verstehen warum etwas so ist, wie es ist. Vor allem aber bringt das auch ein Verständnis für alle Eltern, die mit Schlägen oder Klapsen auf ihre Kinder reagieren, was aber nicht heißt, dass diese nicht auch "umlernen" können.

lg, Johanna
 
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silkewink

AW: Wie soll ich mich verhalten,wenn mein Kind (1,5) mich "haut"? (vorsicht lang)

Liebe Johanna,

wieder einmal herzlichen Dank, für Deine absolut hilfreiche Antwort. Nun blicke ich ein wenig mehr durch und werde Deine tollen Tips beherzigen und umsetzen und auch meinem Freund zeigen, der auch ein wenig hilflos bei diesem Thema ist....
Zum Teil habe ich es auch schon so gemacht mit leise sprechen, Arm sanft festhalten, aber halt nicht immer, sondern eher laut geschimpft bzw. ihn angegiftet. Dann haute er zwar nicht mehr, ging dann aber zu seinen Spielsachen und warf sie durch die Gegend... heute auch wieder, ich habe ihn machen lassen, auch wenn es eigentlich ein Nein ist... sucht er dann Aufmerksamkeit oder geht es da auch darum, auszutesten, wie meine Reaktion auf sein Handeln ist?

Nochmals Danke,

Viele liebe Grüße

Silke

und ich schick Dir mal einen virtuellen Blumenstrauss und eine Riesentafel Merci, für so viel schriftliche Unterstützung...
 
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