A
annapenelope
Ihr Lieben!
Vielen Dank, dass ihr meinen Geburtsbericht so nett aufgenommen habt. Ich möchte nun auch noch berichten, wie die Zeit meines Wochenbettes verlaufen ist, weil das gehört irgendwie dazu.
Irgendwie wusste ich ja, wie das so ist, mit Babys. Dass sie dann aber wirklich für immer da sind, das realisierte ich erst, nachdem ich vom Kreissaal ins Zimmer kam, so gegen zehn Uhr Abends.
Im Zimmer lagen zwei Frauen mit ihren Babys, sie sahen fern. Ich war nach 36 Stunden Geburt und Nächtelang nicht schlafen fix und fertig und hätte mir ein wenig Ruhe gewünscht. Nix mit Ruhe. Ich gab mein Kind extra ins Kinderzimmer, die anderen zwei plärrten die ganze Nacht hindurch und ich war zu geschwächt um aufzustehen und meinen Sohn zu holen. Der Dammriss war Hölle und ich konnte mich nicht mal zur Seite drehen, geschweige denn allein auf die Toilette gehen (am nächsten Morgen musste ich die Schwester bitten mir zu helfen - glaub mir, dir wird alles egal sein).
Nachdem mir um fünf Niels gebracht wurde, ging es mir irgendwie besser, aber ich hatte mittlerweile drei Nächte nicht geschlafen.
Der nächste Tag war ein Sonntag. Ich hatte mich eigentlich zur ambulanten Geburt angemeldet - meine Mama, Hebamme, sollte mich nachbetreuen, ich hatte einen netten Kinderarzt ausgesucht. Die Gründe für meinen Wunsch waren vielfältig:
Einerseits glaubte ich mich zu Hause schneller erholen zu können. Die Vorstellung in dieser sensiblen Zeit mit anderen unbekannten Leuten und deren Kindern ein Zimmer teilen zu müssen war mir ein Greuel. Ich wollte die erste Zeit mit meinem Kind richtig genießen können und dabei vor allem nicht gestört werden. Zu diesem Zweck hatte sich Luc extra zwei Wochen frei genommen. Er würde kochen, putzen, das Baby versorgen, während ich im Bett lag und klassische Musik hörte mit dem Kind - so meine Vorstellung. Der zweite wichtige Punkt war, dass ich geglaubt hatte, meine Geburt würde problemlos verlaufen. War nicht so. Ich hatte auch die Nachwirkungen unterschätzt. Meine Bibel waren Sheila Kietzingers "Schwangerschaft und Geburt" und die "Hebammensprechstunde" von Ingeborg Stadlmann. Da meine Mutter auch ambulante Geburten betreute dachte ich nicht, dass man nach der Geburt so wahnsinnig geschwächt ist! Ich dachte wirklich man könne sofort aufstehen und lustig weiter machen - eventuell dachte ich, sei man ein wenig müde, aber das wüde sich schon legen! Die Wahrheit ist:
Der Rücken tut weh, man leidet unter Nachwehen, die heftigst sind, du kannst dich vielleicht nicht bewegen wegen der Dammnaht, du bist verwirrt von allem. Die Geburt ist ein Schock.
Wegen meiner Schwächung durfte ich nicht heim. Doch es trat genau meine Horrorvorstellung ein: Ich lag im Krankenhaus mit einer dieser Frauen, die von allen Leuten Besuch bekommen. Von ihrem Gesangsverein (mit Kindern), dem Kegelclub, der Cousine ersten und zweiten Grades samt Familie, den Arbeitskolleginnen etc. Es waren - nicht mal einen Tag nach der Geburt von Niels bis zu 20 Leute im Zimmer. Ich wollte mein Kind stillen. Ich wollte schlafen. Ich hatte jedem gesagt, dass Besuch in der ersten Woche mal nicht sei. Luc, Niels und ich teilten uns das kleine Krankenhausbett. Wir waren alle derartig am Ende, dass wir es nicht mal über uns brachten zur Schwester zu gehen und sie zu bitten, ein wenig rigoroser mit der Einhaltung der Besuchszeit zu sein!
Niels blieb diese Nacht bei mir, doch er konnte nicht einschlafen und quengelte dauernd. Darum ging ich bis zwei Uhr früh an der Brust mit ihm die Krankenhausflure hin und her, bis mir eine Schwester ihn quasi aus der Hand riss und mir gebat mich sofort ins Bett zu legen.
Es war die vierte Schlaflose Nacht.
Am Morgen wurde Blut abgenommen und Eisenmangel festgestellt. Irgendwie normal, bei dem Blutverlust. Aber ich sollte heim dürfen. Ich war kaum fähig zu denken, ich wollte nur heim. Als die Ärztin vor den anderen Zimmerkolleginnen meine Dammnaht untersuchte, war ich dann doch ziemlich schockiert.
Wir fuhren heim. Niels auf dem Rücksitz. Er war so klein und schien so allein. Ich weinte.
Mama kam am Abend und steckte mich ins Bett. Doch auch diese Nacht stellte sich kein Schlaf ein.
Es ging daheim wesentlich besser als im Krankenhaus, aber langsam zehrten die Nächte an meiner Substanz. Ich war ständig am heulen. Ich schaute Luc an und brach in Tränen aus, weil ich ihn so liebte und auch beim Kleinen ging es mir so. Dann wieder weinte ich aus traurigen Gründen. Ich halluzinierte beinahe. Mein Kind schien mir hässlich, ich konnte nicht essen, ich war so traurig und verwirrt. Alles Folgen der Schlaflosigkeit und der Überforderung mit der neuen Rolle.
Dann kam auch noch die Verwandtschaft meines Mannes - fünf Leute - die saßen ständig im Wohnzimmer. Weil die niederländisch sind und nicht oft da sind, war Luc immer bei ihnen. Ich fühlte mich so allein.
Im Nachhinein hab ich gelesen, dass junge Mütter ihre Mutter ganz dringend brauchen. Sie werden in dem Moment selbst Babys - nämlich Babys in ihrer Rolle als Mutter und brauchen sehr viel Zuwendung. Auf mich traf das 100%ig zu.
Mein Junge war so schön und so zart. Ich war so verbunden mit ihm. Aber ich war so müde, dass die schlimmsten Gedanken hoch kamen. Ich dachte dass jede Andere wesentlich besser seine Mama sein könnte. Ich wollte rund um die Uhr betreut werden und unterstützt.
Luc ging mit seiner Familie abends noch auch unc ich erlebte meinen Tiefpunkt. Ich heulte gemeinsam mit meinem Kind. Ich schrie! Ich konnte mir nicht erklären, was dieser heulende Kleine von mir wollte. Es war einfach furchtbar. In diesem Moment hätte ich ihn wirklich jedem gegeben und mich aus dem Staub gemacht - für einige Stunden. Luc kam zurück und schleppte den weinenden Zwerg bis um zwei in der Wohnung herum. Ich dachte, ich würde wahnsinnig werden.
In dieser Nacht schlief ich zum ersten Mal seit einer Woche drei Stunden. Die folgenden Tage waren ungleich besser und nach zehn Tagen fühlte ich mich wieder halbwegs fit.
Der Babyblues verging vollständig und löste sich in Luft auf, sobald ich pro Nacht zumindest fünf Stunden (verteilt) schlafen konnte.
Noch heute beschäftigt mich sehr, dass ich mein abgöttisch geliebtes Kind mit solchen Gefühlen belegen konnte. Ich konnte ihn wirklich beinahe nicht mehr ansehen, weil meine primitivsten Bedürfnisse nicht erfüllt waren. Darum konnte ich mich um die seinen in dieser ersten Woche überhaupt nicht annehmen.
Vielleicht denkst du jetzt, ich würde mein Kind nicht genug lieben. Oder dieser Bericht wäre zu ehrlich oder nur einer unter Tausenden. Es ist mein Bericht und ich weiß, dass es vielen Frauen nach der Entbindung ähnlich geht.
Ich rate dir: Schau auf dich. Flied deine Mama ein. Zwing deinen Mann sich Zeitausgleich zu nehmen.
Bei meinem nächsten Kind möchte ich ein Familienzimmer im Krankenhaus buchen. Das ermöglicht mir, mein Kind in der Nacht auch mal der Schwester geben zu können (Schlaf ist sooooo wichtig. Vor allem in der ersten Zeit, in der man ohnehin eine einzige offene Wunde ist.), und stellt sicher, dass ich mit meinem Kind allein sein kann.
Ich vertraue darauf, dass meine Ehrlichkeit von euch gewertschätzt wird. Ich wünsche euch eine wunderschöne Zeit mit euren Kindern (im Bauch, schon geboren, schon wieder außer Haus...).
Alles Gute!
Anna
Vielen Dank, dass ihr meinen Geburtsbericht so nett aufgenommen habt. Ich möchte nun auch noch berichten, wie die Zeit meines Wochenbettes verlaufen ist, weil das gehört irgendwie dazu.
Irgendwie wusste ich ja, wie das so ist, mit Babys. Dass sie dann aber wirklich für immer da sind, das realisierte ich erst, nachdem ich vom Kreissaal ins Zimmer kam, so gegen zehn Uhr Abends.
Im Zimmer lagen zwei Frauen mit ihren Babys, sie sahen fern. Ich war nach 36 Stunden Geburt und Nächtelang nicht schlafen fix und fertig und hätte mir ein wenig Ruhe gewünscht. Nix mit Ruhe. Ich gab mein Kind extra ins Kinderzimmer, die anderen zwei plärrten die ganze Nacht hindurch und ich war zu geschwächt um aufzustehen und meinen Sohn zu holen. Der Dammriss war Hölle und ich konnte mich nicht mal zur Seite drehen, geschweige denn allein auf die Toilette gehen (am nächsten Morgen musste ich die Schwester bitten mir zu helfen - glaub mir, dir wird alles egal sein).
Nachdem mir um fünf Niels gebracht wurde, ging es mir irgendwie besser, aber ich hatte mittlerweile drei Nächte nicht geschlafen.
Der nächste Tag war ein Sonntag. Ich hatte mich eigentlich zur ambulanten Geburt angemeldet - meine Mama, Hebamme, sollte mich nachbetreuen, ich hatte einen netten Kinderarzt ausgesucht. Die Gründe für meinen Wunsch waren vielfältig:
Einerseits glaubte ich mich zu Hause schneller erholen zu können. Die Vorstellung in dieser sensiblen Zeit mit anderen unbekannten Leuten und deren Kindern ein Zimmer teilen zu müssen war mir ein Greuel. Ich wollte die erste Zeit mit meinem Kind richtig genießen können und dabei vor allem nicht gestört werden. Zu diesem Zweck hatte sich Luc extra zwei Wochen frei genommen. Er würde kochen, putzen, das Baby versorgen, während ich im Bett lag und klassische Musik hörte mit dem Kind - so meine Vorstellung. Der zweite wichtige Punkt war, dass ich geglaubt hatte, meine Geburt würde problemlos verlaufen. War nicht so. Ich hatte auch die Nachwirkungen unterschätzt. Meine Bibel waren Sheila Kietzingers "Schwangerschaft und Geburt" und die "Hebammensprechstunde" von Ingeborg Stadlmann. Da meine Mutter auch ambulante Geburten betreute dachte ich nicht, dass man nach der Geburt so wahnsinnig geschwächt ist! Ich dachte wirklich man könne sofort aufstehen und lustig weiter machen - eventuell dachte ich, sei man ein wenig müde, aber das wüde sich schon legen! Die Wahrheit ist:
Der Rücken tut weh, man leidet unter Nachwehen, die heftigst sind, du kannst dich vielleicht nicht bewegen wegen der Dammnaht, du bist verwirrt von allem. Die Geburt ist ein Schock.
Wegen meiner Schwächung durfte ich nicht heim. Doch es trat genau meine Horrorvorstellung ein: Ich lag im Krankenhaus mit einer dieser Frauen, die von allen Leuten Besuch bekommen. Von ihrem Gesangsverein (mit Kindern), dem Kegelclub, der Cousine ersten und zweiten Grades samt Familie, den Arbeitskolleginnen etc. Es waren - nicht mal einen Tag nach der Geburt von Niels bis zu 20 Leute im Zimmer. Ich wollte mein Kind stillen. Ich wollte schlafen. Ich hatte jedem gesagt, dass Besuch in der ersten Woche mal nicht sei. Luc, Niels und ich teilten uns das kleine Krankenhausbett. Wir waren alle derartig am Ende, dass wir es nicht mal über uns brachten zur Schwester zu gehen und sie zu bitten, ein wenig rigoroser mit der Einhaltung der Besuchszeit zu sein!
Niels blieb diese Nacht bei mir, doch er konnte nicht einschlafen und quengelte dauernd. Darum ging ich bis zwei Uhr früh an der Brust mit ihm die Krankenhausflure hin und her, bis mir eine Schwester ihn quasi aus der Hand riss und mir gebat mich sofort ins Bett zu legen.
Es war die vierte Schlaflose Nacht.
Am Morgen wurde Blut abgenommen und Eisenmangel festgestellt. Irgendwie normal, bei dem Blutverlust. Aber ich sollte heim dürfen. Ich war kaum fähig zu denken, ich wollte nur heim. Als die Ärztin vor den anderen Zimmerkolleginnen meine Dammnaht untersuchte, war ich dann doch ziemlich schockiert.
Wir fuhren heim. Niels auf dem Rücksitz. Er war so klein und schien so allein. Ich weinte.
Mama kam am Abend und steckte mich ins Bett. Doch auch diese Nacht stellte sich kein Schlaf ein.
Es ging daheim wesentlich besser als im Krankenhaus, aber langsam zehrten die Nächte an meiner Substanz. Ich war ständig am heulen. Ich schaute Luc an und brach in Tränen aus, weil ich ihn so liebte und auch beim Kleinen ging es mir so. Dann wieder weinte ich aus traurigen Gründen. Ich halluzinierte beinahe. Mein Kind schien mir hässlich, ich konnte nicht essen, ich war so traurig und verwirrt. Alles Folgen der Schlaflosigkeit und der Überforderung mit der neuen Rolle.
Dann kam auch noch die Verwandtschaft meines Mannes - fünf Leute - die saßen ständig im Wohnzimmer. Weil die niederländisch sind und nicht oft da sind, war Luc immer bei ihnen. Ich fühlte mich so allein.
Im Nachhinein hab ich gelesen, dass junge Mütter ihre Mutter ganz dringend brauchen. Sie werden in dem Moment selbst Babys - nämlich Babys in ihrer Rolle als Mutter und brauchen sehr viel Zuwendung. Auf mich traf das 100%ig zu.
Mein Junge war so schön und so zart. Ich war so verbunden mit ihm. Aber ich war so müde, dass die schlimmsten Gedanken hoch kamen. Ich dachte dass jede Andere wesentlich besser seine Mama sein könnte. Ich wollte rund um die Uhr betreut werden und unterstützt.
Luc ging mit seiner Familie abends noch auch unc ich erlebte meinen Tiefpunkt. Ich heulte gemeinsam mit meinem Kind. Ich schrie! Ich konnte mir nicht erklären, was dieser heulende Kleine von mir wollte. Es war einfach furchtbar. In diesem Moment hätte ich ihn wirklich jedem gegeben und mich aus dem Staub gemacht - für einige Stunden. Luc kam zurück und schleppte den weinenden Zwerg bis um zwei in der Wohnung herum. Ich dachte, ich würde wahnsinnig werden.
In dieser Nacht schlief ich zum ersten Mal seit einer Woche drei Stunden. Die folgenden Tage waren ungleich besser und nach zehn Tagen fühlte ich mich wieder halbwegs fit.
Der Babyblues verging vollständig und löste sich in Luft auf, sobald ich pro Nacht zumindest fünf Stunden (verteilt) schlafen konnte.
Noch heute beschäftigt mich sehr, dass ich mein abgöttisch geliebtes Kind mit solchen Gefühlen belegen konnte. Ich konnte ihn wirklich beinahe nicht mehr ansehen, weil meine primitivsten Bedürfnisse nicht erfüllt waren. Darum konnte ich mich um die seinen in dieser ersten Woche überhaupt nicht annehmen.
Vielleicht denkst du jetzt, ich würde mein Kind nicht genug lieben. Oder dieser Bericht wäre zu ehrlich oder nur einer unter Tausenden. Es ist mein Bericht und ich weiß, dass es vielen Frauen nach der Entbindung ähnlich geht.
Ich rate dir: Schau auf dich. Flied deine Mama ein. Zwing deinen Mann sich Zeitausgleich zu nehmen.
Bei meinem nächsten Kind möchte ich ein Familienzimmer im Krankenhaus buchen. Das ermöglicht mir, mein Kind in der Nacht auch mal der Schwester geben zu können (Schlaf ist sooooo wichtig. Vor allem in der ersten Zeit, in der man ohnehin eine einzige offene Wunde ist.), und stellt sicher, dass ich mit meinem Kind allein sein kann.
Ich vertraue darauf, dass meine Ehrlichkeit von euch gewertschätzt wird. Ich wünsche euch eine wunderschöne Zeit mit euren Kindern (im Bauch, schon geboren, schon wieder außer Haus...).
Alles Gute!
Anna