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Ulrike
Geburt von Leonie Marie am 25.02.2002:
6. Mai 2002
Meine liebe kleine Leonie,
es sind nun schon fast 10 Wochen her, seit Du geboren wurdest. Und erst heute schaffe ich es, Dir zu erzählen, wie es war, als Du am 25.Februar 2002 aus meinem Bauch herausgeholt wurdest.
Wenn ich ehrlich sein soll: Es war höchste Zeit – und das in vielerlei Hinsicht. Die letzten Wochen der Schwangerschaft waren sehr anstrengend für mich gewesen – seit Wochen hatte ich zunehmende Schmerzen im Bereich der alten Kaiserschnittnarbe und je größer Dein Köpfchen wurde, dass genau an dieser Stelle lag, desto hartnäckiger wurde dieses Stechen und Ziehen. Manchmal hatte ich das Gefühl, Du würdest Dich richtig in mich hineinbohren – v.a. nachts war es unerträglich, ich konnte mich am Schluss nicht mehr von einer Seite auf die andere Drehen ohne starke Schmerzen zu spüren.
Dann begannen 4 Wochen vor Deiner Geburt diese Schmerzen im Becken und im Rücken – ich hatte das Gefühl, als würde mein Becken auseinanderbrechen. Eine Woche lang konnte ich nicht mehr aufrecht gehen und konnte keinen Fuß mehr vor die Haustüre setzen. Ich habe oft stundenlang heulend im Bett verbracht, ich wollte nicht mehr schwanger sein, hatte das Gefühl, dass meine Beziehung zu Dir unter diesen Schmerzen litt und wir uns immer mehr entfremdeten – ich wollte Dich aus diesem Bauch bekommen – nicht, weil ich Deine Geburt herbeisehnte, sondern weil ich das Ende der Schmerzen herbeisehnte. Und dieser Umstand tat mir sehr weh und ich schämte mich innerlich für diese Gefühle.
Ich war zweimal im Krankenhaus, dort war man sehr zurückhaltend, ich hatte ständig das Gefühl, nicht so recht ernstgenommen zu werden. „Das sind die Mutterbänder, die sich dehnen“, sagte man gleichgültig. Die einzige, die wirklich erkannt, wie es mir ging war meine Hebamme und Freundin Andrea. Sie riet mir schließlich zu einem erneuten Kaiserschnitt – monatelang hatten wir uns mit der Frage, wie Du auf die Welt kommen solltest, herumgequält.
Ich war unendlich erleichtert, als endlich eine Etnscheidung getriffen war.
In der Klinik kam man diesem Wunsch nur ungern nach – Dein Papa und ich setzten uns schließlich durch und so bekamen wir einen Termin.
10 Tage vor Deinem Geburtstag hatte ich in der Nacht Wehen – ich wurde von einem rasenden Schmerz in meinem Unterbauch wach, der 2 Stunden lang andauerte. Ich war überwältigt von dieser Heftigkeit, denn so hatte ich die Wehenschmerzen nicht in Erinnerung. Es gab keine Pausen und der Schmerz fühlte sich an wie scharfe Messerstiche, die in meine Oberschenkel ausstrahlten. Als ich gerade beschlossen hatte, ins Krankenhaus zu fahren, hörte es schlagartig auf. Andrea stellte am nächsten Tag einen verstrichenen Muttermund fest und Dein Köpfchen war nun fest im Becken. Sie versicherte uns, dass wir niemals bis zum 25. Februar kommen würden.
Sie irrte sich. Wir kamen so weit und die letzten 2 Wochen ging es mir endlich wieder etwas besser. Trotzdem – ich strich jeden Tag auf dem Kalender ab, zählte am Schluss die Stunden....
Die Sehnsucht nach Dir kam wieder – ich begann von Dir zu träumen, konnte stundenlang die kleinen Sachen anschauen, die ich für Dich gewaschen und einsortiert hatte. Wie würdest Du wohl aussehen, kleine Tochter? Wie würdest Du riechen? Würde mir noch mal ein so unvergessliches Erlebnis wie bei der Geburt Deiner Schwester bevorstehen?
Am 24. Februar kam Deine Oma zu uns nach Würzburg – sie wollte die ganze Woche bei Alina bleiben, während ich mit Dir im Krankenhaus war. Wir verbachten einen lustigen Abend, ich war entspannt und guter Dinge. Ich freute mich wahnsinnig auf den nächsten Tag – ich war nicht nervös wegen der bevorstehenden OP, aber ich war nervös, weil ich Dich edlich kennelernen würde.
Ich schlief in dieser Nacht ruhig und fest – erst gegen 5 Uhr bin ich aufgewacht. Mein erster Gedanke galt Dir – ich lag eine ganze Weile ruhig im Bett und habe meine Hände auf meine Bauch gelegt. Du hast gestrampelt, Deine kleine Ferse kam ganz deutlich durch meine Bauchdecke. Ich wollte mir dieses Gefühl, wie es ist, ein Baby in seinem Bauch zu spüren, ganz genau einprägen, doch heute nach 10 Wochen fällt es mir schon wieder schwer mich daran zu erinnern. Es war ein wunderbares, unbeschreibliches Gefühl, Leben in sich zu spüren. Ich habe dann noch ein heißes Bad genommen und habe mich in Ruhe fertiggemacht, habe die letzten Sachen eingepackt, Deinen Papa geweckt. Das fiel mir am schwersten, dass er frühstücken durfte und ich nüchtern bleiben musste...
Um 7 Uhr mussten wir in der Klinik sein – als wir uns dort anmeldeten, wurde mir doch ein bisschen mulmig, doch Dein Papa war weitaus nervöser. Unruhig ist er im Gang auf und ab gegangen und schwor sich, dass Du sein letztes Baby sein würdest!
Dann ging es sofort in den Kreissaal – eine ältere Hebamme empfing uns und fing an, mich für die OP vorzubereiten. Erstmal noch eben ans CTG, Deine Herztöne waren ganz gleichmäßig und ruhig, dann bekam ich Infusionen und Zugänge gelegt, bekam meinen Katheter gesetzt – aua, das war das wirklich Unangenehme an der Sache. Ein sehr lieber und netter Anästhesist wich von da an nicht mehr von meiner Seite – ich war noch immer ruhig und trotzdem war es schön, einen so angenehmen Begleiter zu haben. Gegen 8 Uhr ließ sich der Oberarzt blicken – er war etwas mürrisch und fragte mich noch mal, ob ich wirklich diesen Kaiserschnitt wolle – ich wurde nun pampig und fragte ihn zurück, ob er sich einen anderen Grund vorstellen könne, warum ich hier vor ihm lag.
Dann ging es relativ schnell – ich kam auf den OP-Tisch, dort wurde mir die Spinalanästhesie gelegt. Davor hatte ich ziemlich Angst, doch ich spürte gar nichts davon. Mein toller Anästhesistenarzt hatte sie prima gelegt. Innerhalb von Sekunden bekam ich ein pelziges Gefühl in den Beinen, man legte mich zurück und ich bekam einen Sichtschutz. Seltsam – ich war immer noch sehr ruhig und gefasst, in mir drin stieg jedoch immer mehr dieses Gefühl hoch, das man von früher kennt, dieses „Ichfreumich aufWeihnachtenGefühl“ oder dieses „MorgengehnwirindenZirkusGefühl“, - eben diese Vorfreude auf etwas Wunderschönes, auf das man schon lange wartet.
Dein Papa saß neben meinem Kopf – die OP begann. Ich merkte, wie man an mir zu ruckeln begann – ein komisches Gefühl, schwer zu beschreiben. Man merkt, dass da unten etwas gemacht wird, aber man hat keine Schmerzen. Nach etwa 10 Minuten wurde mir plötzlich speiübel. Ich merkte, wie mir schlagartig schwarz vor Augen wurde, ich wollte etwas sagen, doch meine Lippen waren zu schwer, ich sah nur noch eine einzige verschwommene Fläche vor mir, ich bekam keine Luft mehr. Ich weiß nur noch, wie ich immer wieder dachte „Oh mein Gott, nun verpasse ich, wie sie mein kleines Mädchen rausholen, ich verpasse es, ich verpasse es...“
Doch der liebe Anästhesist hatte schnell bemerkt, dass mein Blutdruck auf einen Wert von 30 abgesackt war und hat mir sofort ein Kreislaufmittel gespritzt – in Sekundenschnelle war ich wieder da, erleichtert, dass alles wieder in Ordnung war. Doch trotzdem – irgendetwas stimmte nicht. Man stellte plötzlich Musik an, und es erschien mir, als wollte man, dass ich nicht hören konnte, was man vorne am OP-Tisch sprach. Es ruckelte immer noch da unten, solltest Du nicht längst da sein? Wir wurden beide nervös, hatten wir doch erlebt, wie schnell Deine Schwester damals auf der Welt kam. Ich fragte immer wieder nervös nach, doch man beruhigte mich, alles sei in o.k. Plötzlich kam mir der Gedanke, dass mit Dir etwas nicht in Ordnung sein könnte und dass man Dich vielleicht schon lange an mir vorbeigetragen hatte, ohne dass ich es bemerkt hätte. Ich fragte intensiver nach, Panik stieg in mir hoch, ständig sah ich auf diese Uhr über der OP-Türe.
Dann hörte ich es plötzlich, dieses bekannte Geräusch, das ich seit meinem Praktikum kannte, das kurze Knacksen, dann das Plätschern: Sie hatten die Fruchtblase eröffnet - nach über 30 Minuten, um 9 Uhr 1 dann plötzlich Dein erster Schrei – ein lauter, energischer Schrei, vielmehr ein Krähen, ein Verkünden und Jubilieren: „Ich bin da Mama, mach Dir keine Sorgen!“
Und ich jubilierte – eine Welle von Glück und Dankbarkeit steig in mir hoch, ein Gefühl von unendlicher Liebe und Wonne. Man hielt mir sofort Dein Köpfchen hin, ich konnte nur wenig von Dir sehn, nur ganz kurz berührte ich Deine weiche Wange, dann bist Du erst mal mit Deinem Papa und den Hebammen nach draußen. Doch nur ganz kurz warst Du fort von mir, wenige Minuten, dann kam Dein Papa schon wieder freudestrahlend mit Dir zurück. Endlich, endlich gab es dann den ersten Kuss auf Deine weichen, zarten Lippen – „The first of a million kisses“ dachte ich mir dabei und war einfach nur noch glücklich und eingelullt in Wonne und Liebe zu Dir. Nie werde ich vergessen, wie gut Du gerochen hast – und wie samtweich Deine Haut war.
Unten werkelten die Ärzte immer noch an mir herum, doch das war mir egal, ich nahm es kaum noch wahr. Ein wenig nervös wurde ich am Ende der OP als ich plötzlich bemerkte, dass die Spinalanästhesie nachließ und ich merkte, wie man mich vernähte. Doch ehe es richtig schlimm wurde, war ich auch schon fertig und wurde umgebettet. Ich bekam Dich sofort in den Arm gelegt und dufte Dich gleich anlegen. Meine Güte – wie gierig warst Du – hast sofort gewusst, was zu tun war, Dein kleines Mündchen war ganz schön fordernd!! Was haben wir über Dich gelacht!
Wir sprachen dann noch lange mit dem Oberarzt, der sich für Sein Verhalten vor der OP kleinlaut entschuldigte. Wie vermutet, hatte es Komplikationen ergeben. Der ganze Bauch war voller Verwachsungen vom ersten Kaiserschnitt und als man endlich die Gebärmutter erreicht hatte, war sie so dünn wie Pergamentpapier: „Eine ordentliche Wehe und die wäre gerissen“. Wir waren schockiert und noch heute denke ich oft daran, was wohl passiert wäre, wenn....
Eine Hebammenschülerin erzählte mir am Nachmittag etwas, was mich sehr rührte: Es war ihr erster Kaiserschnitt gewesen, bei dem sie dabei war und sie war ganz bewegt von diesem Erlebnis. Sie erzählte mir mit leuchtenden Augen, dass man minutenlang Deine schwarzen Härchen durch die Fruchtblase sehen konnte, ehe sie eröffnet wurde. Ich muss heute noch weinen bei der Vorstellung, dass es die letzten Sekunden waren, die uns ganz innig verbanden – ob Du wohl Angst hattest, als man so an mir herumruckelte und Dich irgendwann herauszerrte?
Den ersten Tag verbrachte ich im Kreissaal, es ging mir relativ gut, ich hatte zwar Schmerzen, doch die waren gut auszuhalten, so lange ich mich nicht bewegte. Du warst den ganzen Tag bei mir und es war so wunderschön, Dich in Ruhe kennen lernen zu dürfen. Im Kreissaal nebenan bekam eine Frau unter lautem Schreien ihr Kind, doch wir waren zu glücklich um davon groß Notiz zu nehmen. Um 17 Uhr bin ich das erste Mal aufgestanden – etwas wackelig zwar aber es ging.
Am nächsten Morgen konnte ich mich und Dich alleine versorgen – das Schlimmste war überstanden.
In Deiner Geburtsanzeige schrieben wir: „Für einen Moment hielt der Himmel den Atem an und ein neuer Stern erstrahlte.“
Diese Worte sind so zutreffend – Du bist unser kleiner, leuchtender Stern, der unser Leben mit Freude und Wärme bereichert.
Du bist einzigartig und ich liebe Dich mit all meinen Sinnen, jeden Tag, jede Minute und jede Sekunde Deines Lebens wird das so sein.
Deine Mama
6. Mai 2002
Meine liebe kleine Leonie,
es sind nun schon fast 10 Wochen her, seit Du geboren wurdest. Und erst heute schaffe ich es, Dir zu erzählen, wie es war, als Du am 25.Februar 2002 aus meinem Bauch herausgeholt wurdest.
Wenn ich ehrlich sein soll: Es war höchste Zeit – und das in vielerlei Hinsicht. Die letzten Wochen der Schwangerschaft waren sehr anstrengend für mich gewesen – seit Wochen hatte ich zunehmende Schmerzen im Bereich der alten Kaiserschnittnarbe und je größer Dein Köpfchen wurde, dass genau an dieser Stelle lag, desto hartnäckiger wurde dieses Stechen und Ziehen. Manchmal hatte ich das Gefühl, Du würdest Dich richtig in mich hineinbohren – v.a. nachts war es unerträglich, ich konnte mich am Schluss nicht mehr von einer Seite auf die andere Drehen ohne starke Schmerzen zu spüren.
Dann begannen 4 Wochen vor Deiner Geburt diese Schmerzen im Becken und im Rücken – ich hatte das Gefühl, als würde mein Becken auseinanderbrechen. Eine Woche lang konnte ich nicht mehr aufrecht gehen und konnte keinen Fuß mehr vor die Haustüre setzen. Ich habe oft stundenlang heulend im Bett verbracht, ich wollte nicht mehr schwanger sein, hatte das Gefühl, dass meine Beziehung zu Dir unter diesen Schmerzen litt und wir uns immer mehr entfremdeten – ich wollte Dich aus diesem Bauch bekommen – nicht, weil ich Deine Geburt herbeisehnte, sondern weil ich das Ende der Schmerzen herbeisehnte. Und dieser Umstand tat mir sehr weh und ich schämte mich innerlich für diese Gefühle.
Ich war zweimal im Krankenhaus, dort war man sehr zurückhaltend, ich hatte ständig das Gefühl, nicht so recht ernstgenommen zu werden. „Das sind die Mutterbänder, die sich dehnen“, sagte man gleichgültig. Die einzige, die wirklich erkannt, wie es mir ging war meine Hebamme und Freundin Andrea. Sie riet mir schließlich zu einem erneuten Kaiserschnitt – monatelang hatten wir uns mit der Frage, wie Du auf die Welt kommen solltest, herumgequält.
Ich war unendlich erleichtert, als endlich eine Etnscheidung getriffen war.
In der Klinik kam man diesem Wunsch nur ungern nach – Dein Papa und ich setzten uns schließlich durch und so bekamen wir einen Termin.
10 Tage vor Deinem Geburtstag hatte ich in der Nacht Wehen – ich wurde von einem rasenden Schmerz in meinem Unterbauch wach, der 2 Stunden lang andauerte. Ich war überwältigt von dieser Heftigkeit, denn so hatte ich die Wehenschmerzen nicht in Erinnerung. Es gab keine Pausen und der Schmerz fühlte sich an wie scharfe Messerstiche, die in meine Oberschenkel ausstrahlten. Als ich gerade beschlossen hatte, ins Krankenhaus zu fahren, hörte es schlagartig auf. Andrea stellte am nächsten Tag einen verstrichenen Muttermund fest und Dein Köpfchen war nun fest im Becken. Sie versicherte uns, dass wir niemals bis zum 25. Februar kommen würden.
Sie irrte sich. Wir kamen so weit und die letzten 2 Wochen ging es mir endlich wieder etwas besser. Trotzdem – ich strich jeden Tag auf dem Kalender ab, zählte am Schluss die Stunden....
Die Sehnsucht nach Dir kam wieder – ich begann von Dir zu träumen, konnte stundenlang die kleinen Sachen anschauen, die ich für Dich gewaschen und einsortiert hatte. Wie würdest Du wohl aussehen, kleine Tochter? Wie würdest Du riechen? Würde mir noch mal ein so unvergessliches Erlebnis wie bei der Geburt Deiner Schwester bevorstehen?
Am 24. Februar kam Deine Oma zu uns nach Würzburg – sie wollte die ganze Woche bei Alina bleiben, während ich mit Dir im Krankenhaus war. Wir verbachten einen lustigen Abend, ich war entspannt und guter Dinge. Ich freute mich wahnsinnig auf den nächsten Tag – ich war nicht nervös wegen der bevorstehenden OP, aber ich war nervös, weil ich Dich edlich kennelernen würde.
Ich schlief in dieser Nacht ruhig und fest – erst gegen 5 Uhr bin ich aufgewacht. Mein erster Gedanke galt Dir – ich lag eine ganze Weile ruhig im Bett und habe meine Hände auf meine Bauch gelegt. Du hast gestrampelt, Deine kleine Ferse kam ganz deutlich durch meine Bauchdecke. Ich wollte mir dieses Gefühl, wie es ist, ein Baby in seinem Bauch zu spüren, ganz genau einprägen, doch heute nach 10 Wochen fällt es mir schon wieder schwer mich daran zu erinnern. Es war ein wunderbares, unbeschreibliches Gefühl, Leben in sich zu spüren. Ich habe dann noch ein heißes Bad genommen und habe mich in Ruhe fertiggemacht, habe die letzten Sachen eingepackt, Deinen Papa geweckt. Das fiel mir am schwersten, dass er frühstücken durfte und ich nüchtern bleiben musste...
Um 7 Uhr mussten wir in der Klinik sein – als wir uns dort anmeldeten, wurde mir doch ein bisschen mulmig, doch Dein Papa war weitaus nervöser. Unruhig ist er im Gang auf und ab gegangen und schwor sich, dass Du sein letztes Baby sein würdest!
Dann ging es sofort in den Kreissaal – eine ältere Hebamme empfing uns und fing an, mich für die OP vorzubereiten. Erstmal noch eben ans CTG, Deine Herztöne waren ganz gleichmäßig und ruhig, dann bekam ich Infusionen und Zugänge gelegt, bekam meinen Katheter gesetzt – aua, das war das wirklich Unangenehme an der Sache. Ein sehr lieber und netter Anästhesist wich von da an nicht mehr von meiner Seite – ich war noch immer ruhig und trotzdem war es schön, einen so angenehmen Begleiter zu haben. Gegen 8 Uhr ließ sich der Oberarzt blicken – er war etwas mürrisch und fragte mich noch mal, ob ich wirklich diesen Kaiserschnitt wolle – ich wurde nun pampig und fragte ihn zurück, ob er sich einen anderen Grund vorstellen könne, warum ich hier vor ihm lag.
Dann ging es relativ schnell – ich kam auf den OP-Tisch, dort wurde mir die Spinalanästhesie gelegt. Davor hatte ich ziemlich Angst, doch ich spürte gar nichts davon. Mein toller Anästhesistenarzt hatte sie prima gelegt. Innerhalb von Sekunden bekam ich ein pelziges Gefühl in den Beinen, man legte mich zurück und ich bekam einen Sichtschutz. Seltsam – ich war immer noch sehr ruhig und gefasst, in mir drin stieg jedoch immer mehr dieses Gefühl hoch, das man von früher kennt, dieses „Ichfreumich aufWeihnachtenGefühl“ oder dieses „MorgengehnwirindenZirkusGefühl“, - eben diese Vorfreude auf etwas Wunderschönes, auf das man schon lange wartet.
Dein Papa saß neben meinem Kopf – die OP begann. Ich merkte, wie man an mir zu ruckeln begann – ein komisches Gefühl, schwer zu beschreiben. Man merkt, dass da unten etwas gemacht wird, aber man hat keine Schmerzen. Nach etwa 10 Minuten wurde mir plötzlich speiübel. Ich merkte, wie mir schlagartig schwarz vor Augen wurde, ich wollte etwas sagen, doch meine Lippen waren zu schwer, ich sah nur noch eine einzige verschwommene Fläche vor mir, ich bekam keine Luft mehr. Ich weiß nur noch, wie ich immer wieder dachte „Oh mein Gott, nun verpasse ich, wie sie mein kleines Mädchen rausholen, ich verpasse es, ich verpasse es...“
Doch der liebe Anästhesist hatte schnell bemerkt, dass mein Blutdruck auf einen Wert von 30 abgesackt war und hat mir sofort ein Kreislaufmittel gespritzt – in Sekundenschnelle war ich wieder da, erleichtert, dass alles wieder in Ordnung war. Doch trotzdem – irgendetwas stimmte nicht. Man stellte plötzlich Musik an, und es erschien mir, als wollte man, dass ich nicht hören konnte, was man vorne am OP-Tisch sprach. Es ruckelte immer noch da unten, solltest Du nicht längst da sein? Wir wurden beide nervös, hatten wir doch erlebt, wie schnell Deine Schwester damals auf der Welt kam. Ich fragte immer wieder nervös nach, doch man beruhigte mich, alles sei in o.k. Plötzlich kam mir der Gedanke, dass mit Dir etwas nicht in Ordnung sein könnte und dass man Dich vielleicht schon lange an mir vorbeigetragen hatte, ohne dass ich es bemerkt hätte. Ich fragte intensiver nach, Panik stieg in mir hoch, ständig sah ich auf diese Uhr über der OP-Türe.
Dann hörte ich es plötzlich, dieses bekannte Geräusch, das ich seit meinem Praktikum kannte, das kurze Knacksen, dann das Plätschern: Sie hatten die Fruchtblase eröffnet - nach über 30 Minuten, um 9 Uhr 1 dann plötzlich Dein erster Schrei – ein lauter, energischer Schrei, vielmehr ein Krähen, ein Verkünden und Jubilieren: „Ich bin da Mama, mach Dir keine Sorgen!“
Und ich jubilierte – eine Welle von Glück und Dankbarkeit steig in mir hoch, ein Gefühl von unendlicher Liebe und Wonne. Man hielt mir sofort Dein Köpfchen hin, ich konnte nur wenig von Dir sehn, nur ganz kurz berührte ich Deine weiche Wange, dann bist Du erst mal mit Deinem Papa und den Hebammen nach draußen. Doch nur ganz kurz warst Du fort von mir, wenige Minuten, dann kam Dein Papa schon wieder freudestrahlend mit Dir zurück. Endlich, endlich gab es dann den ersten Kuss auf Deine weichen, zarten Lippen – „The first of a million kisses“ dachte ich mir dabei und war einfach nur noch glücklich und eingelullt in Wonne und Liebe zu Dir. Nie werde ich vergessen, wie gut Du gerochen hast – und wie samtweich Deine Haut war.
Unten werkelten die Ärzte immer noch an mir herum, doch das war mir egal, ich nahm es kaum noch wahr. Ein wenig nervös wurde ich am Ende der OP als ich plötzlich bemerkte, dass die Spinalanästhesie nachließ und ich merkte, wie man mich vernähte. Doch ehe es richtig schlimm wurde, war ich auch schon fertig und wurde umgebettet. Ich bekam Dich sofort in den Arm gelegt und dufte Dich gleich anlegen. Meine Güte – wie gierig warst Du – hast sofort gewusst, was zu tun war, Dein kleines Mündchen war ganz schön fordernd!! Was haben wir über Dich gelacht!
Wir sprachen dann noch lange mit dem Oberarzt, der sich für Sein Verhalten vor der OP kleinlaut entschuldigte. Wie vermutet, hatte es Komplikationen ergeben. Der ganze Bauch war voller Verwachsungen vom ersten Kaiserschnitt und als man endlich die Gebärmutter erreicht hatte, war sie so dünn wie Pergamentpapier: „Eine ordentliche Wehe und die wäre gerissen“. Wir waren schockiert und noch heute denke ich oft daran, was wohl passiert wäre, wenn....
Eine Hebammenschülerin erzählte mir am Nachmittag etwas, was mich sehr rührte: Es war ihr erster Kaiserschnitt gewesen, bei dem sie dabei war und sie war ganz bewegt von diesem Erlebnis. Sie erzählte mir mit leuchtenden Augen, dass man minutenlang Deine schwarzen Härchen durch die Fruchtblase sehen konnte, ehe sie eröffnet wurde. Ich muss heute noch weinen bei der Vorstellung, dass es die letzten Sekunden waren, die uns ganz innig verbanden – ob Du wohl Angst hattest, als man so an mir herumruckelte und Dich irgendwann herauszerrte?
Den ersten Tag verbrachte ich im Kreissaal, es ging mir relativ gut, ich hatte zwar Schmerzen, doch die waren gut auszuhalten, so lange ich mich nicht bewegte. Du warst den ganzen Tag bei mir und es war so wunderschön, Dich in Ruhe kennen lernen zu dürfen. Im Kreissaal nebenan bekam eine Frau unter lautem Schreien ihr Kind, doch wir waren zu glücklich um davon groß Notiz zu nehmen. Um 17 Uhr bin ich das erste Mal aufgestanden – etwas wackelig zwar aber es ging.
Am nächsten Morgen konnte ich mich und Dich alleine versorgen – das Schlimmste war überstanden.
In Deiner Geburtsanzeige schrieben wir: „Für einen Moment hielt der Himmel den Atem an und ein neuer Stern erstrahlte.“
Diese Worte sind so zutreffend – Du bist unser kleiner, leuchtender Stern, der unser Leben mit Freude und Wärme bereichert.
Du bist einzigartig und ich liebe Dich mit all meinen Sinnen, jeden Tag, jede Minute und jede Sekunde Deines Lebens wird das so sein.
Deine Mama