Krankenhaus: Cassandra und Felicitas

Buchstabensalat

Lebenskünstlerin
Unsere *** war für den 15.12.01 ausgerechnet, aber Tage vorher hatte ich die Sache schon dicke. Immer dieser Riesenbauch (ich wog 20 Kilo mehr als sonst), Atemnot und überhaupt.
Eigentlich hatte ich mir eine Klinik in meinem alten Wohnort (ca. 30 Autominuten vom neuen entfernt) ausgesucht, mich angemeldet, meinen Wunsch nach PDA und einer Wassergeburt kundgetan. 30 Minuten Autofahrt sind ja bei durchschnittlich 8 bis 12 Stunden Wehen nicht die Welt. Die Tasche war auch schon lange gepackt, sogar ein Nabelschnurblut-Stammzellenkit hatten wir bestellt und in Händen. Alles war ja so perfekt, es mußte ja schiefgehen.
Nachdem ich am 11. abends etwas gespürt hatte, was ich für leichte Wehen hielt, mußte ich am nächsten Morgen erkennen, daß es wohl doch noch lange nicht so weit war. Und ich wollte wirklich nicht mehr, wie ich beim trauten Bettgeflüster am 13.12. nachts kurz nach 12 Uhr (also eigentlich schon am 14.) meinem Mann anvertraute.
"Dieser Bauch, ich kann mich nicht umdrehen, sie tritt, ich kann nicht atmen, und alles drückt..." jammerte ich. Er bedauerte mich gebührend, und schließlich wuchtete ich meinen Bauch auf die Seite und schlief ein...
um nach knapp einer Stunde aufzuwachen. Ich mußte dringend auf die Toilette. Kaum erledigt, ließ ich mich wieder ins Bett plumpsen. Nur, um nach knappen fünf Minuten wieder aufzuspringen. Mein einziger Gedanke war: "Ich muß auf die Toilette!!! Und wenn das Baby in die Schüssel fällt..." Und da kamen auch schon die ersten Blutstropfen.
Ich ließ den Gedanken an einen Toilettengang fallen, machte auf den Hacken kehrt und schaltete im Schlafzimmer das Licht an: "Tut mir leid, Schatz, ich habe Blutungen. Ruf bitte das Krankenhaus an, ich lege mich hin und mache keinen Schritt mehr."
Mein Schatz quälte sich hoch. Ein Blick auf die Uhr: Halb eins. Verwirrt fragte er mich, wo er denn jetzt anrufen solle, in der Nachbarstadt-Klinik? Nein, natürlich nicht, in diesem Fall logischerweise unser "eigenes" Krankenhaus.
Es dauerte kaum 15 Minuten, da standen zwei Sanis an meinem Bett. Fachkundige Betrachtung meines Radioweckers hatte mich inzwischen belehrt, daß ich im Minuten-Abstand starke Wehen hatte. Schlimm, ja, aber alles noch im grünen Bereich, wie ich den Sanis erklärte. Doch, ja, ich hielte es durchaus für Wehen. Auch, wenn es mein erstes Kind war. Ja, ich könne auch alleine die Treppe hinuntergehen, wenn sie noch warten könnten, bis diese Wehe vorbei war. Ja, die Treppe ist allerdings sehr eng, da kommt man mit der Trage nicht hoch.
Die Zeit reichte auch gerade dafür aus, die Treppe herabzuschlottern (in dem wunderbaren alten Schlafanzug meines Mannes, in den mein Bauch gerade noch so hineinpaßte) und sich unten auf die Trage zu legen. Schwupp, ging es in den Krankenwagen hinein und auf ins Krankenhaus. Kaum fünf Minuten dauerte die Fahrt, dann waren wir zumindest schon da, und man schob mich in einen CTG-Raum.
Nach fünf bis zehn Minuten, die man damit verbrachte, mich an das CTG anzuschließen, und festzustellen, daß mein Muttermund bereits 6, 7 cm geöffnet sei (und die ich dazu nutzte, mich in immer stärkeren Wehen zu winden), tauchte auch mein Mann auf. Von nun an sollte er eine gute Stunde meine einzige Stütze und mein einziger Trost sein.
Auf meinen verzweifelten Ruf, daß ich bitte eine PDA haben wolle, wurde mir nur kurz geantwortet: "Keine Zeit mehr dafür." Erst auf meine zweite Bitte hin gab mir eine Hebamme eine Spritze - Schmerzmittel? Viel zu spüren war nicht davon.
"Wir haben sehr viel zu tun", teilte man uns kurz angebunden mit - und tatsächlich, aus allen Richtungen schienen Schreie zu kommen - Schmerzschreie von werdenden Müttern, kurze Pause, dann das Geschrei von Neugeborenen. Für mich trotz allem irgendwie tröstlich - die hatten´s ja auch geschafft, warum also ich nicht? Acht Geburten hatten die zwei Hebammen und der diensthabende Arzt in den fünf Stunden dieser Nacht zum glücklichen Ende gebracht, erfuhren wir später.
Nun aber war es noch kurz nach zwei, eine Wehe jagte die andere im Minutentakt, ich wälzte mich vom Vierfüßer- in den Kniestand, mein Rücken jagte wilde Schmerzwellen zusätzlich durch meinen Körper, die Hebammen hatten mir verboten, zu pressen, und in all dem mein Mann, der hilflos, aber sehr hilfreich meine Hand hielt, mir gut zuredete, meinen Rücken streichelte und alleine mit seiner Angst fertig werden mußte, daß keine Fachleute anwesend waren.
Mir hingegen war alles egal. Von Wehe zu Wehe schwemmte es mich, und in den Tälern dazwischen lag ich erschöpft und unwillig, irgendetwas zur Kenntnis zu nehmen, das mich nicht gerade in die Nase biß.
Um drei Uhr endlich wurde es hektisch. Hebammen und Arzt stürzten herein und nahmen jetzt mich in Angriff. Wiederholt wurde mir klargemacht, ich solle mich auf die Seite legen - dabei tat gerade das so furchtbar weh.
"Für das Baby, für das Baby", lockte mich die Hebamme (waren es eine oder zwei? Ich habe nur noch bruchstückhafte Erinnerungen). Und wieder wälzte ich mich auf die Seite und versuchte, die Schmerzen zu ertragen.
"Pressen", forderte mich eine Stimme auf, und ich preßte.
"Aufhören", sagte jemand, und ich hörte auf.
"Wir öffnen jetzt die Fruchtblase" - und es wurde feucht unter mir.
Der Arzt schimpfte, er habe ja gar keinen Platz hier. Noch immer waren wir im CTG-Raum. Das müsse anders werden,und die Blutwerte seien schlecht, ab in den OP, und Glocke, oder Kaiserschnitt?
Dieses Wort belebte mich.
"Machen Sie jetzt einen Kaiserschnitt?" hoffte ich.
Bitte, gebt mir eine Teilnarkose, beendet meine Schmerzen und macht es mir einfach.
"Kommt darauf an", war die kurz angebundene Antwort.
Meine Liege setzte sich in Bewegung und rollte aus dem Zimmer.
"Sie müssen hier bleiben, sind nicht steril", wurde meinem Mann beschieden, und zurück blieb meine Stütze und meine Kraft.
"Können Sie sich alleine auf den OP-Tisch legen?" fragte mich eine Stimme.
Nein, und will ich auch gar nicht können.
Vier Paar Hände griffen mich und hoben mich hinüber. Links und rechts eine Beinstütze. "Katheter legen."
Man glaubt nicht, daß sich der Schmerz in solchen Momenten tatsächlich noch steigern läßt.
"DAS TUT WEEEH!" protestierte ich.
"Pressen!" befahl die Hebamme.
Ich preßte.
"Nochmal!"
Ich preßte.
Man schneidet mich, ich kann es sehen und hören! Danke, daß ich es nicht auch spüren kann!
"Noch einmal, dann ist es da!" schmeichelt die Hebamme.
Und wehe, du lügst mich an, du Hexe!!!
Mir klangen die Ohren, ich konnte meine eigenen Schreie nicht mehr hören. Schrie ich überhaupt noch, ich brauchte meinen ganzen Atem zum Pressen, rote Funken vor den Augen, und DRUCK! DRUCK! DRUCK! zwischen den Beinen.
Ich reiße, ich reiße, ich weiß es, das muß der Kopf sein - eine winzige Erleichterung, der Druck läßt etwas nach, die Schultern? - dann gleitet lang etwas aus mir heraus, und bevor ich noch realisieren kann, daß dies die Beine sein müssen - etwas liegt auf mir, meine Hände suchen es, fassen es, tasten einen Rücken, einen Kopf - meine Augen öffnen sich und sehen - Ein Wunder. Dies ist es? MEIN Kind?
Blaugraue Augen werfen mir einen undeutbaren Blick zu - dieser Mund! Diese Augen! Das ganze kleine Gesichtchen - mein Mann schaut mich an, mein Mann, nur unendlich feiner, zarter. ****. Da bist du ja.
Es ist 4.07 Uhr.
Keine Wassergeburt. Unangemeldet in einer Klinik, in der ich nicht sein wollte. Bei einem Arzt, der mir bei der Führung schon unsympathisch war. Der mir, während er einen langen Riß bis zum Muttermund hoch stichelt, vorwurfsvoll erklärt, wie eng es da zum Arbeiten sei (als wäre meine Vagina vornehmlich für Kunststickereien im Halbdunkel gedacht!). Mein Mann nicht bei mir, als mein Kind auf die Welt kommt. Mein Kind zu meinem Mann gebracht, und ich kann sein Gesicht nicht sehen, als er sie erblickt.
Ein Blutwert, der von gesunden 13 auf 8 abgefallen ist, und selbiger Arzt, der mir glücklich erklärt, SOOO viel Blut habe ich ja gar nicht verloren. Eine Narbe, die ich fünf Monate lang in den ungünstigsten Momenten (ja, genau DANN) spüre und die "dabei" reißt, bis meine Gynäkologin mir endlich Östrogensalbe verschreibt.
Ob ich noch ein zweites Kind will?
Aber klar!!!!
 
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Buchstabensalat

Lebenskünstlerin
***, unser Weihnachtsgeschenk.
Nachdem ich am 6.1.2003 (wieder) mit der Arbeit begonnen hatte, kam mir ein Verdacht, der sich wenige Tage später bestätigte. Wir hatten an Weihnachten noch einen Volltreffer gelandet, das Geschwisterchen für Cassandra war unterwegs. Noch wußte ich nicht, daß dieser Sommer einer der heißesten der letzten Jahre werden sollte, auch, wenn wir unter uns Freundinnen diskutierten, welche Zeit für die letzte Schwangerschaftsphase die beste oder schlechteste sei.
Nachdem mein Frauenarzt (ich hatte gewechselt, weil meine bisherige Frauenärztin unter anderem so ewig gebraucht hatte, mir was für meine Dammnarbe zu verschreiben) beim zweiten Termin plötzlich zwei Fruchtkörper gefunden hatte, mußten wir schon mit Zwillingen rechnen - aber diese Möglichkeit hatte sich beim nächsten Ultraschall sechs Wochen später (zu meiner Erleichterung? Enttäuschung? Ich bin mir noch heute nicht sicher) erledigt. Der 22.9.2003 wurde als Geburtstermin festgelegt.
Ich will die folgenden Wochen überspringen, obwohl mir diese Schwangerschaft (trotzdem ich nicht unter Erbrechen litt, wohl aber ständig unter latenter Übelkeit) noch sauerer wurde als die erste.
Der Hammer aber war natürlich der Juli/August. Ein Bauch, der zwar gottseidank lange nicht so dick war wie bei Cassandra (insgesamt nur 6 Kilo Zunahme) - dafür aber einen (un)geborenen Steptänzer im Bauch. Und heiß! HEISS! Kurzentschlossen nahm ich meinen gesamten Resturlaub und klatschte ihn dicht vor meinen Mutterschutz. Gute drei Wochen machte das aus, die ich dazu nutzte, vor mich hinzuschwitzen und immer wieder zu erklären, wie SATT ich das Ganze hätte.
Beim Mittagessen am 13.08.2003 schließlich erklärte ich mißmutig meinem Schwiegervater (der mit uns im Haus lebt): "Ich hab die Nase so gestrichen voll. Ich möchte gar nicht erst auf meinen Schwangerschaftskalender schauen, ich wette, wenn ich erst weiß, wann die 36. Woche ist, dann komm ich AUF DEN TAG genau nieder, so stinkt mir das alles."
Er nickte weise, und ich wälzte meine Massen die Treppe hoch, um mich in einen willkommenen Mittagsschlaf zu flüchten.
Der abrupt noch vor dem Weckerklingeln beendet war. Etwas - naja, jemand - hatte mich wüst in den Bauch getreten.
Müde schleppte ich mich hoch - es war kurz vor 15 Uhr. Eine Dusche, bitte - und während ich das belebende Wasser über mich laufen ließ, tat mein Bauch schon wieder weh. Seltsam, das. Für Tritte einfach zu regelmäßig. Aber Wehen? Tut irgendwie nur untenrum weh, die Wehen von Cassie hatten doch immer den gesamten Bauch erfaßt, nicht nur einen Teil...
Unschlüssig schlappte ich herum und zog mich an. Schließlich mußten SchwiVa und ich gleich los, Cassandra von der Tagesstätte abholen.
Kurzer Abstecher in seine Wohnung.
"Fahren wir?" fragt er mich.
"Ja", grummele ich, teile ihm meine Befindlichkeit mit.
Etwas ratlos schaut er mich an.
"Ja... sollen wir dann erst zum Krankenhaus fahren?"
"Weiß nicht. Ist doch noch viel zu früh", klage ich und gehe wieder in meine Wohnung, um mir telefonisch Hilfestellung bei meinem Mann zu holen.
Gerade den Abend vorher waren wir doch zusammen beim Geburtsvorbereitungskurs. Und da hat die Hebamme doch wieder gesagt, bei Verdacht auf Wehen sofort ins Krankenhaus. Zudem ist Mittwoch, Frauenarzt-Notdienst ist dann doch auch sinnlos...
Mein Mann hört sich meine Gedankengänge an. Aber auch er findet, ich solle wohl besser in die Klinik fahren.
"Ja, dann... komm doch bitte von der Arbeit zurück."
"Soll ich?"
"JA. Und mach schnell."
"Ach was. Selbst wenn, hab ich doch noch zwei Stunden Zeit", scherzt er, auf Cassies Geburt anspielend.
"Wenn die den Kreissaal freihaben, hast du keine zwei Stunden mehr", drohe ich. Es ist beschlossen.
Mein SchwiVa fährt mich zum Krankenhaus (immer noch keine 5 Minuten entfernt). Während ich neben ihm sitze und abwechselnd Anweisungen gebe ("Du holst dann gleich Cassie und kommst wieder her. Entweder kannst du mich dann wieder mitnehmen... oder besuchen."), auf die Uhr starre (Wehen alle drei, nein, jetzt zwei Minuten) und mit meinem Schicksal hadere ("Viel zu früh. Ach neee. Mensch, muss das denn sein..."), fährt er im Sonderschonweichspülgang auf den Parkplatz.
Entschlossen steuere ich auf den Haupteingang zu und melde mich beim Pförtner.
"34. Woche, Verdacht auf Wehen", keuche ich, und er weist mich sofort zum Kreissaal.
Während ich oben stehe und warte, daß auf mein Klingeln jemand öffnet, klingelt mein Handy. Mein Mann ist unterwegs, nimmt mir das Versprechen ab, zurückzurufen, sobald ich was Genaues weiß (und noch kann) und tröstet mich, ich bekäme ja sicherlich gleich erstmal Wehenhemmer.
Es empfängt mich eine nette Hebamme, legt mir die Hand auf den Bauch und diagnostiziert: Wehen. Ach, so ein Zufall, hatte ich auch schon vermutet.
Während ich den aus früheren Nächten vertrauten CTG-Raum begrüße und ängstlich plaudernd erzähle, daß ich ja trotz Entbindung hier noch nie im Kreisssaal war, untersucht sie mich. Dann lächelt sie und meint, jetzt würde ich den Kreisssaal ja kennenlernen.
"Ach", meine ich, "keine Wehenhemmer?"
"Nein", bescheidet sie mich, "nicht, wenn der Muttermund schon 7 cm weit offen ist."
Es ist 15:45 Uhr.
Au weh. Es steht also fest: Heute wird ein Geburtstag. Oh Männe, bitte bitte, beeil dich.
Es folgt das übliche Prozedere: Wehenschreiber, einmal Toilette, bitte, ja, T-Shirt will ich auch ausziehen (mir ist eh zu warm), ob ich auf dem Geburtshocker entbinden könnte..?
Nein, bei Frühchen verboten. Keine Wassergeburt, keine Hockergeburt - es ist egal, was ich mir aussuche, es klappt ja doch nicht.
Die Wehen werden (noch) stärker, man biegt mir das Bett so hin, daß ich auch dort fast hocke, ich darf noch nicht pressen.
"Wann denn?"
"Wenn der MuMund ganz verstrichen ist."
"Ach, dann tasten Sie doch noch mal, der ist bestimmt schon weg."
Nachsichtiges Lächeln seitens der Hebamme, hat sie doch eine Wehe vorher gerade getastet... aber es stimmt, nach der nächsten Wehe ist da kein Muttermund mehr.
Zwischendurch kommt mein "Lieblingsarzt" und macht noch schnell einen Ultraschall.
"Wissen Sie denn schon, was es wird?" fragt er mich.
"Nein. Wieso, sehen Sie es???"
"Ja."
"WAS WIRD ES, WAS, WAS?"
"Haben Sie denn schon einen Namen für Ihr Kind?"
ARG! Hat der Mann denn nie gehört, daß man Gebärende nicht ärgern soll? Mindestens eine Minute hält er mich mit den dämlichsten Fragen über Namen und Vorlieben hin, bis ich ihm klar sage: "Hören Sie endlich mit den Spielchen auf, was wird es????"
Ein Mädchen, mault er dann endlich. Mein Gott, noch ein bißchen länger, und ich hätte selbst nachsehen können. Glücklicherweise verzieht er sich, nachdem er andeutungsweise gemurmelt hat, das Kind sei ja gut entwickelt, da müsse evtl. gar keine Kinderklinik anschließen...
Es übernimmt eine sehr nette Ärztin.
Schließlich hastet auch mein Mann in den Kreisssaal. Er hat es noch geschafft, und ich nehmen seinen Auftritt als Anlaß, einfach klammheimlich zu pressen.
Von nun an wird meine Erinnerung äußerst lückenhaft. Mein Mann versichert mir, ich habe fast erfolgreich versucht, ihm seinen Daumen abzupressen, ich kann mich auch an eine Äußerung der Hebamme erinnern, ich sei morgen bestimmt heiser, mein Mann scherzt, was die Leute vor dem Haupteingang nun wohl denken - die Fenster sind offen, und der Kreisssaal liegt direkt darüber... mir alles egal, eine riesige Wassermelone bahnt sich ihren Weg durch mich hindurch. Als die Fruchtblase platzt, gibt es kurz Erleichterung, dann kommt die nächste Wehe, ich schreie nicht mehr, ich brauche alle Kraft, um zu schieben, zu schieben - "Bei der nächsten Wehe nicht pressen! Hecheln!" kommandiert die Hebamme, Frühchen müssen langsam kommen, schonend, also hechele ich, und dann -
Und dann ist sie da. Es ist fünf vor fünf. Liegt völlig blau auf dem Gebärbett und strampelt. Hebamme und Ärztin kümmern sich um sie, die Hebamme lockt: "Komm, schrei doch, schrei..." aber die Kleine fuchtelt nur.
"HABEN! BITTE!" jammere ich, zu deutlicherer Artikulation nicht fähig.
Aber es soll noch gute 10 Minuten dauern, bis ich sie kurz auf den Arm nehmen kann. Dann muß sie schon wieder ins Nebenzimmer, wo der Papa ihr Sauerstoff unter die Nase bläst.
Die Ärztin untersucht meine Plazenta. Ungewöhnlicherweise ist die Nabelschnur nicht mittig, sondern am vorderen Ende herausgewachsen, erklärt sie mir. Sie hebt die Eihülle an.
"Schauen Sie, der Riß. Ihr Kind ist ein Glückskind. Hier, die Blutgefäße..?"
Ich nicke. Gute zwei Fingerbreit vor den Adern, die in die Nabelschnur führen, hat der Riß gestoppt.
"Wenn das weitergerissen wäre, hätte ihr Kind verbluten können."
"Kann man nichts dagegen tun?"
"Na, erstmal muß man ja wissen, daß das Kind blutet..."
Das leuchtet mir ein. Steht ja kein Name dran. Glückliches kleines Mädchen...
Inzwischen näht man mich. Nicht nur geschnitten, auch der alte Riß ist wieder mitgerissen. Was solls. Meine Euphorie schlägt alle Rekorde, geschafft, mein Kind ist da. 2470 g, 47 cm, 33 cm Kopfumpfang. Wer wird da meckern.
Leider ist damit die Geschichte noch nicht zu Ende. Die Atmung wird nicht besser. *** muß doch noch in die Kinderklinik im Nachbarort. Als sie abgeholt wird, darf ich sie nochmal kurz in den Arm nehmen. Für die nächsten 5 Tage das letzte Mal...
aber das ist eine andere, mindestens genauso lange Story.

Gruß,
Buchstabensalat
 
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Helga

Frau G-Punkt
Zwei wunderschöne Berichte. Es hat wirklich Spass gemacht zu lesen !

BEkommen wir denn auch noch zu lesen, wie es mit Feli weiterging ?
 
S

ShaRi

Ich habe mich wirklich gut unterhalten. :bravo:

Du schreibst so toll, dass ich fast neben Dir gestanden habe, und mein Daumen hat auch etwas weh getan. :-D

Susi
 

Buchstabensalat

Lebenskünstlerin
Danke für die Komplimente, aber Fortsetzung erst, wenn meine Sehnenscheidenentzuündung inbeiden Händen wieder etwas abgeklungen ist... ;-)

Gruß,
Buchstabensalat
 

Alley

Miss Ellie
Super geschrieben!

Eine Bekannte hatte auch 2 schnelle Geburten (jeweils eine Stunde) bei dem 3. Kind dauerte es 9 Stunden und sie war danach sehr glücklich, da sie es mal richtig mitgeschnitten hatte.

LG
 
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