Joshuas aufregende Entbindung (lang!)

Jenni

Gehört zum Inventar
Endlich hab ich es geschafft, den Bericht fertig zu bekommen. Herausgekommen ist ein kleiner Roman :)

16:00

Ich habe Wehen, alle 2-3 Minuten mit starkem Druck nach unten. Allerdings von der Schmerzintensität sehr gut zu verkraften. Veratmen ist noch nicht nötig. Mit der Ahnung im Hinterkopf, daß es jetzt ernst wird, geh ich erstmal in Ruhe duschen, wer weiß, wann ich wieder Zeit dafür habe. Auch nach dem Duschen sind die Wehen noch vorhanden, teilweise hatte ich schon die Befürchtung, das Kind würde in der Dusche zur Welt kommen, so stark war der Druck nach unten! 8O

Nachdem ich meinen Mann darüber aufgeklärt habe, daß ich Wehen habe, schwirrt hier ein hysterischer Kerl durch die Gegend - heute ist sein erster Tag als Nichtraucher! :? Währenddessen versuche ich meine Mutter zu erreichen, die eigentlich auf Linus aufpassen soll, allerdings ist sie nicht erreichbar... Also Tanja anrufen. Sie ist auch prompt am Telefon und total aufgeregt, als sie hört, daß es jetzt losgeht. Wir vereinbaren, daß ich mich später nochmal melde, wann wir sie genau brauchen. Nachdem das geklärt ist, mache ich mich an die Kliniktasche, ein paar Sachen fehlen noch, Linus hilft mit Begeisterung.

17:00

Die Wehen kommen immernoch in kurzen Abständen, inzwischen auch schmerzhafter. Ralph ruft Tanja an, sie soll bitte gleich kommen, er möchte jetzt schon in die Klinik fahren. Tanja ist auch ein paar Minuten später hier, total aufgeregt und durch den Wind. Auf den ersten Schreck gibts für Mann und Babysitter erstmal einen Tequila - Nervenfutter :-D Bis dann alles geklärt ist, Linus Bescheid weiß und mit "Findet Nemo" erstmal beschäftigt ist, ist eine Stunde vergangen, die Wehen sind wieder schwächer geworden. Wir fahren trotzdem in die Klinik.

18:30

Vor dem Klinikeingang hatte ich eine relativ starke Wehe, aber kaum bin ich am CTG ist Ruhe eingekehrt. :nein: Eine halbe Stunde und drei halbherzige Wehen später werde ich von der diensthabenden Ärztin untersucht: Muttermund ist 2-3 cm geöffnet, Fruchtblase prall. Nach dem unauffälligen CTG hätte sie mich wieder heimgeschickt, da der Muttermund aber schon leicht geöffnet ist, bekomme ich ein Zimmer auf Station. Ich soll vor dem zu Bett gehen nochmal zum CTG kommen. Kaum sind wir auf dem Weg zum Auto, um meine Tasche zu holen, setzen wieder Wehen ein... Ralph fährt zum Schlafen nach Hause.

20:00

Ich habe mich in meinem 2-Bett Zimmer eingerichtet und schleiche Tee trinkend über die Flure. Die Wehen kommen jetzt wieder in Abständen von ca. 5 Minuten. Krankenhausflure sind ja so interessant :zeitung:

22:00

Auf dem Flur wird es zu langweilig, ich versuche mich mit meiner Bettnachbarin zu unterhalten, die leider nur Französisch spricht, was ich leider nur wenig verstehe und noch weniger spreche. Mit Händen, Füßen und einem Wörterbuch schaffen wir es dann doch noch.

22:30

Nochmal CTG, mal wieder nur wenige, leichte Wehen zu sehen. Die Hebamme meint, das wär wohl nur ein Fehlalarm, morgen könnte ich wieder heim.

23:00

Ich lese noch ein wenig und versuche dann zu schlafen. Inzwischen habe ich aber auch im Sitzen und Liegen Wehen - es geht also doch noch vorwärts.

01:00

Die Nachtschwester schaut rein. Da ich bisher wegen der Wehen nicht schlafen konnte, schickt sie mich nochmal zum CTG in den Kreißsaal "Gehen sie dort mal für Beschäftigung sorgen". Die Hebamme verdreht die Augen, als ich ihr den Kommentar der Nachtschwester ausrichte:-D Diesmal hab ich - oh Wunder - auch am CTG Wehen. Eine halbe Stunde später kommt eine nette Hebammenschülerin um mir das CTG abzunehmen. Die Hebamme beschließt, mich mit meinem Stations-Bett in einen Kreißsaal zu legen, damit ich noch ein wenig Schlaf finde.

01:45

Da bei dem vorherigen CTG die kindlichen Herztöne während der Wehen schon immer leicht abgesunken sind, wird nochmal ein CTG geschrieben. DiHebammenschülerin bleibt noch bei mir im Zimmer. Die erste Wehe ist erstaunlich heftig. Bei der 2. Wehe quillt irgendwas aus mir raus - die Fruchtblase? Gerade hatte ich die Hebammenschülerin noch gefragt, ob diesmal die Fruchtblase auch wieder gesprengt werden muss (bei Linus musste die Fruchtblase gesprengt werden, von alleine wollte sie nicht platzen), da merke ich auch schon, daß es nass wird, klatschnass... Ein Blasensprung im Bett ist schon eine tolle Sache! Aber wenigstens ist es nicht mein eigenes Bett :) Nachdem erstmal kein Fruchtwasser mehr kommt, kann ich meine nasse Hose ausziehen und bekomme eine Unterlage ins Bett, damit ich nicht in der Pfütze liege. Danach wird die Hebamme dazugerufen und der Kreißsaal mit Gebärwanne wird für mich vorbereitet.

02:30

Ich habe seit dem Blasensprung kräftige Wehen, die aber gut zu veratmen sind. Inzwischen sind wir in den anderen Kreißsaal umgezogen. Eine Untersuchung ergibt einen Muttermundsbefund von 5 cm. Ralph wird angerufen. Mit Schüttelfrost lieg ich im Bett, veratme meine Wehen und warte darauf, daß ich endlich in die warme Wanne kann. Kurze Zeit später ist es endlich soweit, herrlich warm und entspannend!

03:00

Ralph ist vor wenigen Minuten im Kreißsaal eingetroffen. Laut Prognose der Hebamme ist das Kind in spätestens einer Stunde da!

04:00

Von Kind noch keine Spur. Der Muttermund ist bis auf einen kleinen Saum komplett eröffnet, das Kerlchen könnte also kommen, allerdings werden die Wehen immer schwächer. Ich bekomme Globuli - Kalium und noch etwas anderes, um die Wehen zu verstärken. Keine Wirkung. :-?

04:30

Nachdem mehrere Stellungswechsel - hängend am Seil, stehend, an meinen Mann gelehnt - keine stärkeren Wehen gebracht haben und die Herztöne weiterhin während der Wehen runter gehen muß ich aus der Wanne raus und aufs Bett. Vierfüßlerstand bringt uns allerdings auch nicht weiter. Inzwischen habe ich keinen Druck mehr nach unten und die Wehen sind sehr unangenehm. Der Hauptschmerz sitzt im Unterbauch und ist richtig eklig. Eine Ärztin wird hinzu gerufen um am Köpfchen des Kindes Blut zu entnehmen, damit die Sauerstoffversorgung überprüft werden kann. Ich bekomme einen venösen Zugang gelegt und einen Wehenhemmer gespritzt, damit der Kleine sich ein paar Minuten erholen kann. Währenddessen versucht die Ärztin genug Blut für die Untersuchung zu bekommen - die Prozedur ist mehr als unangenehm, es dauert ewig und schmerzt.

Mir geht jegliches Zeitgefühl verloren. Ich will nicht mehr, habe keine Kraft mehr, in den Wehenpausen schlafe ich fast ein. Die erste Blutentnahme war nicht erfolgreich, die Ärztin startet zum zweiten Versuch, diesmal ohne Wehenhemmer. 8O Möglichst ruhig liegenbleiben während der Wehen ist fast unmöglich. Inzwischen sehne ich mich nach einem Kaiserschnitt, jammere und heule. Eine Untersuchung ergibt, daß das Köpfchen nicht richtig im Becken liegt, der Muttermund ist inzwischen wieder zurück auf 7 cm!!! :-x Die Wehen kommen in kurzen Abständen, sind nach wie vor extrem schmerzhaft und lassen sich nicht mehr veratmen. Ich winde mich hin und her, die Hebammenschülerin versucht mir Mut zuzusprechen. Das Thema Kaiserschnitt wird inzwischen auch von der Hebamme und der Ärztin angesprochen - von mir aus sofort!


Eine neue Wehe, ich soll hecheln, dann tief in den Bauch atmen, kann ich nicht, mein Bauch fühlt sich so verkrampft an. Die Ärztin kommt wieder, sie muß noch ein drittes Mal Blut abnehmen, bisher war es nie genug Blut. Mir kommt es vor, als würde es ewig dauern, bis sie endlich ihre Blutprobe hat.

In einem wachen Moment schaue ich auf die Uhr - es ist schon 5:30!

Der Oberarzt wird gerufen, er soll entscheiden, ob ein Kaiserschnitt gemacht wird oder nicht.

Ich bekomme nochmal einen Wehenhemmer gespritzt, um dem Kind die Möglichkeit zur Erholung zu geben. Ich atme auf, endlich keine Wehen mehr! Doch kaum habe ich den Gedanken zu Ende gedacht, kommt die nächste Wehe und mit ihr der Drang zu Pressen, ich presse was das Zeug hält. Die Hebamme ruft mir noch zu, ich solle nur pressen, wenn ich eine Wehe hab! Die gute Frau ist witzig, ich habe eine Dauerwehe! Die Ärztin setzt wohl schon an um einen Dammschnitt zu machen, ich höre noch meinen Mann, wie er sie darauf hinweist, daß ich keinen Dammschnitt möchte - das hab ich ihm monatelang eingetrichtert. Die Hebamme meldet sich auch noch zu Wort, mit ihr hatte ich abgesprochen, keinen Dammschnitt, lieber reißen lassen. Ich presse weiter und weiter, merke wie das Köpfchen tiefer tritt.

Der Oberarzt kommt dazu, trotz Presswehen kann ich mir ein inneres Grinsen nicht verkneifen - Ätsch, ich war schneller! Dann ist auch schon das Köpfchen geboren - Erstaunen bei den Hebammen, Joshua kommt mit dem Gesicht nach rechts gewandt (tiefe Querlage) - noch ein Schubs und das Kerlchen ist da. Es ist 05:49 Uhr. Endlich ist es geschafft - denke ich, da springt auch schon die Hebamme ans Telefon und ruft einen Kinderarzt. Joshua liegt leblos zwischen meinen Beinen. In sekundenschnelle wird er abgenabelt und zum Absaugen mitgenommen, nach einer Ewigkeit hören wir ein leises Weinen, er hört sich an wie eine Katze. Die Kinderärztin ist inzwischen auch da. Während Joshua versorgt wird kommt mit einer letzten Wehe die Plazenta, diesmal schaue ich sie mir an. Bei Linus wollte ich sie nicht sehen.

Danach untersucht mich die Hebamme auf evtl. Risse, findet aber nichts :bravo:

Joshua bekommt noch im Kreißsaal einen venösen Zugang gelegt, muß aber nicht beatmet werden und ist schon wieder relativ fit, er soll aber trotzdem zur Beobachtung auf die Intensiv. Ich darf ihn noch kurz in den Arm nehmen, dann nimmt ihn die Ärztin mit in die Kinderklinik. Mein Mann geht mit.

So hatte ich mir die Geburt nicht vorgestellt, eigentlich wollte ich jetzt mit Mann und Kind in Ruhe kuscheln und ausruhen. Jetzt liege ich alleine im Kreißsaal und mich zu erholen.

Inzwischen ist es 7 Uhr, mein Mann kommt von der Intensiv mit einem schlechten Bild von Joshua in der Hand (das Bild wurde versehentlich auf die falsche Seite des Fotopapiers gedruckt, dadurch verschwammen die Farben immer mehr). Ralph fährt dann nach Hause um sich um Linus zu kümmern, wieder liege ich alleine mit meinen Gedanken da. Kurze Zeit später bekomme ich mein Frühstück, ich habe zwar keine große Lust darauf, esse dann aber doch.

Ungeduldig sitze ich in meinem Bett und warte darauf, endlich auf Station gebracht zu werden, ich will zu Joshua!

Um 8:30 Uhr gehts los. Kaum zurück in meinem Zimmer spring ich erstmal unter die Dusche und schocke damit die Schwestern. Eigentlich hätte ich erst abends duschen dürfen und überhaupt wäre zuerst der begleitete Toilettengang an der Reihe gewesen... :rolleyes: In die Kinderklinik wollen sie mich auch erst mittags lassen, erst solle ich mich mal ausruhen. Um 10 Uhr hab ich dann aber durchgesetzt, daß mich eine Hebammenschülerin im Rollstuhl in die Kinderklinik fährt.

Da liegt der kleine Kerl, verkabelt von oben bis unten. Zusätzlich zu dem venösen Zugang wurde ihm noch eine Magensonde gelegt, Herzfrequenz und Sauerstoffsättigung werden ebenfalls kontrolliert. Erwartet hatte ich eigentlich ein schlafendes Kind, aber er liegt da und schaut mit großen Augen neugierig umher. Obwohl er so fit ist, darf ich ihn noch nicht anlegen, evtl. am nächsten Tag, schade! Nach einer Stunde, die wie im Flug verging, fährt mich die Hebammenschülerin zurück auf mein Zimmer.

Gegen 15 Uhr kamen dann Ralph und Linus, gemeinsam starten wir zur Intensivstation - Linus darf sogar mit rein! Ich kann kurz mit dem behandelnden Arzt sprechen: Joshua geht es nach anfänglichen Problemen inzwischen wieder sehr gut, wenn ich möchte, darf ich ihn jetzt auch anlegen, evtl. kann er schon am nächsten Tag zu mir auf die Station verlegt werden. 5 Minuten später hab ich Kind + Kabelsalat im Arm und starte den ersten Stillversuch. Joshua saugt gleich kräftig und wir genießen beide die Nähe.

Abends gehe ich nochmal zum Anlegen auf die Intensiv und vereinbare, daß ich auch nachts gerufen werde, wenn Joshua aufwacht um ihn anlegen zu können. Um 1 Uhr nachts trabe ich wieder durch die langen Flure zur Kinderklinik, das nächste Mal um 4 Uhr. Die Magensonde hat er sich kurz zuvor selbst gezogen, da er sehr gut trinkt, wird auch keine neue mehr gelegt. Bei meinem nächsten Besuch um 9 Uhr ist er auch den venösen Zugang los und das Schönste: Er darf die Intensiv verlassen und kommt noch heute zu mir auf die Station.

Am 12.01. kann ich Joshua mit 30 Stunden Verspätung endlich ungestört und kabellos in den Arm nehmen! :herz:

Mein Mann war übrigens nur 24 Stunden Nichtraucher... :nein:
 
Zuletzt bearbeitet:
S

Salome

AW: Joshuas aufregende Entbindung (lang!)

Sehr guter und witziger Bericht! :prima:
Bin froh das du alles überstanden hast! :muh:

Herzlichen Glückwunsch zum Sohnemann! :prost:

LG

Salome
 
N

Natalia

AW: Joshuas aufregende Entbindung (lang!)

Von mir auch einen herzlichen Glückwunsch! Echt ein toller Bericht, liest sich wirklich wie ein Roman, nicht weil er lang, sondern weil er so spannend ist.
Als ich schwanger war, hatten wir 3 Namen, zwischen denen wir uns ewig nicht entscheiden konnten (wirklich entschieden hat dann der Anesthesist, der mir die PDA gelegt hat und den ich aufgefordert habe, für mich zu entscheiden). Und zwar: Linus, Joshua und Maxim. Eigentlich waren wir uns fast sicher, daß er Linus heißen würde, aber dann wurde doch ein Maxim drauß (dank dem Anesthesisten). Ich fand es sehr witzig, daß Deine Kleinen so heißen, da scheinen wir den gleichen Geschmack zu haben. Wie findest Du denn den Namen Maxim, auch gut?
Ich wünsche Dir noch viel, viel Spaß mit Deinem Neuen Menschen.

Liebe Grüße, Natascha
 

ConnyP

Die Harmlose
AW: Joshuas aufregende Entbindung (lang!)

Boah, das klingt wirklich aufregend!!

Nochmal nHerzlichen Glückwunsch nachträglich!:farben:
 

novembersteffi

Ohne Titel glücklich
AW: Joshuas aufregende Entbindung (lang!)

Wie schön und ausführlich Du das geschrieben hast!!!
Ich kann mir die Geburt richtig gut vorstellen.

Lg
Stefani
 
C

casy

AW: Joshuas aufregende Entbindung (lang!)

:prima: und so super geschrieben konnte gar net aufhören

:winke: sabine
 
L

Lillian

AW: Joshuas aufregende Entbindung (lang!)

Wirklich spannend zu lesen. Aber erleichternd, dass ihr es so gut überstanden habt :prima:

Mein Mann war übrigens nur 24 Stunden Nichtraucher...
verständlich :(
 
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