Blasensprung, Einleitung, PDA für die Liebe meines Lebens

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annapenelope

In den letzten Tagen vor deiner Geburt hab ich mit allen Mitteln versucht, dich endlich zum Kommen zu überreden. Ich hab dir erzählt, was wir alles machen werden und wie schön es auf der Welt ist. Ich wollte dich nicht mehr als Untermieter haben, das hast du dann auch eingesehen und dich zwei Wochen vor Termin auf den Weg gemacht.

Ich konnte ja nicht mehr schlafen. Es war die Nacht von ersten auf zweiten Jänner. Silvester hatten wir bei Freunden verbracht. Gegen drei Uhr früh waren wir zu Hause und ich hab vielleicht drei Stunden geschlafen. Wir haben den ganzen Tag gefaulenzt und Fernsehen geschaut. Am nächsten Tag – Freitag, sollte ich mit Luc die Wohnung putzen. Am Abend lag ich im Bett, drehte mich von einer Seite auf die andere, der Rücken tat weh, die Beine kribbelten, und ich überlegte, wie wenig Spaß es mir machen würde, das Klo, Bad und die Wohnung zu putzen. Bügeln musste ich auch noch. Darum stand ich gegen 12 wieder auf und legte los. Ich faltete deine Kleidung noch mal. Ich bügelte die kleinen Strampler und überprüfte die Kliniktasche. Ich schrubbte in Klo und Bad auf Knien den Boden und räumte die Schränke aus, um sie zu putzen. Um vier in der Früh war ich mit meiner Arbeit fertig und ich legte mich noch einmal hin. Gerade war ich gut eingeschlafen, da merkte ich im Traum, dass meine Beine nass waren. Ich stand auf und dachte: „Mein Gott, jetzt bin ich auch noch inkontinent! Das ist ja der Gipfel!“ und lief schnell ins Bad. Auf dem Weg dorthin tröpfelte ich den Boden an. Ich setzte wohl auch Wassser ab, aber irgendwie war es so anders als sonst. Es musste Fruchtwasser sein.

Im ersten Moment war ich panisch – jetzt schon! Und auf der anderen Seite dachte ich mir, wie gut es sei, dass du endlich kommst. Eigentlich wollte ich Luc nicht aufwecken, aber er wurde von selber wach und ich erzählte ihm, was los war. Er richtete mir das Bett her und wir legten uns noch kurz hin. Dann dachte ich, dass ich etwas tun müsse. Ich schaute im Internet, was bei einer geplatzten Fruchtblase zu tun sei, und dort stand, ich müsse sofort liegend ins Krankenhaus! Panik! Dann rief ich im Krankenhaus an, wo man mir das Gleiche sagte. Nun, so eilig nahmen wir es dann auch nicht, Luc duschte noch, ich packte die Tasche fertig.
Mit dem Taxi fuhren wir fort, es schneite und wir kamen langsam voran.
Im Krankenhaus begrüßte uns Astrid, die sehr sympathische junge Hebamme. Sie gab mir gleich ein grässliches Nachthemd und einen Schlüpfer mit Einlage. Wir waren im Wehenzimmer, Luc holte sich Frühstück, ich war zu aufgeregt um etwas zu essen.
Um sieben waren wir angekommen, aber Wehenmäßig lief nichts. Gegen neun war Visite, der Muttermund war noch völlig geschlossen. Der Arzt riet mir, Prostaglandin legen zu lassen. Ich bekam Angst. Ich wollte so gerne, dass mein Körper selber Wehen entwickeln durfte! Außerdem wurde ich um 11 an die Infusion gehängt, es bestand nämlich für dich durch den Wasserabgang Gefahr einer Infektion. Das war Teil eins der Medikation, unendliche sollte folgen (ich glaube, in diesen 36 Stunden hab ich so viel Medikamente bekommen, wie zuvor in den 23 Jahren meines Lebens nicht).
Durch den blöden Venenweg konnte ich mich nicht mehr aufstützen oder vernünftig liegen, weil er dauernd drückte und das blieb all die Zeit über so.
Nach der Hiobsbotschaft des Doktors rief ich Mama an, die gerade im Auto mit meiner Schwester fuhr. Diese merkte wohl, wie dringend es war und trotz Handyverbot beim Autofahren redete ich mit Mama an. Auch das wollte ich eigentlich vermeiden. Ich wollte erst nach der Geburt anrufen und allen die frohe Botschaft überbringen. Aber es lief eben anders. Mama meinte, ich solle mir ruhig das Zapferl geben lassen. Gut, das tat ich. Um 12 gab es Mittagessen, ich hab es zu mir genommen und es war gut. Luc ging fort und holte sich Pizza. Den ganzen Nachmittag über passierte nichts, um fünf kam das zweite Zapferl. Astrid zündete die Duftlampe an, es roch nach Nelken und Zimt. Die ganze Zeit über hoffte ich, dass nicht eine zweite Frau ins Zimmer käme. Am Abend kam dann Regina die Hebamme. Sie war sehr nett und ich fühlte mich sicher. Mama, Papa und meine Schwester schauten auch vorbei. Sie kümmerten sich um Luc, Mama schaute meine Energiebahnen an, sie meinte, die wären wunderbar. Mama gab mir die Köhlmeier CDs, ich hörte mir später eine so halb an.
Luc fuhr heim um etwas zu essen, die Wäsche aufzuhängen und zu duschen. Ich wollte unbedingt, dass er wieder käme.
Während dieser Zeit machte mir Regina einen Einlauf. Langsam fingen die Wehen an, aber sie waren noch sehr leicht. Der Muttermund war immer noch zu, der Gebärmutterhals war immerhin verstrichen. Der Einlauf war ein sehr eigenartiges Gefühl. Nachdem der wieder seinen Weg raus gefunden hatte, nahm ich das Handy und begab mich ins Treppenhaus, wo ich 20 min auf und ab ging und mit meiner Cousine telefonierte.
Luc kam wieder (er wollte eigentlich nicht), und die Wehen gingen los. An Schlaf war nicht mehr zu denken, es war gegen 11h Nachts.

Die ganze Nacht hindurch hatte ich Wehen, etwas alle fünf Minuten eine Minute lang. Eine Zeit lang ging ich spazieren vor dem Kreisssaal, später, als ich einfach zu müde wurde, legte ich mich wieder zu Luc, der total fertig war. Er tat die ganze Nacht über kein Auge zu.
Regina schloss mich ans CTG an, all die Zeit hörten wir dein Herz schlagen (dieses Geräusch werde ich wohl immer mit dieser Zeit verbinden). Dein Herz war kräftig.
Die Zeit bis neun Uhr ist mir entfallen. Wahrscheinlich hab ich zum Frühstück ein wenig gegessen. Bei der Visite das unglaublich zerschlagende Ergebnis zwei cm Öffnung, und dafür hatte ich mich die Nacht über geplagt!
Um Neun kam ich an den Wehentropf. Um 11 in die Wanne. Mittlerweile war alles so schlimm, dass ich auf nichts mehr reagierte. Regina wollte, dass ich in der Wanne das Kreuz rund mache, und ich war doch über den Auftrieb so froh! Im Wasser gefiel es mir nicht, ich konnte mich schlecht entspannen, weil ich nichts Festes hatte. Mir war viel zu heiß. Gegen den Schmerz half nur mehr lautes Schreien. Je schlimmer es wurde, desto lauter schrie ich. Mitgehen war unmöglich, dazu reichte meine Kraft nicht mehr. Während den kurzen Pausen nickte ich ein, um dann wieder vom Schmerz geweckt zu werden. Die guten Bilder von der gebärenden Hindugöttin oder vom schnell fließenden Bach mit blumenbestandendem Ufer waren weg. Ich konnte nicht glauben, dass du noch kommen würdest. Es gab nur mehr den Schmerz, dem ich nur durch Anschreien beikommen konnte. In meiner Vorstellung war er ein Monster, das ich vertreiben konnte durch Lärm.
Ich schrie nach der PDA. Ich wollte es alleine schaffen, aber ich wusste, ich war zu müde dazu. Regina gab meiner Bitte endlich nach, als um elf der Muttermund bei 6 cm war. Ich konnte nur an meine Mama denken, die gesagt hatte, dass es erst ab 7 cm "lustig" würde. Daran war nicht mehr zu denken.
Die Visite des Doktors erlebte ich nicht wirklich, er sprach mit mir und wollte wohl auch, dass ich reagierte, aber ich konnte nicht aufnehmen, was er sagte.
Um 12 h setzten sie mir endlich die Spritze. Ich wusste zwar, dass es nicht gut für dich war, aber ich konnte nicht anders.

Immer wieder hatten Leute angerufen, um zu fragen wie es denn stünde. Meine Eltern zum Beispiel hörten mich lauthals schreien. Mir war alles egal. Es wäre mich egal gewesen, wenn ich nackt in einem Vorlesungssaal gelegen wäre, ich hätte es doch nicht mitbekommen.

Gegen halb drei wachte ich auf. Ich sah Marianne, die Taghebamme über mir. An meinem rechten Arm tröpfelten zwei Infusionen in mich, am linken eine und am Rücken das Schmerzmittel. Ich war vollkommen zugedröhnt. Da merkte ich, dass dein Kopf nach unten schob. Ich äußerte meinen Verdacht und Regina bestätigte, dass der Muttermund jetzt 10 cm sei.
Luc war heim gefahren. Regina rief ihn an, etwa um drei war er da. Es verlief alles ganz ruhig. In meiner Erinnerung fing ich gegen vier an zu pressen, obwohl ich keine Lust spürte. Ich merkte, dass du von selber raus drangst und dachte, ich würde nun ein wenig helfen wollen. Das ist ja oft das Problem bei der PDA, dass die Leute dann nicht selber pressen wollen. Jedenfalls setzte Regina ganz gemein auch das Schmerzmittel aus und du kamst endlich um 17.07 h mit der Nabelschnur um den Kopf und ganz lila. Regina hatte sich schon Sorgen um dich gemacht, schon Stunden vorher war den CTG schlecht geworden (ich hatte natürlich nichts bemerkt. Mama fürchtete sogar, dass ich einen Kaiserschnitt nötig hätte).
Da lagst du nun auf meinem Bauch und schriest deinen ganzen Ärger und deine Furcht heraus. Du warst so wunderschön und sahst aus wie ich auf den Babyfotos. Ich war voller Zärtlichkeit für dich und sang dir zwei Lieder vor. Du hast mir so leid getan und ich war so froh über dich. Aber da war noch die Plazenta zu gebären und ich dachte nur: „ICH WILL NICHT MEHR!“. Immerhin ging die schnell ab.
Luc nabelte dich ab, das hab ich nicht mitbekommen. Ich wurde von der Ärztin genäht, weil ich gerissen war (die Ärztin wurde dazu geholt von Regina und drückte auch auf meinen Bauch, damit es schneller ging. Regina wollte während dem Pressen, dass ich meine Beine halte und den Rücken krumm mache, aber die Beine waren so schwer! Sie waren ja taub vom Schmerzmittel und ich konnte sie nicht allein halten).
Mama und Papa und meine Schwester kamen. Luc machte ein Video und du wurdest angezogen. Du hast ständig ein wenig geschrien, es muss wohl ein großer Schock für dich gewesen sein.
Ich hab dich auch gestillt, wann, weiß ich nicht mehr, nur dass ich über deine Saugkraft gestaunt habe. Dein winziger Kopf passte locker in meine Hand.
Ich hab ein wenig gegessen, etwas Salat. Dann wollte ich aufstehen, und aufs Klo gehen. Regina und noch jemand gingen mit. Ich bin kollabiert. Dann bin ich aufgewacht und auf dem Bett gelegen, Astrid war über mir (ihr Nachtdienst hatte gerade begonnen). Sie sah dich und du warst so schön. Aber niemand wollte den Sekt von Mama wirklich trinken, war auch in Ordnung.
Luc war so müde und ich auch.
Ich beschloss, dich über Nacht im Kinderzimmer zu lassen, weil ich musste endlich schlafen!
Das ging nicht gut und ich war froh, dass die Schwester dich um fünf brachte.

Luc war sehr tapfer und du auch. Es ging alles so langsam voran, es war so schwer für uns alle. Du hast nicht sehr gut mitgearbeitet, weil du die Nabelschnur nicht fester ziehen wolltest.
Nach der Geburt haben wir dich in dein rotes Tuch gelegt. Die ganze Zeit über warst du in dem Tuch. Du warst so wunderschön und das ändert sich auch nicht mehr.
Ich liebe dich so sehr. Du bist die Liebe meines Lebens. Ich bin so dankbar.
 

Brini

ohne Ende verliebt
Das hast du wunderschön geschrieben. Da haben wir ja ziemlich ähnliches durchgemacht, an vielen Stellen sah ich mich selbst total fertig mit Wehen liegen.

Liebe Grüsse Sabrina
 
A

annapenelope

Danke für deine nette Antwort. Unglaublich, wie gegenwärtig das Geburtserlebnis bleibt, findest du nicht auch?

LG,

Anna
 

Alina

Selfie Queen
Das hast du wunderschön geschrieben mir standen Tränen in den Augen weil meine Geburt auch sehr lang gedauert hat. Und ich bei dir richtig mitfühlen konnte. :jaja:

lg Alina
 
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