Wie lernt man verzeihen

Schäfchen

Copilotin
Rachel, ich versuch mal aus meiner Erfahrung zu sprechen ...

Verzeihen kann man nicht lernen. Es ist ein Gefühl. Manchmal hilft ein Gespräch. Bei mir hat es damals nichts gebracht. Es hat alles schlimmer gemacht, weil meine Eltern einfach nicht einsehen wollten, dass vielleicht beide Seiten was falsch gemacht haben. Nein, ICH war schuld. ICH war undankbar und verlogen und überhaupt so ganz und gar furchtbar.

Ich hab das damals so hinnehmen müssen. Es blieb mir keine Wahl. Mein Vater starb, eine Aussöhnung hat nie stattgefunden. Plötzlich tat das ungeklärte wieder weh, raubte mir zeitweise jegliche Konzentration. Immer und immer wieder litt ich darunter. Meine Mutter ging nach dem Unfall meines Vaters auf mich zu, nachdem ich den ersten Schritt tat und zur Beerdigung da war. Es wurde nie wieder über Vergangenes gesprochen. Die Vergangenheit kann man nicht ändern, aber in der Gegenwart kann man neu anfangen und in die Zukunft schauen.

Irgendwann nach der Geburt von Ariane bekam ich den Ruck. Ich vergrub symbolisch einen Stein am Grab meines Vaters. Das Symbol für die Vergangenheit, für den Stein, der auf meinem Herzen lastete. Ich verzieh. Heute gehts mir besser. Über Vergangenheit haben meine Mutter und ich nie mehr geradet. Wir haben uns sanft angenähert und einfach ein neues Verhältnis aufgebaut. Heute ist sie die, auf die ich mich in der schlimmsten Zeit mit Fabienne stützen konnte.
 

Corinna

Forenomi
Hallo Rachel!

Andrea (Schäfchen) hat es wohl am Treffendsten ausgedrückt, meiner Meinung nach...

Aber mir ist noch etwas eingefallen beim Lesen:

Ich weiß noch, wie sehr ich mich immer angestrengt habe, um mal ein Lob von meinem Vater zu erhalten...
Sein Zuspruch war mir immer am Wichtigsten, vielleicht weil er so überaus sparsam damit umging.

Ich habe stets nach Bestätigung gesucht von meinem Vater.
Dies besserte sich erst, als ich wegen Sebastian damals die Gespräche bekam... :oops: Da ging es dann nämlich plötzlich mehr um mich und nicht mehr um Sebi´s Probleme... Die lösten sich aber irgendwie trotzdem nach und nach auf...

Was ich sagen will:
Ich habe losgelassen, mich von einem Gedanken "verabschiedet" und konnte nach Vorne schauen und es "anders" machen.
Ich habe meinen Vater dann hier und da einfach mal darauf hingewiesen, daß doch JETZT mal ein Lob drin wäre und nachdem er erst mal etwas verstört geschaut hat, kam es dann auch!

Bedingt durch unseren Umzug lese ich mit den Kindern gerade "Auf der Suche nach den Regenbogentränen" von Jorgos Canacakis und diese Buch behandelt so ziemlich alles zum Thema Abschied und Trennung (Trauer).
Es ist wunderschön geschrieben, einfach zu lesen und gibt einem selbst die Möglichkeit, mit gewissen Sachen in seinem Leben "abzuschließen"!

Vielleicht wäre das ja was für dich?

:bussi:
 
5

5MädelHaus

Hallo Zusammen!

Danke für Eure Antworten, Ihr habt recht, es lässt sich nicht mehr ändern.

Ich glaube es kommt mir auch deswegen immer wieder hoch derzeit, weil meine um 10 Jahre jüngere Schwester derzeit dieselben Probleme mit meinem Vater hat, wie ich damals kurz bevor ich ausgezogen bin (ich war allerdings erst 18 ), und ich noch die einzige bin, mit welcher aus der Familie sie nicht verstritten ist. Sie erzählt mir viel, und es wühlt bei mir viel auf, und ich frage mich dann ob mein Vater eigentlich nichts gelernt hat, und seine Fehler wiederholt.

Danke fürs Lesen.

Liebe Grüsse

Rachel
 
5

5MädelHaus

@ Corinna und Schäfchen, noch eine Frage ? war Euer Vater auch so cholerisch ? hat er Euch auch Dinge vorgeworfen, die er selbst getan hat ? (das schlimmste für mich war als ich meiner Nachbarin meine angekauten Finger zeigen musste, dabei hat er selber auch Nägel gekaut. Oder als er dem Besuch mein Chaos im Zimmer gezeigt hat, damit ich lerne ordentlich zu sein, dabei war ER der grösste Chaot den ist gibt).

Das ist eben heute noch so. Wenn er hier auf Besuch ist, dann kritisiert er das was ich tue - tut es aber selber auch, genauso! und wenn mich wehre, fängt er an mich anzubrüllen, und ich bin 34 Jahre alt! ich halte dann meine "Klappe", denn ich bin mir nicht sicher - wenn ich seine Augen anschaue - ob er mir nicht heute noch eine Ohrfeige geben würde.

Wir hatten in letzter Zeit wieder öfters miteinander "zu tun", und es tut mir alles andere als gut. Am liebsten würde ich den Kontakt abbrechen, habe mich aber noch nicht getraut dieses Schritt zu gehen.

Liebe Grüsse

Rachel
 

Corinna

Forenomi
5MädelHaus hat gesagt.:
Wir hatten in letzter Zeit wieder öfters miteinander "zu tun", und es tut mir alles andere als gut. Am liebsten würde ich den Kontakt abbrechen, habe mich aber noch nicht getraut dieses Schritt zu gehen.

Liebe Grüsse

Rachel

Nein, Rachel, so war mein Vater nicht!
Zwar "laut" hier und da, aber nicht so "boshaft"... Tschuldige, ein anderes Wort fällt mir dafür nicht ein!

Geh diesen Schritt!
Sag ihm klipp und klar, daß du 34 Jahre alt bist und eine Familie hast und er dir nichts mehr zu sagen hat!
Mach ihn darauf aufmerksam, daß du ihm auch heute noch zutraust zuzuschlagen, und daß er sich besser "am Riemen reißen" sollte, weil es heutzutage für dich die Möglichkeit gäbe Anzeige gegen ihn zu erstatten!

Gib ihm zu verstehen, daß du keinen Wert darauf legst dein Leben mit einem Menschen zu teilen, der ständig versucht dich in Gegenwart deiner Kinder "klein" zu machen und er sich in Zukunft 10 mal überlegen soll, wie er mit dir spricht, weil es DEINE Wohnung ist, in der er sich so aufführt und daß diese Wohnung eine Tür hat, die du ihm weist, wenn er noch ein einziges Mal die Stimme gegen dich erheben sollte!

Rückendeckung von deinem Mann in dem Punkt wäre vielleicht nicht das Schlechteste??? ...

:tröst:

Nein, mein Vater war ein "komischer Kauz" in vielerlei Hinsicht!
Aber er war trotzdem ein guter Vater und ich habe noch früh genug gelernt, mit ihm "umzugehen" bevor er starb... GsD!

:tröst:

Lies das Buch trotzdem, es wird dir bestimmt helfen!
Weil: Eine "Trennung" bzw. ein "Abschied" muß sowieso her...
Auch wenn du jetzt meinst, daß du es nicht schaffen könntest!

:winke:
 
5

5MädelHaus

Corinna hat gesagt.:
Auch wenn du jetzt meinst, daß du es nicht schaffen könntest!

Ich denke schon dass ich es schaffen kann: Die Grunde warum ich mich nicht getraut habe, sind andere. Und zwar würde meine Mutter sehr leiden. Sie hasst Streit auch wenn sie es nicht direkt betrifft. Sie leidet schon sehr über die Trennung meiner Schwester und meines Vaters. Nicht zuletzt, sitzt mein Vater in einer Lebenskrise, und sulht sich *sorry* in der Opferrolle. Wenn sich alle abwenden, denke ich wäre er imstande sich selber was anzutun (hat er bereits angedroht).

Andererseits weiss ich nicht ob ich ihm nicht dankbar sein soll, weil er mich kürzlich mit meiner Halbschwester bekannt gemacht hat. Schon als Kind, war das mein "Traum" sie mal kennenzulernen. Mit 33 Jahren ist das dann geschehen. Da spielt er übrigens der tolle Vater vor, und wenn meine Halbschwester und ich das Thema "vater" anschneiden, muss ich immer der Diskussion ausweichen, weil ich ihn nicht schlecht machen will.

Dass ich keinen Lob und keine Annerkennung bekommen hab, damit kann ich noch gut leben. Dass ich aber ständig kritisiert wurde, egal was ich tat, egal wie gut meine Leistung war (das war wichtig), die Konsequenzen werde ich mir erst langsam bewusst.

Liebe Grüsse

Rachel
 

Schäfchen

Copilotin
Rachel, mein Vater war immer der "von mir aus" Typ. Entscheidungen fällte meist meine Mutter. Fragte ich ihn was, gabs das "von mir aus". Er war also in meinen Augen eher gleichgültig. Wenn meine Mutter eine Entscheidung traf - von Taschengeld nicht verdient bis Hausarrest, dann gab es keinen Widerspruch. Ich glaub, sie hatte die Hosen an und er wars zufrieden.
 
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