Um 7:30 Uhr heute morgen

Buchstabensalat

Lebenskünstlerin
weckt mich mein Mann mit den Worten: "Die Kleine sagt, sie ist auch krank."
"Joa," sag ich, "wundert mich nicht - die hat schon gestern geröhrt wie eine leere Gießkanne. Soll zuhause bleiben."
Und während ich meine Augenlider aufstemme, frage ich noch freundlich nach: "Aber das hättest du doch auch selbst entscheiden können, oder?"

Jedenfalls beginnt mein Tag damit, zwei kranke Kinder zu versorgen:
mit Frühstücksbroten,
mit Hustentee,
mit einem frisch ausgekochten Inhalationsgerät, damit das Husten nicht so weh tut,
mit Fieberthermometern, weil die Mädels so verdächtig warm sind (38,6° und 36,8° Grad, und ich wette, die haben sich abgesprochen),
mit 5 ml Ibuprofen,
und dann mit NOCH einem Frühstücksbrot und einem Glas Wasser und einem Platz auf dem Sofa.
Wo sie sich auch ganz wohl fühlen soweit.

Inzwischen frühstücke auch ich, decke den Tisch ab, ziehe mich an, verwerfe den Plan, mit Männe meinen Kilometer Schwimmen abzuziehen, weil der sich auch ganz schwach fühlt, bespasse die bastelwütigen Kinder, bastele etwas mit, lege Wäsche, bitte den Opa, uns ein glückliches, dafür aber totes Huhn vom Nebenanbauern mitzubringen, bespreche mit dem schwächelnden Ehegatten seinen Blitzeinkauf im Supermarkt - er bringt ein totes, möglicherweise unglückliches Huhn mit, weil der Opa keines erwerben konnte. Die toten, aber glücklichen Hühner werden nämlich nur mit Zertifikat und Voranmeldung verkauft - also, das Zertifikat muss der Käufer bringen, den Tod meldet das Huhn vorher an - oder war's andersrum?
Egal.

Jedenfalls fällt mir um halb Zehn wieder ein, dass ich heute ja einen Termin beim Zahnarzt habe.

Und der mir zwei Backenzähne zieht.
Versteht mich nicht falsch, ich bin total für das Ziehen, die Schmerzen der entzündeten toten Nerven gehen mir derweil tierisch auf den selbigen, dauert ja schon Mo-na-te an, aber es wäre mir halt erheblich lieber, wenn der Herr Doktor das ohne meine körperliche Anwesenheit erledigen könnte.
Kann er nur leider nicht.
Mist.

Also komme ich mit dicker Backe am frühen Nachmittag wieder zuhause an, fürsorglich gefahren vom ehegattesten aller Zeiten, die Kinder wurden vom Opa bespeist, nein, bekocht, und dann kommt eine Freundin noch vorbei, die von meinem Elend weiß, also so richtig weiß, weil sie mal Zahnarzthelferin war, und bringt eine wundervolle rosa Philadelphiatorte mit - Tröstetorte steht in Sahne oben drauf.

Ab jetzt *könnte* der Tag so richtig gut werden. Auf dem Herd köchelt eine Hühnersuppe, das ist ja in allen Lebenslagen eh das allerbeste Essen, besonders bei Erkältungen, grippalen Infekten und gezogenen Zähnen.

Die Große bekommt einen Anruf der Schulfreundin, und Männe dirigiert sie herum, damit sie dann alles für morgen und die Schule hat.
Freundin und ich gucken uns an und kichern uns einen, denn die Große hatte morgens Ibuprofen intus, ob die überhaupt schon fieberfrei ist, muss sich noch zeigen, der Nachmittag bestand sowieso meist aus Fernsehen, also überhaupt kein Grund, mit Fieber zu schwächeln.
Tatsächlich werden die Augen der Großen auch mit zunehmend später Stunde immer glänzender, aber sie hält heldenhaft aus, geht ja auch nicht, dass der Fernseher *jetzt* auf einmal ausgeschaltet wird, wo gerade die Mittlere aus der Schule kommt und sich auch noch ein, zwei Sendungen gönnt. Übrigens eine Mittlere mit verdächtig roten Bäckchen und äußerst warmem Wesen.

Die Freundin geht, das Abendbrot kommt, ich decke den Tisch mit Männe und der letzten aufrechten Tochter, es gibt - tadaaa - Hühnersuppe frisch vom Tisch. Beim Abschmecken verbrenne ich mir auch prompt die Schnütt, das Zeug hat genau EIN Fettauge oben drauf, so groß wie der ganze Topf - und so heiß ist es auch.
Die Kleine, immer noch fieber- und auch weitgehend hustenfrei, wird an den Tisch beordert, die zunehmend leidende Große bekommt ihre Suppe frei Sofa geliefert. So sitzen wir traulich vor unserem Essen, ich mit Rücken zum Sofa, Männe mit Blick dahin - und so ist auch er es, der die Große ermahnt: "Setz dich bitte richtig hin."
Mindestens zweimal.
Dann ertönt er schon, der Schrei: "Auuuu, mein Arm!"
Große hat, frag nicht wie, den Ärmel voll Suppe, ist aber geistesgegenwärtig genug, ihn sich vom Leib zu halten, die Suppe balanciert auf ihrem Schoß, der Schoß auf dem Sofa - dem roten Pseudovelourledersofa, welches erst vor wenigen Monaten wieder in die schonbezugslose Freiheit entlassen wurde, weil nämlich erstens der Schonbezug nach gut 6 Jahren durchgewetzt und zweitens die Kinder ja schon groß sind - ich rufe nach einem Kühlpack und entblättere gleichzeitig die Große. Rette die Suppenschüssel vom Deckbett, bevor die noch mehr Suppe verliert, kühle den Arm - und frage mich, wieso zum Geier jetzt die Große rot besprenkelt ausschaut?

Eine große rote Blase unter ihrer Nase gibt mir die Antwort. Blips, macht die, formt sich zu einem litergroßen Tropfen und folgt der Schwerkraft. Auf das rote Pseudoledersofa, welches erst vor wenigen Monaten... AAARG!
Ich klatsche der Großen das Kühlpack vom wenig lädierten Arm direkt in den Nacken, greife mit der dritten Hand nach einem Taschentuch und mit der vierten die zehn Meter rüber zur Spüle, um mir ein feuchtes Tuch zu holen, mit dem ich die Blutflecken aus dem Sofa weiche.
Die Große zittert derweil halbnackt herum (Kühlpack im Nacken, wir erinnern uns) und versucht, nicht mehr zu bluten.
Klappt nur leider nicht.
Ich bin mit Wischen erfolgreich und nötige sie jetzt, sich hinzulegen (das gesamte Programm, halt), was sie aber wiederum verweigert, weil ihr das gesamte Blut den Hals runterläuft - innen. Wenn ich ihr Gurgeln richtig interpretiere.

Ab mit dem Kind ins Bad, da kann sie ungestört ins Waschbecken tropfen. "Kühlpack!" rufe ich erneut, und die Kleine flitzt sofort bei Fuß - klar, die will Logenplatz beim jetzt folgenden Spektakel. Leider greift Männe sie ab und schickt sie an den Tisch.
Die Große tropft immer noch im Sekundentakt ins Waschbecken, hat sich selbst das Pack in den Nacken gelegt - geschickterweise auf die Haare.
Ich korrigiere das dezent und unter ihrem Protestgeschrei, und dann fordere ich sie auf, sich die Nase zuzuhalten, was sie aus unerfindlichen Gründen nicht kann oder will. Also übernehme ich auch das, und dann setzen wir uns gemeinsam aufs Klo, sie oben, ich unten, weil sie inzwischen, wie sie sagt, auch "ganz schwach auf den Beinen" ist.

Im Wohnzimmer diskutiert die Mittlere mit dem Papa, ob es gerecht ist, wenn SIE nicht ins Bad gehen und gucken darf.

Gefühlte Stunden später nehme ich vorsichtig den Lappen von der Nase meiner Großen - und es folgt endlich nichts mehr nach. Ist doch was. Stufe Zwei kann also beginnen: richte das Bett - denn das Sofa ist ja ziemlich feucht.
Erster Teilschritt: nimm die Bettdecke vom Sofa und lege sie auf das Kinderbett. Erledigt, allerdings ergibt sich daraus gleich Teilschritt X: sauge sämtlichen Reis und alle Möhrenscheiben, die aus der Decke gefallen sind, vom Teppich. Hinten anstellen, bitte.
Als nächstes die Große aus dem Bad und in einen neuen Schlafanzug expedieren. Klappt ganz gut, bis auf dass der Papa die Hälfte des neuen Schlafanzugs fälschlich als "schmutzige Wäsche" deklariert und an den richtigen Platz befördert hat. Himmel, sonst lässt er sich doch auch Zeit mit dem Aufräumen.
Jetzt Kind ins Bett legen und zudecken. Moment, nasser Fleck auf dem Deckbett? ARGL. Ja, klar, wieso soll sonst Reis auf der Decke liegen. Suppe übergekippt!
Neue Decke geholt. Kind steht aus unbekannten Gründen aus dem Bett auf - ARGL Nummer Zwei: Decke lag mit feuchtem Fleck auf dem Laken. Wer keine Arbeit hat... holt sich nen Laken.
Aber immerhin. SCHON um 19:15 Uhr liegt die Große im sauber bezogenen Bett, völlig fertig und fiebrig und fast schlafend.
Ich habe den Teppich gesaugt und ein Handtuch auf das Sofa gelegt.
Und die zwei anderen Mädels sind geschniegelt und gestriegelt und sitzen neben mir.
Jetzt muß ich nur bis zum Ende von Logo warten, dann können sie ins Bett.
Apropos Logo, wieso hab ich das ungute Gefühl, dass die neulich beim Beitrag über Hunger in Afrika und alternative Anbaumethoden ausgerechnet das Bild einer Haschischplantage eingeblendet haben?

Die Mittlere macht sich noch zwei Wärmekissen. Dabei ist sie mir schon warm genug.
Die Kleine hustet wie ein Wasserrohr. Immerhin kann ich sie überlisten - den Hustenstiller hat sie ahnungslos genommen, und gegen das Spucken und Würgen gibt's auch noch ein Glas Wasser.

Und dann fällt es mir wieder ein, das alte Sprichwort aus dem Thüringischen:
"Lieber Gott, laß Abend werden.
Morgen wird es schon von alleine..."

Salat
 

Anthea

die-mit-dem-Buch-wandert
AW: Um 7:30 Uhr heute morgen

Du bekommst von mir ganz viele :troest: und einen Orden für deine Geduld und deinen Galgenhumor. Und deinen Mädels gute Besserung (vorsorglich dir auch, du bist doch garantiert danach dran :troest: ).

Liebe Grüße,
Karin
 

Casi

Quak das Fröschlein
AW: Um 7:30 Uhr heute morgen

Knuddelgrüße für Dich und Heilepuster für deine Mädels!

Und für mich ein gelungener Abschied des Tages - ich muss jetzt kichern und lachen :mrgreen:
 

Tiffi76

Dauerschnullerer
AW: Um 7:30 Uhr heute morgen

Salat - Du solltest Bücher schreiben!
Herrlich herrlich zu lesen, ich kicher mir grad einen ab....
aber Heilepuster gibts natürlich auch ;-)
 

Schäfchen

Copilotin
AW: Um 7:30 Uhr heute morgen

Salat, du hast mein vollstes Mitleid. Sag, haben sich die Mädels abgesprochen? Hat deine zufällig mit meiner telefoniert?

fragt
das Schäfchen
- gestern mit Nasenblut tropfender Tochter am Abend -
 
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