AW: Triple P / Dreikurs und andere Erziehungsstile - das Für und Wider
Also ich finde dieses Thema sehr interessant.
Ich kenne Dreikurs, sein Buch steht neben anderen Erziehungsberatern im Regal. Triple P kenne ich bisher nur über Zeitungsberichte und von der Super Nanny hab ich immer mal wieder Ausschnitte gesehen. Ich finde auch, dass diese 3 Konzepte einander sehr ähnlich sind. Sie vermitteln in gewisser Weise den Autoritativen Erziehungsstil, bei dem die Eltern viel Wärme ihren Kindern gegenüber zeigen, sie Akzeptieren und respektvoll behandeln, aber gleichzeitig auch Grenzen setzen, deren Einhaltung sie konsistent überwachen und mit Konsequenz "bestrafen", wenn eine Regel nicht eingehalten wird.
Grundsätzlich sind derartige Erziehungsmethoden bestimmt besser als autoritäre Erziehung oder permissive. Und die Methode der Auszeit ist ganz klar besser als körperliche Züchtigung. Aber ich finde es dennoch nicht ideal.
1.Geht schon allein der Begriff Erziehung davon aus, dass man Kinder irgendwie ändern muss, weil sie so wie sie sind anscheinend nicht gesellschaftsfähig sind.
Auch Dreikurs sieht Kinder irgendwie als kleine "Feinde", zumindest hatte ich so den Eindruck. Und die Supernanny tätigt Aussprüche zu den Müttern wie "Es wird ein harter Kampf, aber da musst du jetzt durch". Diese Einstellung finde ich etwas fragwürdig.
2. Finde ich diese Time Outs schlecht, weil sie genausowenig Bezug zum "Fehlverhalten" der Kinder haben, wie eine körperliche Strafe. Das Kind wird dadurch nur "klassisch Konditioniert", wie man es auch mit Hunden in einer Hundeschule macht. Auf unerwünschtes Verhalten folgt nach einer Verwarnung eine Auszeit. Solange bis die Kinder unerwünschtes Verhalten möglichst nach der ersten Verwarnung sein lassen, damit sie kein Time Out bekommen.
3. Finde ich Erziehungskonzepte ansich schlecht, weil sie einen ganz entscheidenden Haken haben: Sie übersehen allesamt, das Kinder individuell sind. Das sie sich schon im Mutterleib in ihrem Temperament voneinander unterscheiden und das ihre genetischen Anlagen sicherlich mindestens 50% ihrer späteren Persönlichkeit ausmachen werden und damit ganz entscheidend auch ihr Verhalten bestimmen.
Dreikurs, Triple P, Die Supernanny, alle scheren Kinder über einen Kamm. Für jedes Kind, egal welchen Charakter es haben mag, gibt es nur einige wenige Erziehunsrezepte, die dann vielleicht zufällig auf das eigene Kind passen, vielleicht aber auch total verkehrt sind.
Gerade bei den Folgen der Supernanny sieht man eigentlich immer wieder Familien, die in sich schon irgendwie gestört sind. Wo das Verhältnis zwischenn Vater und Mutter nicht passt, wo die Mutter in ihrer Rolle als Hausfrau unglücklich ist und bestimmt noch andere unterschwellige Probleme brodeln. Dieses Negative Familienklima wirkt sich klar auf die Kinder aus, aber um eine wirkliche Veränderung zu erzielen, müsste man schon nach den Ursachen forschen. Stattdessen, schiebt man den Kindern irgendwie die Schuld in die Schuhe. Man erklärt sich das negative Familienklima durch die Wutausbrüche des Kindes. Die Kinder selber werden als schlimm und famielienzerstörend dargestellt, dabei ist ihr Verhalten wahrscheinlich nur Ausdruck ihrer inneren Unzufriedenheit. Denn kein Kind ist grundlos destruktiv und "böse". (Aber das gehört eigentlich zum zweiten Thread zur Super Nanny)
4. Speziell zu Dreikurs. Hier wird immer wieder propagiert, dass Kinder durch negative Verhaltensweisen nur die Aufmerksamkeit der Eltern auf sich lenken wollen. Nun hab ich mich die ganze Zeit, in der ich das Buch gelesen hab, immer wieder gefragt, was denn so schlecht daran ist, wenn Kinder ihre Eltern auf sich aufmerksam machen wollen.
Letzthin, beim lesen von Smart Love, bin ich auf eine ganz andere Sichtweise dieser Aufmerksamkeit gestoßen. Zumindest bei den kleineren Kids sollte man den Autoren nach, diese Aufmerksamkeit unbedingt geben und wenn man wirklich grad keine Zeit hat, die Kinder freundlich auf später vertrösten und sein Versprechen unbedingt einhalten. Nach Smart Love ist dieses kämpfen nach elterlicher Aufmerksamkeit, ein Ausdruck der kindlichen "Allmachtsphantasie", das Kind ist quasi von natur aus der Ansicht, dass es für die Eltern an erster Stelle steht. Ihm in diesem Gefühl zu Bestätigen, ist ganz entscheidend für seine Lebenszufriedenheit und sein Selbstwertgefühl und ganz klar auch fürs Urvertrauen.
5. Jesper Juul vertritt in seinen Büchern eine ganz andere Ansicht. Anders, als alles was ich bis jetzt gelesen hab. Seiner Meinung nach, ist das Verhalten der Kinder in gewisser Weise ein Spiegel der Eltern.
Juul glaubt, dass Kinder das Verhalten von Eltern die irgendwie nicht im Einklang mit sich selbst sind, entweder kopieren oder spiegeln. D.h. wenn eine Mutter z.B. unzufrieden mit ihrer Situation ist und diese Unzufriedenheit und ihre Wut unterdrückt (und gerade der heutigen Elterngeneration wurde es anerzogen, dass man Wut unterdrücken muss), dann kann sich das Kind genauso wie die Mutter verhalten und wird damit insichgekehrt und unglücklich. Oder es verhält sich eben genau gegenteilig und kehrt all seine Wut nach aussen und wird aggressiv. Welches der beiden Varianten das Kind wählt, hängt von seinem Temperament ab.
Im ersten Fall wird man meistens nicht so schnell auf ein Problem in der Familie aufmerksam, weil die insichgekehrten Kids, in unserer Gesellschaft als brav und guterzogen gelten. Sie passen sich an und fallen so garnicht auf.
6. Im allgemeinen finde ich diese Aufrufe, wie "Wir müssen wieder strenger mit unseren Kindern werden" und "Schluß mit der Spaßpädagogik" schlecht, weil es nicht für alle Familien gilt. Es gibt durchaus Eltern, die ohnehin schon zu streng mit ihren Kindern sind und gerade die fühlen sich so bestätigt.
So, ich könnte noch ewig so dahin schreiben, werd aber jetzt mal Schluß machen.
lg, Johanna