Sagen Se mal, Frau Herman...

Buchstabensalat

Lebenskünstlerin
tut das nicht weh, mit dem Popo so voll in die Nesseln?
Oder macht die Aussicht auf Rekordverkäufe Ihres zukünftigen Bestsellers jetzt schon alles wett?

Ich mein, klar, bessere Werbung für sein Buch kann man sich kaum wünschen. Wenn das sogar mich Kaum-Fernsehzuschauerin und seltenst-Gelegenheit-habende-Radiohörerin erreicht, daß Sie die (deutschen, aber eigentlich ja alle) Karrierefrauen "eitel und selbstgefällig" nennen. Wahrscheinlich sind das ja nur die von der PR-Agentur herausgepickten Schlagwörter, aber immerhin haben Sie damit fast eine Stunde Programm der Lokalradios gefüllt.

Wer also berufstätig ist und sich gegen Kinder entscheidet, den finden Sie - naaa, nehmen wir mal das bravere Wort egozentrisch. Ich-bedacht. Allerdings nur die Frauen. Das haben Sie sicherlich aber nicht der Praktikantin gesagt, die "jeden Morgen ein halbes Jahr lang mit derselben wunderbaren Laune in den Sender kommt", oder der Karla Schefter, die seit "12 Jahren ein Krankenhaus in Afghanistan leitet und im Dienste der Menschheit steht". Quelle: Offizielle E. H.-Seite, "Profil"

Frau Herman, Sie haben bislang nur ein Kind, und - wenn Sie entschuldigen - bei ihrem Alter und Ihrer beruflichen Einspannung gehe ich mal davon aus, daß es dabei bleibt. Ihre persönliche Vita (Wikipedia: Eva Herman) weist Sie eher als eine Vertreterin nicht der "neuen Weiblichkeit" nach Herman, sondern der "emanzipierten Frau" nach Schwarzer aus.

Wie soll ich also Ihr Handeln und Ihre Worte in Einklang bringen? Gut, möglicherweise ist es ja gar nicht schlecht, egozentrisch zu sein, wenn man es auf dieser Welt zu etwas bringen möchte (karrieretechnisch). Offenbar kann es einen auch nicht dauerhaft vom Kinderbekommen abhalten, und wenn man - wie bei Ihnen mit einigem Recht vermutet werden darf - die ausreichenden Mittel hat, Kinderbetreuung zu finanzieren, dürfte es nicht mal bleibende Schäden beim Nachwuchs hinterlassen.
Außerdem - lernen wir nicht ständig, daß die komplette Aufopferung für die eigene Brut dem Nachwuchs beim Erwerb sozialer Kompetenzen eher hinderlich ist? Nicht, daß wir da eine ganze weitere Generation selbstgefälliger, eitler Singles heranziehen.

Frau Herman, wäre es nicht um die reißerische Aufmachung Ihres Buches, ich würde Ihnen voll und ganz recht geben. Die momentane emanzipatorische Lage der Nation ist desolat. Oder ganz profan: so wie es ist, isses Scheiße.

In einer Gesellschaft, in der sich jede Frau
- im Laufe jedes Bewerbungsgespräches die Frage (verblümt oder unverblümt) gefallen lassen muß, wie denn ihre Familienplanung aussieht,
- eine eventuelle Berufstätigkeit nur mit einem Eiertanz bei der Kinderbetreuung ausüben kann
- sich während der äußerst anstrengenden Elternzeit von ehemaligen Kollegen um 9 Uhr morgens (und nach einer höchstwahrscheinlich gestörten Nachtruhe) die Frage gefallen lassen muß: "Na, ausgeschlafen?",
- genau überlegt, ob sie den -zigsten garantierten Kinderkrankentag nimmt oder doch lieber ihren Urlaub dafür einsetzt, weil der Chef von Einsparungsmaßnahmen redet,
- sich von Medien wie der Bildzeitung pauschal als "faul" titulieren lassen muß, weil sie im statistischen internationalen Mittel gute 20 Minuten weniger IM HAUSHALT arbeitet,
- sich als Vollzeitmutter von den Teil- und Vollzeitkarrieremüttern anhören darf, wie guuuut sie es doch hat,
- sie intern als "unverläßlich" gilt, nachdem der Kindergarten zum zweiten Mal angerufen hat, weil eines der Kinder WindpockenLäuseScharlachPest hat,
in so einer Gesellschaft *kann* es nicht verwundern, wenn viele Frauen sagen, sie haben keine Lust auf den ewigen schwarzen Peter und auf Kinder verzichten.

Noch immer kann sich eine Frau nur aussuchen, ob sie als karrieregeil bezeichnet werden möchte oder als faules Hausmütterchen, intellektuell leicht zurückgeblieben, oder vielleicht als Nicht-Fisch-Noch-Fleisch, beruflich nicht flexibel und unzuverlässig, als Mutter zwangsläufig überfordert und gestreßt. Vielen Dank, daß auch Sie das ungeheure Potential dieses Konfliktes erkannt haben.

Aber, Frau Herman, glauben Sie denn, daß Ihre Lösung der Frau als Weibchen, die, Kinder und Küche hütend, von einem (finanziell) starken Partner verwöhnt und auf Händen getragen werdend, in diesem Leben und dieser Gesellschaft durchsetzbar ist? Einer Gesellschaft, in der Massenentlassungen an der Tagesordnung sind? Wo Gewinnmaximierung bedeutet, immer mehr Arbeit auf immer weniger Leute zu verteilen, weil das die Lohnnebenkosten drückt? Wo Familien zwingend auf zwei Verdiener angewiesen sind und das Geld trotzdem kaum reicht, weil der Zweitverdienst meist durch die Kosten der öffentlichen Kinderbetreuung aufgefressen wird, aber trotzdem nur so ein finanzielles Sicherheitsnetz vorhanden ist, sollte der Hauptverdiener (männlicher Kasus nicht zufällig) durch Arbeitslosigkeit ausfallen?

Frau Herman, schämen Sie sich nicht, daß Ihre PR-Agentur mit solch plumpen Parolen die möglichen Verkaufszahlen Ihres Buches hochtreiben möchte?
Ich zitiere hier mal ein Gegengewicht:
Weder in der Karriere noch in der Küche ist die Frau voll handlungsfähig. [...] Wegen fehlender Bemutterung werden bei fast der Hälfte aller Kinder in Deutschland in vorschulischen Untersuchungen deutliche Defizite wie motorische oder sprachliche Störungen festgestellt. [...]
Die Frauen, die vor knapp einem halben Jahrhundert entschlossen und hoffnungsvoll dem Ruf der Emanzen und Feministinnen auf dem Weg nach weiblichem Erfolg folgten, sind im beruflichen Kampf gegen die Männer am Ende ihrer Kräfte und Ressourcen angelangt
Sie sind ausgelaugt, müde und haben wegen ihrer permanenten Überforderung nicht selten suizidale Fantasien. [...]
Seit einigen Jahrzehnten verstoßen [...] Frauen zunehmend gegen jene Gesetze, die das Überleben [der] menschlichen Spezies einst gesichert haben.
So genannte Vorzeigefrauen sollten sich auf den Prüfstand stellen und sich fragen lassen, welche Ziele sie eigentlich leiten. [...]
Frauen sind dem Wahn verfallen, [sich] beweisen zu müssen, dass [sie] zu allem fähig sind. [...]
Die Frauen werden von materiellem Druck zum Geldverdienen getrieben und vergeuden dabei ihre „wunderbaren Kräfte. Wer einmal den Wert häuslichen Friedens in Harmonie und Wärme kennen lernen durfte, einen Ort, der Sicherheit, Glück und Seelenfrieden gibt, weiß, wovon die Rede ist. [...]
Es ist selbstverständlich, dass Frauen etwas lernen, dass sie sich weiterbilden und Aufgaben auch außerhalb der Familie übernehmen, wenn sie das Talent dafür haben. Doch all das sollte in Maßen geschehen.

Klingt das nicht viel versöhnlicher, Frau Herman? Nicht so Schwarz-Weiß-kontrastierend wie der Schlachtruf "Karrierefrauen sind eitel und erfolgsgeil"? Können sich Frauen wie wir, die die Werbung eigentlich ironisierend, aber ungewollt treffend als "Managerinnen von kleinen, erfolgreichen Familienunternehmen" bezeichnet, Frauen, die voll berufstätig sind in der Sparte "Mutter", nicht mit diesen Worten sehr viel einfacher identifizieren?

Das haben Sie geschrieben, Frau Herman. Das sind Ihre Worte. Und es sind verdammt viele mehr als diese billigen "eitel"-und-"selbstgefällig"-Parolen, die unter Ihrem Namen geschwenkt werden.

Wollen Sie das nicht ändern?

Freundliche Grüße,
Ihr Buchstabensalat
 

Corinna

Forenomi
AW: Sagen Se mal, Frau Herman...

An deiner Stelle würde ich DAS an eine Zeitung schicken!

Ich wäre wirklich gespannt darauf, was du zur Antwort bekämst! ....
 

Nian

Dauerschnullerer
AW: Sagen Se mal, Frau Herman...

Das würde mich auch interessieren ,so einen "Offenen Brief" gibts doch noch oder??
 

Regina

Gehört zum Inventar
AW: Sagen Se mal, Frau Herman...

:bravo: :bravo: :bravo: :bravo: :bravo: :bravo:

Wunderbar, Frau Salat!!

Und jetzt ab zur nächsten Zeitung und drucken lassen!!

:bravo: :bravo: :bravo: :bravo: :bravo: :bravo: :bravo:

LG Regina
 

Buchstabensalat

Lebenskünstlerin
AW: Sagen Se mal, Frau Herman...

Corinna hat gesagt.:
An deiner Stelle würde ich DAS an eine Zeitung schicken!

Ich wäre wirklich gespannt darauf, was du zur Antwort bekämst! ....
"Vielen Dank für Ihr Interesse, wir kommen auf Sie zurück, und wollen Sie noch ein Abo?"
Naja, vielleicht auch nicht...

Salat
 

Corinna

Forenomi
AW: Sagen Se mal, Frau Herman...

Glaub mir, DIES als Mail an die Zeitung und die drucken, was das Zeugs hält!!! :jaja:

Mach doch, BITTE!!!!

:-D
 

Nadine

Tortenträumerin
AW: Sagen Se mal, Frau Herman...

WOW .
Mal wieder mein Respekt Frau Salat!!
:bravo:
Echt toll geschrieben.

Und auf die Meinung der zeitung wäre ich auch gespannt!!! :jaja:

Absolut Zeitungstauglich!!!

Lg Nadine
 
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