AW: Gerade eben...
Wie gut, dass du da warst und dem älteren Herren helfen konntest!
Die älteren Herrschaften tun sich sehr schwer damit, wenn es darum geht, den körperlichen Abbau zu akzeptieren.
Mein Nachbar ist auch einer von diesem Schlag. Er hat sein Leben lang in seiner von ihm gegründeten Firma gearbeitet, hat sie aufgebaut und zu dem gemacht, was sie heute ist: ein sehr gut gehendes Familienunternehmen.
Obwohl er sein Unternehmen schon längst an seinen Sohn übergeben hatte, fuhr er trotzdem jeden Tag pünktlich um 7 Uhr morgens in die Firma, um nach dem Rechten zu sehen. Als er dann mit 89 Jahren nicht mehr Autofahren konnte, besser gesagt fahren konnte er nach seiner Ansicht schon noch, er war aber mit dem Straßenverkehr total überfordert und somit eine Gefährdung für andere, blieb seiner Frau nichts anderes übrig, als ihm die Autoschlüssel wegzunehmen und den ihren immer bei sich zu tragen, weil er es partou nicht verstehen konnte, weshalb er nicht mehr selbst fahren sollte.
Dieser Schritt fiel seiner Frau unendlich schwer, aber mit gut Zureden kam sie bei ihm leider nicht weiter. Bis sie dann einmal unachtsam war und ihren Autoschlüssel versehentlich auf dem Tisch liegen ließ. Er hat ihn sich gemoppst und wollte mit dem Wagen in die Firma fahren. Da er mit dem Mercedes seiner Frau noch mehr überfordert war, kam es, wie es kommen musste:
Er verursachte einen Unfall, bei dem zum Glück niemand zu Schaden kam. Erst da konnte er einsehen, dass es für ihn besser ist, sich fahren zu lassen, als sich selbst hinters Steuer zu setzen.
Die restliche Sturheit ist geblieben: das Nachbarhaus hat einen steilen Treppenabgang von der Garage zur Haustür, der für ihn mittlerweile zu gefährlich geworden ist. Sein Sohn hat deshalb extra für ihn einen zweiten, ebeneren Zugang gebaut, aber er läuft trotzdem jedes Mal die steilen Treppen. Mir stockt jedes Mal der Atem und ich fang an, innerlich zu Beten, damit er hoffentlich sturzfrei unten ankommt.
Ich glaube, alt zu werden und das dann auch so akzeptieren zu können, ist schwerer, als wir jungen es uns vorstellen...