Erinnerungen werden lebendig

C

CJL

Vor 2,5 Jahren hatte ich entbunden und versuche aus der Erinnerung heraus die Ereignisse jenes Geburtstages niederzuschreiben.

Am Vorabend verbrachten mein Mann und ich einige Zeit vor den Computern und spielten UT. Gegen 22:30 Uhr gab ich grummelnt auf, da ich eine Partie nach der anderen verlor.

Durch das Schlafzimmerfenster strahlten die ersten Sonnenstrahlen als mich ein merkwürdiges Gefühl aus dem ruhigen Schlaf weckte. Ich blickte auf die Uhr, es war 5:40 Uhr. Ich begab mich ins Badezimmer und die Schmerzen kamen mir bekannt vor, jetzt bereitet sich die Darm vor - danach legte ich mich wieder hin und schlummerte sanft ein. Um zehn nach sechs erwachte ich erneut und schritt erneut in Richtung Badezimmer. Nach und nach kam es zum Blasensprung und innerlich merkte ich, dass der Zeitpunkt gekommen ist. Sanft weckte ich meinen Mann und teilte ihm dies mit.

Das auslaufende Fruchtwasser bahnte weiter seinen Weg - in der Zwischenzeit teilte er seiner Firma mit, dass er nicht kommen wird, da die Geburt bevorsteht.

Mein Mann packte die Tasche - die Wochen zuvor waren wir mit Umzug beschäftigt, so dass ich sie nicht gepackt hatte - ich verbrachte noch etwas Zeit im Bett bis der Blasensprung aufhörte. Dann stand ich auf, suchte mir Anziehsachen raus und ging duschen. Mein Mann zog sich in der Zwischenzeit ebenfalls an und gegen 07:30 Uhr verließen wir dann die Wohnung.

Auf dem Weg ins Krankenhaus machten wir einen Zwischenstopp an einer Bäckerei und mein Mann holte ein paar belegte Brötchen. Die Wehen waren unregelmäßig alle drei bis fünf Minuten, dennoch ass ich in Ruhe noch ein Brötchen auf dem Fahrtweg, da die Schmerzen erträglich waren. Gegen 08:00 Uhr waren wir am Krankenhaus angekommen und suchten den Weg der Geburtsabteilung auf.

Wir berichteten vom Blasensprung und wurden in den Aufenhaltsraum geleitet, wo sich auch ein Wehenschreiber befand. Ich sass mich an einen Tisch und wartete geduldig, da der Wehenschreiber besetzt war. Die Wehen kamen in immer kürzerern Abständen und waren erträglich. Die Hebamme teilte uns mit, dass sich Getränke im Kühlschrank befanden. Mein Mann machte Milch für mich ausfindig, da ich während der Schwangerschaft auf der Arbeit immer einen bis zwei Liter Milch trank und mein Mitazubi beschwerte sich immer, dass er für mich jedes Mal Nachschub holen musste im Lager, dabei schmunzelte er immer, da die anderen wegen des Kaffeekonsums kräftigt zuschlugen. Der Wehenschreiber wurde frei und ich durfte auf der Untersuchungsliege Platz nehmen. Da die Wehen merklich in immer kürzeren Abständen kamen, bat man die anderen werdenden Eltern hinaus, damit man mich untersuchen konnte. Der Muttermund war mittlerweile auf 6 cm und es war ungefähr 10:30 Uhr. Die Hebamme fragte mich, ob sie mir Akkupunkturnadeln setzten solle. Ich sagte ja, versuchen kann man es ja.

In der Zwischenzeit äusserte ich den Wunsch es in einer Wasserwanne mal zu versuchen. Ein Kaisersaal wurde frei und somit konnte ich in einen anderen Raum, wo sich die Wanne befand. Die Hebamme, die mir die Akkupunkturnadeln gesetzt hatte, sollte uns durch die Geburt begleiten. Im Wasser wollte der Wehenschreiber zunächst nicht arbeiten, aber dann tat er es doch. Das warme Wasser verstärkte die Wehen von den Schmerzen und ich verließ die Wanne und trocknete mich ab. Danach ging es in den Kaisersaal und ich fand einen Gebärhocker, ein Seil an der Decke, ein riesiges Gebärbett und einen Gymnastikball vor.

Gegen 12 Uhr bekam ich meine erste PDA gesetzt und konnte mich frei im Raum bewegen, zumindest so weit wie es die Kabel des Wehenschreiber zu ließen. Um 12:30 Uhr brachte uns die Hebamme etwas zu Essen rein und wir assen noch mal was. Gegen 14 Uhr wurde ich noch mal untersucht und der Muttermund war vollständig geöffnet. Eine zweite PDA wurde etwas später erneut gespritzt. Ich verbrachte die Zeit zwischen 14 und 16 Uhr abwechselnd auf dem Bett auf der Seite oder rannte im Raum rum. Da der Wehenschreiber nicht mehr die Herztöne sauber wiedergab, war ich damit einverstanden, dass meine Tochter ab Köpfchen verkabelt wurde. Es war nicht einfach, damit ungehindert zu stehen, aber es ging. Das Seil hing am Fussende des Bettes und ich konnte mein Becken hin und her kreisen bzw. ich konnte mich wider dann hinsetzten. Ab und an musste ich mich wieder auf die Seite legen. Gegen 16 Uhr stand ich wieder und spürte das Köpfchen und meinte zur Hebamme, dass es jetzt kommt. Irgendwie bat sie mich wieder erneut auf das Bett und ich grummelte, da ich die Kleine gespürt hatte und gebären wollte. Somit legte ich mich - nach und nach ließ die PDA nach und eine Wehe nach der anderen kam in längeren Abständen und dauerte nun länger. Es tat gut auf der Seite zu liegen und jeder Schmerz war erträglich, denn während der Schwangerschaft hatte ich Probleme mit meiner Rückenmuskulatur und je nachdem strahlte der Schmerz nach vorne links aus und ich konnte nur unter Schmerzen flach atmen. Ich lies den Wehen ihren Lauf und wir wurden zunehmenst eins, so dass es ging. Gegen 18 Uhr bekam ich dann die dritte PDA - dass ganze drum herum bekam ich nicht mehr 100 % mit, ich weiß nur, dass der Chefarzt im Raum war und man sich beriet. Eine halbe Stunde gab er noch wo wir richtig arbeiten sollten. So durfte ich mich endlich wider hinstellen vor das Bett. Mein Mann nahm hinter mir Platz. Jetzt durfte ich endlich das vollbringen, wo ich zwei Stunden drauf gewartet hatte. Meine Tochter wollte raus und ich wollte, dass sie endlich da raus kommt. Ich hatte gespürt, dass sie soweit war, nur leider wurden wir daran gehindert, ansonsten wäre sie schon viel früher da gewesen. In Zusammenarbeit mit der Hebamme presste ich. Dann gab man mir einen Spiegel und ich konnte das Köpfchen sehen. Ich drückte weiter nach unten mit und nach und nach kam meine Kleine raus. Dann lag sie vor mir in rechter Seitenlage und hatte ein Glückshäubchen auf (die Hebamme erzählte uns später, dass so etwas sehr selten ist und was besonderes wäre). Sie schrie nicht und war richtig ruhig. In dem Moment dachte ich, da bist du ja. Mein Mann sollte die Nabelschnur durchtrennen, nur er kam von hinten nicht dran, da er hinter mir sass. Somit durchschnitt ich die Nabelschnur. Die Hebamme sagte, dass ich sie zu mir hochnehmen kann. Das tat ich dann auch und die Plazenta wurde anschliessend heraus gezogen.

Mein Mann und ich zogen uns auf das Bett zurück und die Kleine konnte das erste Mal angelegt werden. Danach wurde ich genäht, jedoch war es nur ein minimaler Scheidenriss. Ein wenig später konnten wir zu Abend essen, was uns die Hebamme brachte. Die Kleine wurde gegen 20 Uhr untersucht und wir konnten sie das erste Mal baden. Ich fragte die Hebamme, ob ich nun auch duschen könnte. Unter äußerster Vorsicht durfte ich das. Die Kleine war angezogen, ich war fertig und ich wollte dann nach Hause gehen. Man fragte uns, ob wir eine Nachsorgehebamme hätten, jedoch hatten wir keine und bezogen somit ein Familienzimmer zu dritt.

Die erste Nacht zu dritt und die Kleine schlummerte friedlich in dem kleinen Bettchen.

Das war so das schönste Erlebnis in meinem Leben was ich hatte. Ich erinnere mich gerne daran und erfreue mich, dass ich nach 2,5 Jahren die Erinnerung behalten habe. Ein paar Tränen habe ich im Moment im Auge, denn es war eine wirklich sehr schöne Geburt und ich bin dankbar, dass ich sie haben durfte. Dafür habe ich jetzt einen Wirbelwind, der einen verdammt gut auf Trab hält und eine verdammt starke Persönlichkeit ist, mit einer Menge Selbstvertrauen und Selbstbewußtsein. Der kleine ruhige Engel ist sie in jenem kurzen Augenblick gewesen und trägt ihn in sich. In der Erinnerung tragen ich diesen Moment in mir genauso wie mein Mann.

So kleine Flocke, Puschelmaus, jetzt habe ich dir als Mama meine Gefühle verfasst. Deine Mama liebt dich so wie du bist und das wird immer so bleiben. Dein Leben ist dein Leben und ich darf dich dabei ein kleines Stückchen begleiten. Ich habe dich so entfalten lassen soweit die Möglichkeiten da waren. Ein bisschen Gefühl von Freiheit konnte man im Krankenhaus spüren. Solche Momente sind im Leben verammt selten, denn regulär wird man dem gewohnten unterzogen. Aber in dem Krankenhaus, wo wir dich entbunden hatten, waren wir drei Stunden vom gewohnten Krankenhausalltag frei. Kein Entreissen, damit du sofort untersucht wirst, du warst bei deinen Eltern und dadurch kam ein Stückchen Natur auf, denn in der Natur ist man frei. Dieses Stückchen Gefühl versuche ich dir mitzuteilen. Das haben dein Vater und ich an jenem Tag gespürt. Erst drei Stunden danach wurden wir gefragt, wie du heißen sollst. In anderen Krankenhäuser läuft das anders. Die Philosophie des Krankenhauses mit allem seinem drum und dran hat das machbar gemacht. Was wir als Eltern dabei zusätzlich in solch einem Freiraum an Gefühlen entwickeln können, ist was anderes. Wir haben das erste Mal Freiheit gespürt und du hast sie als erste richtig gespürt. Das wir dabei sein durften, dafür sind wir dir dankbar. Selbstbestimmung, Selbstverwirklichung und Freiheit - diese Dinge vergiss nicht, denn du trägst sie in dir. Das Leben ist harte Arbeit, aber es ist verdammt schön. Wir als deine Eltern lieben dich und werden dich immer lieben.

Also Süße, das Leben ist kurz und wir haben nur dieses eine, mache daraus, was du machen kannst. :bussi:
 

Brini

ohne Ende verliebt
:-( Das hast du wunderschön geschrieben!

Deine süsse wird sich bestimmt sehr freuen, wenn sie es lesen darf!

Liebe Grüsse Sabrina

PS: Geburtsdaten? Namen? :wink:
 
C

CJL

Hier kommen die Daten:

Name: Annabelle
Geburtsdatum: 16.08.2001
Uhrzeit: 18:37 Uhr
Gewicht: 3260 g
Körpergröße: 50 cm
 

Brini

ohne Ende verliebt
Madlen hat gesagt.:
Was ist ein Glückshäubchen?

Dein Bericht ist echt klasse

Hi Madlen,

so viel ich weiss ist das Glückshäubschen die Fruchtblase :???: . Die kommt normalerweise erst mit der Nachgeburt, also der Plazenta raus.

Ich lass mich gerne korrigieren wenn ich falsch liege :)

Grüssle Sabrina
 
C

CJL

Hallo,

Fruchtblase bzw. Fruchthülle ist schon richtig, sie umgibt das Baby. Die Eihäute, die letztendlich um das Baby sich befinden, platzen normalerweise unter einem Blasensprung. Kommt es nicht zum Blasensprung, dann kann es passieren, dass die Eihäute wie ein Häubchen den Kopf des Babys umgeben. Dann ist der ganze Kopf je nachdem damit verdeckt.

Ein Glückshäubchen sind die Reste der Fruchthülle.

Im Volksglauben nennt man die Kinder mit einem Glückshäubchen Glückskinder genauso wie die Sonntagskinder. Bis ins Mittelalter hatten Hebammen die Hauben verkauft, damit sie anderen Glück bringen. Meistens waren dies Adelige oder hoch angesehene Personen, die diese kauften.
 
J

JuniorsMa

Hallo CJL,

das hast du wirklich wunderschön geschreiben, vorallem bei den Zeilen die an deine Tochter gerichtet sind habe ich richtige Gänsehaut bekommen.
 
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