AW: 11. September, Eure Erinnerungen
Feierabend, ich stieg ins Auto ein. Das Radio an, durch den Berufsverkehr herausfädeln, die letzte Ampel, dann kommt die Landstraße. Der Radiomoderator quatscht und quakt, es ist die Zeit einer kleinen Sendung, die sich mit Lokalem, dem Kinoprogramm und Veranstaltungen befaßt.
Ich schnappe die Worte "Flugzeug", "Tower", "fliegt hinein" auf. Ich bin nur mit halbem Ohr dabei, es klingt für mich wie das übliche Programm, und während langsam die Worte in mich einsickern, steigt Unmut in mir auf: was für ein Unfug, der -zigste Actionfilm mit völlig unglaubwürdiger Handlung, Flugzeuge, die in New York in Hochhäuser fliegen.
Aber die Stimme des Moderators läßt mich nicht los, sie ist heiser, erregt, viel zu angespannt für eine simple Filminhaltsbeschreibung. Dann eine zweite Stimme, durch ein Telefon, noch erregter, panisch, "Flugzeug ins Pentagon", schreit sie, und ich glaube es noch immer nicht, daß das Realität sein soll, nur meine Knie werden seltsam zittrig, ich parke zuhause ein, öffne die Tür, gehe zum Schwiegervater in die Wohnung. Er steht in der Küche auf der Leiter, schraubt irgendwas, ich starre ihn an: "Hast du Radio gehört?"
"Nein", fragt er zurück, ich greife nach dem Fernseher auf der Arbeitsplatte und stelle ihn an. Die WTC-Türme erscheinen auf dem Bildschirm, sie rauchen, fassungslos begreife ich, was ich erblicke, ich sage: "Da sind Flugzeuge in die Türme geflogen", mein Schwiegervater steigt von der Leiter, starrt auch, und in dem Moment stürzt der erste Turm in sich zusammen, Staub wallt auf, aber die Kamera ist weit vom Ort des Geschehens, das Bild bleibt, und dann - "Der zweite fällt auch!" schreie ich, wir haben uns schon gesetzt, wir starren und können unseren Augen beinahe nicht trauen. Der einzige Gedanke, der sinnlos in meinem Kopf herumkreist: mein Kind wird geboren werden im Jahr des Einsturzes der WTC-Türme. Und: wird es Krieg geben?
Salat