Wie mit "Wehleidigkeit" umgehen?

P

Paulchen

ich hab ein Problem. Vielleicht weniger mit Paul als mit mir.

Also: An jedem Tag erzählt Paul mir, wo ihm genau was wehtut. Es wird genauestens beschrieben und gezeigt, auch wenn man nichts sieht. Mindestens zweimal am Tag ist es Bauchweh, aber auch Kopfweh oder ein leicht angeschlagener Finger muss ausgiebigst begutachtet, bepustet und bemitleidet werden. Gestern ist er gestolpert und hatte dann einen "verstauchten" Fuss, der unbedingt gewickelt werden musste. Er wollte gern zum Arzt, zum Glück war Mittwoch :heilisch:

Ich versuche, ihm zu geben, was er braucht. Aber ich selbst bin ganz hart aufgewachsen, meine Eltern waren mir und meinen Bedürfnissen und Schmerzen jeglicher Art einfach total gleichgültig gegenüber. Ich musste da durch, wenn ich geweint habe, hab ich noch eine Ohrfeige bekommen "damit du Grund hast zum Heulen".

Also. Das heisst, ich habe ein ganz schlechtes Verhältnis zu meinem Körper und auch zu Leiden. Bin gewöhnt, die Zähne zusammenzubeissen und das durchzustehen ohne etwas zu sagen oder zum Arzt zu gehen. Find ich selber ganz schlecht. Mein Mann ist ähnlich aufgewachsen. Ich weiss noch, dass ich als Kind sehr oft Ohrenweh hatte und die ganze Nacht in meinem Zimmer umhergegangen bin, um meine Eltern nicht mit Weinen zu wecken...

Ich weiss aber, wie schlecht meine Erziehung (so man sie dann so nennen kann) war. Und ich bin ja froh, dass mein Kind in sich hineinhorcht und mir diese Dinge auch mitteilt, sodass wir darüber nachdenken können, warum er "Bauchweh" hat, ob vielleicht Ärger im Kiga oder so dahintersteckt. Aber gleichzeitig nervt es mich unwahrscheinlich, eine innere Stimme sagt in mir: "Der stellt sich an!". Ich kann das nicht abstellen, aber natürlich merkt mein Kind das und klammert noch mehr. Mir tut das so leid, er bekommt wirklich sehr viel Aufmerksamkeit von uns und ich versucht auch, ihm und seinen Bedürfnissen gerecht zu werden und eben nicht so zu sein wie meine Eltern früher, das fände ich ganz schlimm.

Wie geht ihr damit um? Hat jemand von euch auch ein "wehleidiges" Kind? Oder sagt mir ehrlich, ob es vielleicht mein Problem ist, verursacht durch meine Perspektive. Ermutige ich ihn dadruch, dass ich auf die "Wehwechen" eingehe? Oder ist das gut für ihn und uns.

Ach ja, übrigens: Wenn er mal wirklich krank ist, ist er sehr tapfer. Er geht aber auch sehr gern zur Kinderärztin, die liebt er heiss und innig :).

Sagt mir mal was dazu!

Katja, mit Herz aus Stein. :(
 

Bianca

Gehört zum Inventar
AW: Wie mit "Wehleidigkeit" umgehen?

Katja, mit Herz aus Stein. :(


:( Nein das hast Du ganz ganz sicher nicht liebe Katja! :bussi:




Zur Sache selbst kann ich gar nicht soviel beitragen ...


Wenn Fabian jammert, hat er eigentlich immer was.
Oder ich merk gleich an seinem Gesicht dass er nur "schauspielert".
Bzw. ich merks dann wenn er bei mir jammert und gleich danach wieder rumspringt.
Dann sag ich ihm aber auch dass es gar nicht so arg wehtun kann wenn er sofort danach wieder so springen kann.


Bianca, leider keine große Hilfe
 

Wölfin

Gehört zum Inventar
AW: Wie mit "Wehleidigkeit" umgehen?

Katja, das hört sich so traurig an - und ist es auch.

Und es ist schön, dass du auf die Bedürfnisse von Paul eingehen kannst.
Er stellt sich ganz bestimmt nicht an, denn egal, was der "Auslöser" tatsächlich ist (Kiga oder was auch immer), er braucht dich gerade und das ist sein Weg, es dir zu sagen.

Aber ich sehe auch eine Chance für dich. Du warst immer alleine mit deinem Schmerz und das hat dich hart gemacht - vielleicht ein wenig zu hart *vorsichtig frag*? Ich könnte mir sogar vorstellen, wenn du es zulassen kannst deinen eigenen Schmerz ernst zu nehmen (und dazu hast du allen Grund), hört Paul damit auf.

Die Idee habe ich deshalb, weil meine Kinder auch oft genau die Bedürfnisse haben, die bei mir früher nicht ernst genommen wurden. Indem ich meine Kinder tröste und ernst nehme, werde ich selber auch ein wenig weicher.
Aber ich verstehe, was du meinst, diese Stimme ist in uns und manchmal rutscht mir so ein Kommentar über die Lippen und ich könnte mich ohrfeigen dafür.

Liebe Grüße,
Sabine
 

talnadjöfull

Bücherwurm
AW: Wie mit "Wehleidigkeit" umgehen?

Bei uns ist es ähnlich, auf jeden Jucker muss nach Mamsells Vorstellung ein Pflaster geklebt werden. Mach ich nun nicht, aber ein Bussl und ein Eiei gibt es trotzdem. Mamsell geht auch gern zum Arzt ("mein Auge is abgebrochen").

Ich habe dazu ein etwas entspannteres Verhältnis, deswegen nervt es mich wohl nur ein bisschen und nicht arg, so dass ich es einfach hinnehmen kann.

Der angebrochene Zeigefinger letztes Jahr wurde mit "tut aua" kommentiert. Der armen Kindergärtnerin wurde bei dem Anblick fast schlecht, die kam kaum drüber weg, dass Céline nur ein trockenes "tut aua" brachte und sich tapfer verbinden ließ.

Scheint unsere Linie also nicht soo von Schaden zu sein. Ist dann wohl das Betüdeln gerade gebraucht und nicht die "Behandlung" des "Wehwehchens" an sich.
 
P

Paulchen

AW: Wie mit "Wehleidigkeit" umgehen?

Katja, das hört sich so traurig an - und ist es auch.

Und es ist schön, dass du auf die Bedürfnisse von Paul eingehen kannst.
Er stellt sich ganz bestimmt nicht an, denn egal, was der "Auslöser" tatsächlich ist (Kiga oder was auch immer), er braucht dich gerade und das ist sein Weg, es dir zu sagen.

Aber ich sehe auch eine Chance für dich. Du warst immer alleine mit deinem Schmerz und das hat dich hart gemacht - vielleicht ein wenig zu hart *vorsichtig frag*? Ich könnte mir sogar vorstellen, wenn du es zulassen kannst deinen eigenen Schmerz ernst zu nehmen (und dazu hast du allen Grund), hört Paul damit auf.

Die Idee habe ich deshalb, weil meine Kinder auch oft genau die Bedürfnisse haben, die bei mir früher nicht ernst genommen wurden. Indem ich meine Kinder tröste und ernst nehme, werde ich selber auch ein wenig weicher.
Aber ich verstehe, was du meinst, diese Stimme ist in uns und manchmal rutscht mir so ein Kommentar über die Lippen und ich könnte mich ohrfeigen dafür.

Liebe Grüße,
Sabine


Ja genau. Ich bin ja auch froh darüber, dass ich reflektieren darf und eben andere Wege gehen kann. Aber es ist so schwer, zu differenzieren, wenn man selber nur einen Weg gelernt hat und dann eben nicht genau weiss, was sich richtig "anfühlt", eben weil ich nie gelernt habe, dass "Fühlen" richtig ist oder wie Fühlen richtig geht. Ich arbeite an meinem inneren Kind schon länger und weiss um die Probleme. Eben darum frag ich ja :). Muss mein Kind ja nicht unbedingt ausbaden...

Auf jeden Fall hat mich das hart gemacht, was ich erlebt habe. Aber Paul hat mich schon viel weicher geklopft :) als ich je gedacht hätte und das ist ein toller Weg. Aber wie bringe ich diese "innere" Stimme (meiner Eltern) zum Verstummen? Geht das überhaupt? Fall ich dann vielleicht ins andere Extrem mit Zu-sehr-betuddeln, weil ich nur s/w kenne? Hach ist das blöd. jedenfalls fühlt es sich nicht gut an für mich...

Tadna, danke für deinen Beitrag. :herz: Vielleicht ist es ja auch eine Phase, in der er mich noch mehr braucht, er war auch gerade sehr krank zwei Wochen und hat gemerkt, wie sehr mich das mitgenommen hat.

Manchmal denke ich dann auch einfach: "Typisch Mann!" Aber das ist mir dann im Nachhinein doch zu einfach gestrickt.
 

Nats

Jupheidi
AW: Wie mit "Wehleidigkeit" umgehen?

Hallo,

Kinder können sich ganz schwer ausdrücken und wenn ihnen was auf der Seele liegt, dann wissen sie nicht, wie sie sich verständlich machen sollen. Also muß Bauchweh und Co herhalten.
Laura hatte diese Phase auch mal ganz extrem und zuerst wußte ich auch nicht damit umzugehen. Hab oft beim Doc nachgefragt, ob Laura nicht doch was am Bauch hätte...Nachdem mir da auch nochmal bestätigt worden ist, das Kinder in solchen Situationen wirklich Bauchweh haben (oder was auch immer) , sie fühlen anscheinend richtige Schmerzen dann....hab ich mir dann einfach Zeit genommen und viel hinterfragt. Je älter Laura wurde umso mehr konnte ich ihr sagen: "So, sind das richtige Schmerzen, oder bedrückt dich nur was. Ich muß das unterscheiden können.Das ist ganz wichtig!"

Es tut mir wirklich leid, das du selbst solche Erfahrungen machen mußtest. :troest:

LG
 
P

Paulchen

AW: Wie mit "Wehleidigkeit" umgehen?

Ja Nats,

aber Bauchweh ist nur das eine, alle anderen "Kleinigkeiten" werden aufgebauscht, auch wenn er nur leicht mit dem Finger an den Tisch schlägt oder so.

Katja
 

Wölfin

Gehört zum Inventar
AW: Wie mit "Wehleidigkeit" umgehen?

Aber wie bringe ich diese "innere" Stimme (meiner Eltern) zum Verstummen? Geht das überhaupt? Fall ich dann vielleicht ins andere Extrem mit Zu-sehr-betuddeln, weil ich nur s/w kenne? Hach ist das blöd. jedenfalls fühlt es sich nicht gut an für mich...

Manchmal denke ich, dass man vielleicht tatsächlich in das andere Extrem fällt und einfach sehr viel seine eigenen Kinder bedüddelt - aber ! damit kann man einem Kind nicht schaden. Meine zeigen deutlich, ob sie das wollen oder nicht. Die Aufforderung kommt meistens von ihnen.

Ob die innere Stimme irgendwann verstummt? Ja, ich glaub schon. Wenn wir das, was wir erlebt haben, akzeptieren können. Nicht mit dem Kopf (damit gehts bei mir zumindest immer ganz schnell) sondern mit den Gefühlen (wie z.B. Selbstliebe - ich habe sogar gegen das Wort eine große Abneigung).
Ich sag es mal so: ich weiß, dass es einen Ort in mir gibt, der voller großer Liebe ist und niemals verletzt werden konnte. Um diesen Ort herum habe ich Schutzmauern aufgebaut, die sind hart, tun weh - und sie loszulassen tut auch erstmal weh.
Vielleicht hilft dir dieses "Bild" auch ein wenig.

liebe Grüße,
Sabine
 
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